Afghanistan unter den Taliban – Zabou Breitman und Éléa Gobbé-Mévellec erzählen in ihrem bewegenden Animationsfilm in zarten Pastellfarben von den Wunden des Krieges und der Unterdrückung der Frau, verbreiten aber auch Hoffnung.
Zabou Breitman und Éléa Gobbé-Mévellec entführen den Zuschauer in ihrer Verfilmung von Yasmina Khadras - ein Pseudonym des hohen algerischen Ex-Offiziers Mohammed Moulessehoul - 2002 erschienenem Roman ins Kabul der späten 1990er Jahre. Die Sowjets sind schon seit rund zehn Jahren abgezogen, seit 1996 herrschen die Taliban.
Die Folgen des Krieges sind überall sichtbar, aber auch die Auswirkungen der Herrschaft der Taliban. Von einem freien und lustvollen Leben träumt die junge Künstlerin Zunaira, aber niemand darf hören, wenn sie zuhause eine Kassette mit dem Punk-Song „Burka Blue“ hört. Ihre teils freizügigen Bilder kann sie nur an die Wände ihrer Wohnung zeichnen und das Haus darf sie nur mit Burka verschleiert verlassen.
Man sieht sie zwar lachend und westlich gekleidet mit ihrem Mann Mohsen das Kino verlassen, doch sofort entpuppt sich diese Szene als Erinnerung an eine vergangene Zeit, denn Kino und Theater sind inzwischen ebenso zerbombt wie die Buchhandlung.
Allgegenwärtig scheinen auf den Straßen die Taliban, ahnden jede vermeintliche Unsittlichkeit mit Peitschenhieben und Demütigung. Nicht ohne Auswirkung bleibt die neue Ordnung auch auf Mohsen, der einst Lehrer war. Als nämlich ein Prediger zur Steinigung einer Frau wegen ihres sündhaften Lebens aufruft, greift auch er, von der Masse mitgerissen, selbst zu einem Stein, wird aber bald von schweren Schuldgefühlen geplagt. Als er davon seiner Frau erzählt, führt das zu einem schweren und folgenreichen Konflikt.
Ein willfähriger Handlanger des Regimes ist dagegen der alte Atiq, auch wenn er sich innerlich nicht mit den Taliban identifiziert. Er arbeitet als Wärter in einem Frauengefängnis und leidet unter der schweren Krebserkrankung seiner Frau. Als ein tragischer Unglücksfall Zunaira und Atiq zusammenführt, beginnt er aber langsam das Regime zu hinterfragen und wird schließlich auch selbst aktiv.
So erzählt „Les hirondelles de Kaboul“ eben nicht nur erschütternd von Krieg, Terrorherrschaft und Unterdrückung, sondern macht schließlich auch durch einen Akt des Widerstands Hoffnung. Aber nicht nur über den Inhalt, sondern mehr noch durch die formale Gestaltung rebelliert dieser Animationsfilm förmlich gegen den Terror der Taliban und die Unterdrückung der Frau.
Breitman drehte zunächst mit realen Schauspielern, ehe die Animationszeichnerin Éléa Gobbé-Mévellec nach diesem Material ihre stilisierten Bilder gestaltete. Was in realer Darstellung brutal, grausam und teilweise unerträglich wirken würde, wird so in den ebenso einfachen, wie zarten und in warme Farben getauchten, lichtdurchfluteten Bildern zu einer poetischen Beschwörung der Schönheiten des Lebens und der Kunst. Gerade dieser macht die Grausamkeit der Realität aber umso schmerzhafter spürbar, gleichzeitig bewahrt der Film durch diese Form Leichtigkeit und schwingt von Anfang an in der Poesie auch Hoffnung mit.
Und so konkret die Handlung auch geographisch und historisch verankert ist, so ist das gerade auch über die Gestaltung als Animationsfilm nicht nur eine Anklage des Taliban-Regimes und auch dessen Doppelmoral, wenn die so auf Zucht und Ordnung pochenden Soldaten, sich selbst mit leicht bekleideten Frauen, Alkohol und Zigaretten vergnügen, sondern ein zeitloses und universelles Plädoyer gegen Unterdrückung speziell der Frau, für Freiheit und engagiertes Auftreten gegen Ungerechtigkeiten und Terror.
Läuft derzeit im Kinok St. Gallen und im Skino Schaan
Trailer zu "Les hirondelles de Kaboul"
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