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AutorenbildWalter Gasperi

La cordillera de los sueños


Der Beständigkeit der Anden stellt Patricio Guzmán die Erschütterungen der chilenischen Geschichte, im Besonderen die Zeit der Diktatur Pinochets, gegenüber und reflektiert in seinem bildstarken und gedankenreichen Essayfilm über Verdrängung und die Notwendigkeit der Erinnerung.


Sein Heimatland Chile ist das große Thema des 1941 geborenen Patricio Guzmán. Nachdem er nach dem Militärputsch gegen Salvador Allende im September 1973 nach Verhaftung und Folterung wieder freigelassen wurde, verließ er zwar das Land und lebt nach Aufenthalten in Spanien und Kuba seit Jahrzehnten in Paris, doch hat er sich in diesen 46 Jahren und in 20 Filmen immer wieder mit Chile beschäftigt.


Im Exil hat er in den 1970er Jahren mit „La batalla de Chile“ eine Trilogie fertiggestellt, die immer noch als zentrales Werk über den Weg Chiles in die Diktatur gilt. Mit dem Dokumentarfilm „Salvador Allende“ setzte er 2004 dem 1973 während des Staatstreichs Pinochets ermordeten Präsidenten ein Denkmal.


Mit „La cordillera de los sueños” stellt Guzmán nun eine Trilogie fertig, die er 2010 mit „Nostalgia de la luz“ begonnen und 2015 mit „El botón de nacar“ fortgesetzt hat. Die Erkundung der Landschaften Chiles und ihrer Beständigkeit verbindet der 78-Jährige dabei in genialer Weise mit den Verwerfungen der chilenischen Geschichte und deren Verdrängung.


Nach dem Blick auf die Atacama Wüste und die dortigen Spuren des Terror-Regimes von Pinochet in „Nostalgia de la luz“ und der historischen Tiefenbohrung in Patagonien in „El botón de nacar“, die nicht nur die Verschleppung und Ermordung zahlreicher Menschen während der Diktatur, sondern auch die Ausrottung der indigenen Bevölkerung in der Frühzeit Chiles in Erinnerung rief, fokussiert er nun im abschließenden Teil dieser großen Trilogie auf den Anden, die rund 80% der Fläche Chiles ausmachen und das Land vom Rest der Welt – je nach Sichtweise – isolieren oder schützen.


In großartigen Flugaufnahmen fängt Guzmán die Majestät und Pracht dieser teils schneebedeckten Gebirgskette ein und stellt ihre Unbeweglichkeit und Festigkeit der dramatischen Geschichte seines Heimatlandes gegenüber. Spuren der Diktatur findet er in den Kordilleren, die die meisten Chilenen besser von Gemälden in der U-Bahn oder von Bildern auf Zündholzschachteln als von einem realen Besuch kennen, im Gegensatz zu den Schauplätzen der ersten beiden Teile der Trilogie nicht. Dafür bringt er in diesem Film mit seinem Off-Kommentar stark seine eigene Biographie ins Spiel.


Wie Santiago de Chile in den ersten Bildern unter einer Wolkendecke liegt und sich erst langsam die Nebel lichten, scheint auch Guzmán die Nebel lichten zu wollen, mit der die Geschichte nur allzu gern zugedeckt wird. Wie die Bildhauer, die er interviewt, aus dem rohen Stein ein Kunstwerk herausschlagen, so scheint der Regisseur genauer auf das Material und hinter die Berge zu blicken und die Geschichte freizulegen.


Das Persönliche und das Politische fließen dabei ineinander, wenn er sich an den Besuch des WM-Spiels Chile gegen Italien 1962 in dem Stadion von Santiago de Chile erinnert, in dem elf Jahre später nach dem Putsch er selbst und zahlreiche andere Regimegegner interniert wurden.


Die Wege führen ihn auch zu seinem Elternhaus, dessen Fassade zwar mit Graffitis verschmiert, aber noch intakt ist, während eine Luftaufnahme den Blick ins verwüstete Innere öffnet. Eine unaufdringliche Metapher für den Zustand des heutigen Chile kann man darin sehen, das nach Außen als intakte Demokratie erscheint, dessen inneren Spannungen Guzmán aber aufdeckt.


Zentrale Rolle nimmt dabei im Film der Dokumentarfilmer Pablo Salas ein, der seit den frühen 1980er Jahren Proteste des Volks zunächst gegen das Pinochet-Regime und dann gegen die folgenden Regierungen dokumentierte. Durchs enge Format ist dieses Archivmaterial vom restlichen Film abgehoben, wird aber mit aktuellen Bildern von Demonstrationen in der Gegenwart in Beziehung gesetzt.


Immer noch werden hier Schlagstöcke, Tränengas und Wasserwerfer eingesetzt - nichts scheint sich geändert zu haben und Guzman macht die Verbindungslinien von der Pinochet-Zeit, deren Verfassung immer noch gilt und in der die Grundlagen des Neoliberalismus gelegt wurden, zur Gegenwart sichtbar.


Er macht die soziale Kluft ebenso bewusst wie den Umstand, dass große Minen sich in der Hand ausländischer Konzerne befinden, vor allem aber ist „La cordillera de los sueños” eine beeindruckende Auseinandersetzung mit der Rolle und Bedeutung des Films als Gedächtnis eines Landes.


Da setzt Guzman Salas ein Denkmal als jemand, der die Geschichte der letzten Jahrzehnte, die viele gerne verdrängen, mit seinen Filmen dem Vergessen entreißt und fordert gleichzeitig die jungen chilenischen Filmemacher auf, in dessen Fußstapfen zu treten. Und wieder fließen das Private und Politische in diesem so bildstarken und gedankenreichen Essayfilm ineinander, wenn Guzmán davon träumt sein zerstörtes Elternhaus wiederaufzubauen und Chile die verlorene Kindheit und Freude zurückzugeben.


Läuft derzeit im Kinok St. Gallen und im Skino Schaan


Trailer zu "La cordillera de los sueños"



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