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AutorenbildWalter Gasperi

Johnny zieht in den Krieg - Johnny Got His Gun

Im Ersten Weltkrieg flieht ein junger Soldat, der schwer verwundet in einem Militärkrankenhaus liegt, in Erinnerungen und Träumen in ein glückliches Leben: Dalton Trumbos 1971 entstandener, klassischer Antikriegsfilm ist bei Filmjuwelen mit umfangreichen Extras auf DVD und Blu-ray erschienen.


Kurz vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs landete der US-Schriftsteller und Drehbuchautor Dalton Trumbo mit seinem Roman "Johnny Got His Gun" einen beachtlichen Erfolg. Schonungslos schilderte er darin das Schicksal des 21-jährigen Joe (Johnny) Bonham, der freiwillig für die USA in den Ersten Weltkrieg zieht und schwer verwundet wird.


Während des Zweiten Weltkriegs war dieses pazifistische Werk aber wenig gefragt und wenig später fiel Trumbo der Kommunistenjagd unter Senator Joseph Mc-Carthy zum Opfer. Elf Monate Haft folgten und 13 Jahre konnte er nur unter einem Pseudonym Drehbücher, darunter die mit dem Oscar ausgezeichneten Scripts für "Roman Holiday" ("Ein Herz und eine Krone", 1953) und "The Brave One" ("Roter Staub", 1956), schreiben. Erst bei Stanley Kubricks "Spartacus" (1960) und Otto Premingers "Exodus" (1960) wurde sein Name wieder im Vorspann genannt.


Luis Bunuel, den Trumbo bei einem Mexikoaufenthalt in den frühen 1950er Jahren kennengelernt hatte, plante in den 1960er Jahren eine Verfilmung von "Johnny Got His Gun". Doch das Projekt scheiterte, sodass Trumbo 1971 schließlich selbst die Regie übernahm.


Mit schwarzweißen Archivbildern von Monarchen bei Paraden oder bei der Jagd, die dem Vorspann unterlegt sind und von Militärmusik begleitet werden, eröffnet er seine einzige Regiearbeit, bis mächtig ein Geschützrohr ins Bild gerückt wird und auf der Tonspur der Einschlag einer Granate zu hören ist.


Mehrfach kehrt der Film zu diesem Granateinschlag zurück, denn das Leben des 21-jährigen Johnny Bonham (Timothy Bottoms) wurde dadurch unwiderruflich zerstört. Mit verhülltem Gesicht liegt er nun in einem Militärkrankenhaus. Der selbst versehrte Arzt spricht von einer irreparablen Hirnschädigung und auch Arme und Beine wurden amputiert.


Als Versuchskaninchen will man Johnny, dessen - offensichtlich zerfetztes - Gesicht immer hinter einer Maske verborgen bleibt, in einem abgeschlossenen Raum am Leben erhalten, um vielleicht doch noch wissenschaftliche Erkenntnisse aus seinem Fall zu gewinnen.


Doch mag der junge Soldat – oder vielmehr der Torso, der von ihm übrig ist - auch nichts sehen, nichts hören, sprach- und bewegungsunfähig sein und nur durch künstliche Ernährung am Leben erhalten werden, so ist er doch im Gegensatz zur Meinung des Arztes bei vollem Bewusstsein und nimmt anhand der unterschiedlichen Vibrationen des Bodens wahr, was um ihn vorgeht.


Unfähig aber mit seiner Umwelt Kontakt aufzunehmen, erinnert er sich an seine Kindheit, an seine Mutter, seinen Vater (Jason Robards) und an seine große Liebe Kareen (Kathy Fields), aber auch an seinen Chef in der Bäckerei, der ebenso wie andere ältere Herren oder kirchliche Würdenträger den Kriegseinsatz der Jungen fürs Vaterland propagiert.


In diese Erinnerungen mischen sich aber auch surreale Traumszenen, in denen er Jesus (Donald Sutherland) begegnet, der Kreuze und Särge zimmert, oder seinem als Schausteller durch die Wüste ziehenden Vater. Naheliegend ist es, dass Bunuel, der selbst für die Jesus-Szenen verantwortlich zeichnen soll, speziell diese surrealen Momente interessierten.


Mit sanften Farben und Licht sind diese Erinnerungen und Träume von den in hartem Schwarzweiß gehaltenen Krankenhaus-Szenen abgehoben. Der Statik, Leblosigkeit und Kälte im Krankenzimmer steht hier eine Wärme und Lebensfreude gegenüber, die durch den Krieg für immer zerstört wurden. Kriegsszenen benötigt Trumbo im Gegensatz zu anderen Filmen dagegen kaum. Er beschränkt sich darauf die schockierenden Folgen des Mordens auf den Schlachtfeldern zu zeigen.


Zunehmend wird sich Johnny aber auch seines körperlichen Zustands bewusst. Als eine mitfühlende Krankenpflegerin durch Berührungen mit ihm zu kommunizieren beginnt, beginnt auch er mittels Morsezeichen durch Kopfnicken langsam Kontakt mit der Außenwelt zu suchen.


Seinen Wunsch als mahnendes Beispiel ausgestellt und der Öffentlichkeit präsentiert zu werden, wird von den Offizieren aber ebenso abgelehnt wie seine Bitte getötet zu werden. Unbeachtet verhallt sein "SOS – Helft mir, Tötet mich", während die Kamera langsam von seinem Bett zurückfährt und ihn im Raum isoliert.

 

Nichts von seiner Aktualität und Kraft hat dieser Antikriegsfilm seit seiner Uraufführung 1971 verloren. Auch wenn Trumbo seine Verfilmung als bitteren Kommentar zum damals tobenden Vietnamkrieg angelegt hat, so ist die Botschaft vom Krieg als Zerstörer alles Menschlichen doch zeitlos. Ebenso kompromisslos wie erschütternd ist sein Film durch die Fokussierung auf den an sein Bett gefesselten Torso und verweigert sich im Verzicht auf Kriegsszenen jeder Glorifizierung.


An Sprachversionen bieten die bei Film- und Fernsehjuwelen erschienene DVD und Blu-ray die englische Original- und die deutsche Synchronfassung sowie deutsche Untertitel und englische Untertitel für Hörgeschädigte.


Die jeweils deutsch untertitelten, umfangreichen Extras umfassen neben zwei originalen Trailern und dem deutschen Trailer ein zehnminütiges Interview mit Hauptdarsteller Timothy Bottoms, die 40-minütige Hörspielfassung von 1940 und das achtminütige Featurette "Behind the Scenes". Dazu kommen ein digital abrufbares 36-seitiges Booklet des Filmwissenschaftlers Rolf Giesen und ein ausführlicher Audiokommentar ebenfalls von Giesen, der wie gewohnt vielfältige Hintergrundinformationen unter anderem zum Regisseur, zu Schauspieler:innen und zum Genre des Kriegsfilms bietet, aber kaum einmal konkret Filmszenen analysiert.


Prunkstück der Extras ist Robert Fischers einstündiger Dokumentarfilm "Dalton Trumbo: Rebell in Hollywood", der mit Interviews unter anderem mit Trumbos Sohn Christopher, der Schauspielerin Marsha Hunt und Kameramann Jules Brunner detailreich die Karriere von Dalton Trumbo, vor allem seine Ächtung während der McCarthy-Ära und den langwierigen Entstehungsprozess von "Johnny Got His Gun" nachzeichnet.



Trailer zu "Johnny zieht in den Krieg - Johnny Got His Gun"



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