Sommerkomödie um einen ehemaligen General, der sich beim Ex-Geliebten seiner Frau für eine Jahrzehnte zurückliegende Affäre rächen will: Slapstick, Situationskomik und ein lustvoll aufspielendes Ensemble sorgen für 95 unterhaltsame Minuten.
Wenn die Kamera zum Vorspann über eine sorgfältig aufgehängte Uniform, über Spielzeugsoldaten, Handgranaten sowie eine kitschige Madonna gleitet, ist schon klar, dass man es in der Komödie von Ivan Calbérac ("Frühstück bei Monsieur Henri", "Weinprobe für Anfänger") mit einem reaktionären Militaristen zu tun haben wird.
Das Bild bestätigt sich mit der Geburtstagsfeier für die Ehefrau des pensionierten Generals François (André Dussollier), denn dafür hat er nicht "Happy Birthday" für Annie angepasst, sondern die Marseillaise. Komplettiert wird der Eindruck durch seine Haltung gegenüber seinen drei erwachsenen Kindern: Mustersohn ist Amoury, der auch bei der Armee ist, dessen Frau allerdings nach vier Töchtern endlich einen Sohn gebären soll, wenig hält er dagegen von Adrien, der Puppenspieler ist, und auch bei Tochter Capucine wird er noch eine Entdeckung machen, mit der er erst fertig werden muss.
Erschüttert wird das Leben dieses Prinzipienreiters aber als er beim Aufräumen des Dachbodens auf leidenschaftliche Liebesbriefe eines Ex- Geliebten an seine Frau stößt. 40 Jahre sind diese zwar schon alt, aber Verjährung gibt es für François nicht, waren sie zum Zeitpunkt der Affäre doch schon verheiratet.
Reagiert er zuerst sauer auf Annie, beschließt er bald an ihren früheren Wohnort Nizza aufzubrechen, um sich dort am Ex-Geliebten Boris (Thierry Lhermitte), der aus dem ehemaligen Freundeskreis des Ehepaars stammt, zu rächen. Aber auch Annie reist mit, bietet sich doch die Gelegenheit, ihre beiden ebenfalls in Nizza wohnenden Kinder Adrien und Capucine zu besuchen.
Während die Mittelmeerkulisse Sommerstimmung verbreitet, sorgt der Besuch bei Capucine, bei dem ein Geheimnis aufgedeckt wird, ebenso wie die Konfrontation mit Boris für Witz. Denn dieser ist ganz im Gegensatz zum stocksteifen und sturen François ein weltoffener Mann, der mit seiner Liebe für Literatur und Musik Annie viel näher ist als ihr Ehemann.
So wird bald klar, dass sich der alte General ändern muss, wenn er seine Frau nicht verlieren will. Dementsprechend erzählt Calbérac von einem Entwicklungsprozess. Während die Rachepläne dabei für Slapstick sorgen, wecken die Erlebnisse und Begegnungen an der Mittelmeerküste bei François auch Erinnerungen an die Jugend und ein verdrängtes Kindheitstrauma, das ihn sein Verhalten gegenüber Frau und Kindern überdenken lässt. – So steht schließlich auch der Marseillaise am Beginn ein Ständchen der Harmonie Fanfare Nicoise am Ende gegenüber.
Nicht gerade auf hohem Niveau bewegt sich diese Komödie, doch Slapstick, Situationskomik und pointierte Dialoge sorgen immer wieder für Witz. Getragen wird "Liebesbriefe aus Nizza" aber vor allem von den blendend harmonierenden Hauptdarsteller:innen André Dussollier und Sabine Azema, die hier zum 12. Mal gemeinsam vor der Kamera stehen.
Mit einem Vergnügen, das ansteckend wirkt, spielen sie das ungleiche Ehepaar, befehden sich in Zorn und Wut, lassen Eifersucht durchbrechen und gleichzeitig doch auch die tiefe Liebe spüren, die François erst durch die Auseinandersetzungen und den drohenden Verlust Annies entdecken muss. Nicht minder lustvoll spielt aber auch Thierry Lhermitte Boris als kultivierten Freigeist, der das Leben zu genießen versteht und auch einer erneuten Affäre mit Annie nicht abgeneigt wäre.
Eher an Komödien der 1960er Jahre erinnert zwar die Figur des Ex-Generals ebenso wie sein Problem mit den uralten Liebesbriefen und auch die familiären Konflikte sind nicht gerade zeitgemäß, aber, wenn man die Latte nicht zu hoch legt, wird man bei dieser leichthändigen Boulevardkomödie doch weitgehend gut unterhalten.
Liebesbriefe aus Nizza - N'avoue jamais Frankreich 2024 Regie: Ivan Calbérac mit: André Dussollier, Sabine Azéma, Thierry Lhermitte, Sébastien Chassagne, Michel Boujenah Länge: 95 min.
Läuft derzeit in den österreichischen und deutschen Kinos, z.B. im Cinema Dornbirn und im Metrokino Bregenz.
Trailer zu "Liebesbriefe aus Nizza - N´avoue jamais"
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