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AutorenbildWalter Gasperi

Kühl-stilisierte Gangsterfilme in Vollendung: Jean-Pierre Melville

Aktualisiert: 3. Nov. 2023


Le cercle rouge (Vier im roten Kreis; Jean-Pierre Melville, 1970)

Keiner Bewegung, keiner Gruppe ist Jean-Pierre Melville zuzuordnen. Er steht im französischen Kino so singulär da wie Robert Bresson und sein Einzelgängertum und Perfektionismus spiegelt sich in den Protagonisten seiner kühlen Gangsterfilme, die gleichzeitig hoch stilisierte, lakonische Studien über Einsamkeit und Ausweglosigkeit sind. – Das Berner Kino Rex widmet dem Meisterregisseur, dessen Todestag sich am 2. August zum 60. Mal jährt, im Juni eine Retrospektive.


Melville – der Name, den der am 20. Oktober 1917 in Paris geborene Jean-Pierre Grumbach schon vor oder während des Zweiten Weltkriegs annahm, sagt schon einiges über seinen Träger. Nicht nur die Romane Herman Melvilles mit ihren scheiternden Helden ("Moby Dick"), sondern die amerikanische Kultur insgesamt fesselte den Franzosen schon als Kind.


Im amerikanischen Kino fand er seine Vorbilder, für Frank Capra, John Ford, William Wyler, Howard Hawks, John Huston und Robert Wise schwärmte er, Frank Tuttles "This Gun for Hire" (1942) und Don Siegels "The Killer"» (1964) gelten als Vorläufer von und Vorbilder für "Le samourai" ("Der eiskalte Engel", 1967), Melvilles berühmtesten Film.


Den amerikanischen Gangsterfilm hat er nach Frankreich übertragen, sieben seiner 13 Filme und indirekt auch sein Resistance-Drama "L´armée des ombres" ("Armee im Schatten", 1969) sind diesem Genre zuzuordnen, das er von allem Beiwerk befreite und entdramatisierte. Die Krimihandlung ist immer noch da, aber dahinter stehen immer ebenso beklemmende wie kühle Studien über Einsamkeit, Freundschaft und Verrat und nur der Tod bietet einen Ausweg aus dem Gefängnis, das die Welt darstellt.


So amerikanisch das Genre ist, so japanisch ist der Stoizismus von Melvilles Protagonisten und ein von ihm selbst erfundenes und dem Bushido, dem Regelwerk der japanischen Kämpferklasse, zugeschriebenes Motto hat er dem 1967 entstandenen "Le Samourai" vorangestellt: "Es gibt keine größere Einsamkeit als die des Samurais, es sei denn, die des Tigers im Dschungel." Alain Delon geht darin als eiskalter Killer Jeff Costello stoisch seinen Weg und provoziert seinen Tod, als er sieht, dass es keinen Ausweg mehr gibt.


Männerfilme sind dies, Frauen kommen kaum vor. Nach strengen Ritualen verläuft das Leben von Melvilles Gangstern, Widerstandskämpfern und Killern und ritualisiert ist ihre Arbeit. Emotionslos, aber mit größter Perfektion verrichten sie ihre Jobs wie den legendären halbstündigen dialoglosen Einbruch in "Le cercle rouge" ("Vier im roten Kreis", 1970).

Zum Scheitern verurteilt ist in der sinnentleerten Welt Melvilles der, der Gefühle zeigt, doch auch dann bleiben Melvilles lakonische Antihelden stoisch und gehen ohne Gefühlsregung in den Tod. - Am Ende gibt es nie Sieger, immer nur Besiegte.


Die Polizisten stehen zwar auf der anderen Seite des Gesetzes, doch innerlich sind sie Geistesverwandte, sind die Kehrseite der Medaille, bis in "Un flic" ("Der Chef", 1972), Melvilles letztem Film, der von Alain Delon gespielte Bulle und der von Richard Crenna gespielte Gangster zur Deckung gebracht werden. Die Grenzen zwischen Gut und Böse verschwimmen stets und nicht vom Verbrechen, das sich nicht lohnt, sondern von der Vergeblichkeit jeglichen menschlichen Handels erzählen diese fatalistischen Gangsterfilme.


Und es ist die kühle Perfektion der Inszenierung, die Brillanz der Farbdramaturgie, die Stilisierung und die Abstrahierung, durch die die erzählten Geschichten zu Archetypen und zu makel- und zeitlosen Meisterwerken werden, die packend eine tief pessimistische Weltsicht vermitteln.



Weitere Informationen zu den Filmen und Spieldaten finden Sie hier.



Ausschnitt aus "Le samourai - Der eiskalte Engel"



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