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Könige des Sommers – Vingt Dieux!

Autorenbild: Walter GasperiWalter Gasperi
"Könige des Sommers - Vingt Dieux": Frische und natürliche Tragikomödie über ein Coming-of-Age auf dem Land
"Könige des Sommers - Vingt Dieux": Frische und natürliche Tragikomödie über ein Coming-of-Age auf dem Land

Nicht neu ist die Geschichte vom perspektivlosen jungen Erwachsenen, der langsam eine Aufgabe und Lebenssinn findet. Die Verankerung im quasidokumentarisch eingefangenen bäuerlichen Milieu des französischen Jura und natürliche Laiendarsteller:innen verleihen Louise Courvoisiers Langfilmdebüt aber viel Charme.


Hautnah folgt die Kamera einem Mann mit zerschlissenem Unterhemd bei seinem Weg mit einem Bierfass durch die auf einem Dorffest feiernde Menge. Der Alkohol fließt in Strömen und mitten drin ist der 18-jährige Totone (Clément Faveau), der auf einem Tisch tanzt und zum Gesang der anderen einen Striptease hinlegt. Anschließend schleppt er eine junge Frau ab, kann sich am nächsten Morgen aber kaum mehr an die vergangene Nacht erinnern.


Man spürt schon in diesem Auftakt, dass die 1994 in Genf geborene und im französischen Jura aufgewachsene Louise Courvoisier genau weiß, wovon sie erzählt und dass sie Gegend sowie Milieu bestens kennt. Auf Augenhöhe mit ihren Protagonist:innen ist sie stets, bleibt mit beweglicher Handkamera nah dran und fängt mit quasidokumentarischem Gestus das bäuerliche Milieu so dicht ein, dass man den Schweiß, den Geruch der Kühe, des Strohs oder des Käses, der hier produziert wird, fast riechen kann.


Für Kontrast zu dieser Nähe sorgen Totalen bei den wiederkehrenden Fahrten durch die Gegend. Stimmig wird mit diesen Landschaftsaufnahmen der weiten Felder und Wälder und mit kräftigen Sommerfarben "Könige des Sommers – Vingt Dieux!" in dieser Region verankert und die Geschichte quasi aus dem geographischen und sozialen Raum heraus entwickelt. Wesentlich zur Frische tragen aber auch die natürlich agierenden Laienschauschauspieler:innen bei, die mit ihren Rollen förmlich verschmelzen.


Totones zielloses Partyleben könnte wohl noch lange so weiter gehen, doch dann kommt sein Vater, der ebenfalls dem Alkohol nicht abgeneigt war, bei einem Autounfall ums Leben. Von einem Tag auf den anderen muss so der junge Mann Verantwortung übernehmen. Wenig Interesse zeigt er am heruntergekommenen Hof und verkauft lieber die Maschinen, aber die Betreuung seiner siebenjährigen Schwester Claire kann er nicht so leicht abschieben.


Ohne Geld läuft aber auch in dieser Gegend nichts und so nimmt er notgedrungen einen Job in einer Käserei an. Das geht aber nicht lange gut, denn bald wird Totone nach einer heftigen Schlägerei mit den Söhnen des Chefs auch schon wieder gefeuert. Als er aber erfährt, dass man für einen prämierten Laib Comté 30.000 Euro gewinnen kann, ist sein Interesse geweckt und er möchte selbst in die Käseproduktion einsteigen.


Unterstützung findet er dabei zwar bei seinen beiden Freunden und seiner kleinen Schwester, muss aber auch rasch feststellen, dass die Käseherstellung nicht so einfach ist. Um Einblick zu gewinnen, werden youtube-Videos studiert und ein Schaukäsen besucht, aber vor allem wird Milch benötigt. Deshalb macht sich Totone an die junge Bäuerin Marie-Lise (Maïwène Barthelemy) heran. Während er sie verführt, sollen seine Kumpels ihre Milch stellen. Bald lösen aber seine wachsenden Gefühle für die Bäuerin einen inneren Zwiespalt aus.


So vertraut die Geschichte von der Selbstfindung eines jungen Mannes ist, so ungewohnt ist das Milieu. Viel Zeit lässt sich Courvoisier für die Schilderung der Käseproduktion oder der Geburt eines Kalbes, lässt aber auch den Witz bei den Pannen von Totone und seinen Freunden nicht zu kurz kommen, sodass "Könige des Sommers" fließend zwischen Drama und Komödie wechselt.


Leichthändig wird dabei auch die Selbstfindungsgeschichte mit der emotionalen Entwicklung und Reifung Totones verknüpft. Denn geht es ihm am Beginn nur um schnellen Sex, so entwickelt mit der Beziehung zu Marie-Lise, auch wenn diese zunächst mit hinterhältigen Absichten angestrebt wurde, tiefere Gefühle.


Klein gehalten ist die Geschichte, doch der ebenso genaue wie ungeschminkte und unsentimentale Blick macht dieses Langfilmdebüt zu einem beglückenden Kinoerlebnis. Nie verklärt die Regisseurin nämlich diese bäuerliche Welt, sondern zeigt sie in ihrer Vielfalt und Widersprüchlichkeit, wenn der Arbeit auf dem Hof und der Käseproduktion die Lust der jungen Generation an Stockcar-Rennen und die exzessiven Dorffeste gegenübergestellt werden.


Während die spürbare Empathie Courvoisiers für ihre jungen Protagonist:innen, vor allem für Totone, seine kleine Schwester und Marie-Lise das Interesse an den Figuren hochhält und dafür sorgt, dass man an ihrem Schicksal Anteil nimmt, führt die dichte Schilderung des Milieus dazu, dass man diese bäuerliche Welt mit neuen Augen sieht und die Qualität eines guten Käses fortan vielleicht ganz anders schätzen wird.

 

Könige des Sommers – Vingt Dieux (Holy Cow)

Frankreich 2024 Regie: Louise Courvoisier mit: Clément Faveau, Luna Garret, Mathis Bernard, Dimitry Baudry, Maïwène Barthelemy, Armand Sancey Richard, Lucas Marillier Länge: 90 min.



Läuft derzeit in den österreichischen und deutschen Kinos - ab 17.4. in den Schweizer Kinos.

Kinothek extra in der Kinothek Lustenau: Mo 24.2., 18 Uhr + Mi 5.3., 20 Uhr



Trailer zu "Könige des Sommers - Vingt Dieux!"


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