Zwei junge Erwachsene auf der Suche nach ihrem Lebensweg und ihre Beziehung zu ihren Eltern. – Das könnte ein ausladendes Drama sein, doch der Koreaner Hong Sangsoo erzählt mit maximalem Minimalismus, deutet mehr an als auszuformulieren und beschränkt sich wie gewohnt darauf seinen Figuren vor allem beim Reden zuzusehen.
In drei Kapiteln hat Hong Sangsoo seinen nur 66 Minuten langen Film gegliedert. Bindeglied sind der junge Young-ho (Shin Seok-ho) und seine Freundin Ju-won (Park Mi-so). Im ersten Kapitel trennen sie sich auf einer Straße, da Young-hos Vater, der Arzt ist, seinen Sohn zu einem Gespräch geladen hat. Aufgrund des Besuchs eines Schauspielers hat der Vater dann aber doch keine Zeit für seinen Sohn, der somit nur mit der Sprechstundenhilfe reden kann.
Mit einem Schnitt wird der zweite Abschnitt eingeleitet, mit dem man auch von Korea nach Berlin versetzt wird. Hier hat Ju-wons Mutter für ihre Tochter eine Unterkunft in der Wohnung einer bekannten Künstlerin organisiert. Ju-won möchte in der deutschen Hauptstadt Fashion Design studieren, doch im Gespräch mit der Künstlerin scheinen in ihr Zweifel an dieser Studienwahl aufzukommen. Wichtiger ist ihr Young-ho, der plötzlich in Berlin auftaucht und der vorschlägt, dass er seinen Vater bitten wird, ihm auch ein Studium in der deutschen Hauptstadt zu ermöglichen.
Nach gut 30 Minuten setzt in einem koreanischen Strandhotel der letzte Abschnitt ein. Hier essen der Schauspieler, der am Beginn von Young-hos Vater behandelt wurde, und Young-hos Mutter und warten auf die Ankunft Young-hos. Der Schauspieler soll Young-ho dazu bewegen, seinen Entschluss doch nicht Schauspieler zu werden, zu überdenken. Als Young-ho mit einem Freund eintrifft, wird vor allem kräftig Soju getrunken, bis die beiden Männer angetrunken das Hotel verlassen, Young-ho im Auto einschläft, von seiner Freundin träumt und anschließend im eisig kalten Meer badet.
Mehr Miniaturen und Momentaufnahmen als klare Handlung bieten Hongs Filme. Weitgehend in Echtzeit filmt der Koreaner die einzelnen Szenen, offen bleibt dagegen welche Zeitspannen zwischen den einzelnen Abschnitten liegen.
Lange ruhige Einstellungen dominieren, mit halbnahen Einstellungen wird einerseits Distanz gehalten, andererseits ein Schuss-Gegenschussverfahren vermieden. Nur mit einzelnen Zooms oder Schwenks wird hin und wieder der Blick gelenkt, ansonsten bleibt die Kamera weitgehend statisch.
Auch Musik wird jeweils nur zum Ausklang der einzelnen Abschnitte eingesetzt. Und zur Reduktion trägt auch die Verwendung von Schwarzweiß bei, bei dem neben Schwarz ein milchiges Grau dominiert, weitere Grauabstufungen aber vermieden werden. Ganz auf den Schauspieler*innen und ihren Gesprächen liegt der Fokus, nichts soll von ihnen ablenken.
Nur den Augenblick gibt es hier, dazwischen liegen große Leerstellen. Offen bleibt so sowohl, wieso Young-hos Vater in der ersten Einstellung Gott alles verspricht, falls er eine zweite Chance bekommen sollte, als auch wie Ju-won und ihre Mutter, aber auch Young-ho nach Berlin kamen.
Wie "Introduction" – wie gewohnt bei den Filmen Hongs – große Leichtigkeit ausstrahlt und die Szenen wie hingetupft wirken, ist ziemlich einzigartig. Mehr angedeutet als ausformuliert wird hier das Thema des Überdenkens von Lebensplänen und Berufswünschen und Müttern, die ihre erwachsenen Kinder in eine bestimmte Bahn lenken wollen.
Allerdings wirkt dieser Film teilweise auch wie ein Sampler aus anderen Filmen des Koreaners. So spielte schon in "On the Beach at Night Alone" (2017) ein Teil in Deutschland, reichlich getrunken wurde nicht nur in "Our Sunhi" (2013) und in einem Hotel – allerdings an einem Fluss – spielte schon "Hotel by the River" (2018).
So wirkt "Introduction", der auch dazu tendiert, in seine drei Einzelteile zu zerfallen, insgesamt doch wie ein Zwischenwerk oder eine Fingerübung und erreicht nicht die Geschlossenheit von "The Woman Who Ran". Darüber können auch sehr schöne einzelne Momente, die die Meisterschaft Hongs, der hier nicht nur für Regie und Drehbuch verantwortlich zeichnet, sondern auch für Kamera, Schnitt, Musik und Produktion, nicht hinwegtäuschen.
Introduction Korea 2021 Regie: Hong Sangsoo mit: Shin Seok-ho, Park Mi-so, Kim Young-ho, Ki Joo-bong, Seo Young-hwa, Kim Min-hee Länge: 66 min.
Läuft derzeit in einigen österreichischen Kinos
Trailer zu "Introduction"
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