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AutorenbildWalter Gasperi

Loving Highsmith


Weltberühmt machten psychologische Krimis und deren Verfilmungen die amerikanische Autorin Patricia Highsmith (1921 – 1995). Eva Vitija interessiert sich in ihrem Dokumentarfilm, der durch seine vielschichtige Textur beeindruckt, aber nicht nur für Highsmiths literarisches Schaffen, sondern arbeitet mindestens in gleichem Maße ihre Liebesbeziehungen zu Frauen heraus.


Aus dem Off erklärt Eva Vitija, dass sie sich schon früh für die Romane Patricia Highsmiths begeisterte. Aus der Begeisterung sei Liebe zu der großen Autorin geworden, als sie deren Tage- und Notizbücher entdeckte. Von vornherein ist damit klar, dass kein sachlicher Dokumentarfilm zu erwarten ist und auch der Titel "Loving Highsmith" signalisiert einen liebevollen Blick, ein hagiographisches Biopic ist das dennoch nicht.


Für Jahreszahlen und exakte Fakten interessiert sich Vitija kaum. Sie steigt zwar mit dem Erfolg mit dem Roman "Strangers on a Train" ein, den Alfred Hitchcock nur ein Jahr nach seinem Erscheinen 1951 verfilmte, und blickt erst anschließend auf Highsmiths Kindheit und Jugend, doch davon abgesehen wird ihr Leben chronologisch nachgezeichnet. Fließend wechselt Vitija dabei immer wieder zwischen Privatleben und literarischem Schaffen.


Auszüge aus den Tage- und Notizbüchern der großen Autorin, die von Gwendoline Christie gelesen werden, bieten Einblick in ihre Gedanken unter anderem zu Homosexualität, zur schwierigen Beziehung zu ihrer Mutter sowie zu Kreativität und Inspiration. Dieser Innensicht steht die Außenperspektive mit Interviews mit ihren Liebhaberinnen Marijane Meaker, Monique Buffet und Tabea Blumenschein gegenüber. Herzstück und Rückgrat von "Loving Highsmith" sind diese Szenen, die nicht nur ein Bild der Privatperson und ihres wilden Lebens in New Yorker und Pariser Gay-Clubs vermitteln, sondern auch einen Eindruck davon geben, welches Doppelleben und welche Verheimlichung lesbische Identität in den 1950er und 1960er Jahren erzwang.


Auf der dritten Ebene kommt das literarische Schaffen dazu, bei dem immer wieder Passagen aus den Romanen Szenen aus den zahlreichen Verfilmungen wie Anthony Minghellas "The Talented Mr. Ripley", Wim Wenders´ "Der amerikanische Freund" oder Todd Haynes´ "Carol" unterlegt sind. Zentrale Rolle spielt dabei vor allem die lesbische Liebesgeschichte "Carol", die Highsmith 1952 unter dem Titel "Salz und sein Preis" unter dem Pseudonym Claire Morgan veröffentlicht hatte. Bahnbrechende Wirkung hatte dieser Roman, denn erstmals wurde darin einer lesbischen Beziehung ein Happy End gegönnt.


Immer wieder lässt Vitija nicht nur bei "Carol", sondern auch bei den "Ripley"-Roman literarisches Schaffen und persönliche Erfahrungen und Persönlichkeit der Porträtierten ineinanderfließen. Untrennbar korrespondieren die Identitätssuche dieses Romanhelden und dessen Doppelleben nämlich mit ihrer eigenen Verheimlichung ihrer sexuellen Orientierung. Aber auch der familiäre texanische Background wird über eine Schwiegertochter und zwei Enkel*innen von Patricia Highsmiths Cousin eingeflochten.


Gleichzeitig erzeugen aber auch die zahlreichen Ortswechsel von Texas nach Pennsylvania, dann in den 1960er Jahren nach Italien und Frankreich, bald zu einem Cottage in England und schließlich 1981 ins Tessin, wo sie sich ein ultramodernes Haus bauen ließ und 1995 einem Krebsleiden erlag, einen Eindruck von diesem bewegten Leben.,


In jeder Szene spürt man, mit welcher Liebe und Sorgfalt dieser poetische Dokumentarfilm gestaltet ist und lässt ahnen, welche akribische Arbeit hier drin steckt. Vielfältiges Material von den Interviews mit den Liebhaberinnen und schwarzweißen Fotos der Porträtierten über TV-Interviews und Ausschnitte aus Verfilmungen bis zu Highsmiths Tagebuchaufzeichnungen verwebt Vitija in bestechender Montage zu einem rund dahinfließenden Ganzen und zu einem vielschichtigen Bild dieser großen Autorin, die als zentrales Thema ihrer Romane die Frage der Schuld nannte.



Loving Highsmith Schweiz / Deutschland 2022 Regie: Eva Vitija mit: Patricia Highsmith, Marijane Meaker, Monique Buffet, Tabea Blumenschein, Judy Coates, Courtney Coates-Blackman, Dan Coates, Maren Kroymann Länge: 83 min.


Läuft derzeit in den Schweizer Kinos, z.b. im Kinok St. Gallen und am 15.3. im Skino Schaan.


Trailer zu "Loving Highsmith"


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