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Maria

Autorenbild: Walter GasperiWalter Gasperi
"Maria": Angelina Jolie als legendäre Opernsängerin Maria Callas
"Maria": Angelina Jolie als legendäre Opernsängerin Maria Callas

Die legendäre Opernsängerin Maria Callas (1923 – 1977) erinnert sich in ihren letzten Tagen an zentrale Momente in ihrem Leben: Der Chilene Pablo Larrain inszeniert kein klassisches Biopic, sondern einen opernhaften, zwischen Traum und Wirklichkeit oszillierenden Film über das Spannungsfeld von Ruhm und privatem Leben und schwindender künstlerischer Kraft.


Nachdem Pablo Larrain in "Jackie" (2017 - Rezension am Fuß des Artikels) ein Porträt Jackie Kennedys und in "Spencer" (2021) eines von Lady Diana gezeichnet hat, schließt er nun mit "Maria" seine Trilogie über faszinierende Frauen des 20. Jahrhunderts ab. Wie in den Vorgängerfilmen konzentriert sich der Chilene auch in seinem Porträt der "Primadonna assoluta" auf wenige Lebenstage.


Spielte so "Jackie" in der Woche nach der Ermordung von John F. Kennedy und "Spencer" während der Weihnachtstage 1991, während derer sich Lady Diana zur Trennung von ihrem Mann Prinz Charles entschloss, fokussiert "Maria" auf der letzten Lebenswoche von Maria Callas (1923 - 1977).


Mit dem Zeitinsert "16. September 1977" und dem Blick durch eine Flügeltür in eine geräumige Pariser Wohnung lässt Larrain seinen Spielfilm einsetzen. Polizisten, Sanitäter, Callas´ Diener Ferruccio (Pierfrancesco Favino), ihre Köchin Bruna (Alba Rohrwacher) und ihr Arzt stehen herum, während der Blick auf die offensichtlich tot am Boden liegende Callas durch einen Flügel verstellt ist.


Von diesem Ausgangspunkt blendet der Film eine Woche zurück. Die Opernkarriere der gebürtigen Griechin liegt schon über zehn Jahre zurück. Nachdem sie schon zwischen 1960 und 1963 nur wenig aufgetreten war, stand sie 1965 letztmals in "Tosca" auf einer Opernbühne. Sie zog sich in ihre große Pariser Wohnung zurück, spielte noch in Pasolinis "Medea"-Film (1969), unterrichtete zeitweilig ausgesuchte Meisterklassen an der Juilliard School in New York und trat ein letztes Mal am 11. November 1974 in Sapporo öffentlich auf.


Wenn sie im Hof alte Kostüme verbrennt, scheint sie mit ihrem Künstlerleben abzuschließen. Weitgehend ihre einzigen Kontaktpersonen sich ihr Diener, der immer wieder den Flügel umstellen muss, und ihre Köchin. Gemeinsam versuchen sie ihrer Chefin ihre Beruhigungstabletten zu entziehen, fordern sie auf den Arzt zu konsultieren. Doch Ratschlägen die Gesundheit betreffend ist der Star nicht zugänglich.


Aufblühen lässt sie der Glaube, dass sich ein TV-Journalist angekündigt hat und einen Film über sie drehen will. Doch dieser ist mehr Halluzination als Realität, heißt er doch schon wie eines ihrer Beruhigungsmittel Mandrax (Kodi-Smit McPhee). Wohl nur in der Fantasie spaziert so auch "La Callas" mit ihm durch das herbstliche Paris, doch löst diese geträumte Begegnung ebenso Erinnerungen aus , wie ihre Versuche in der Küche oder in einem Konzertsaal mit einem Pianisten ihre Stimme nochmals unter Beweis zu stellen.


Von der Küche, in der Callas die Arie "Casta Diva" aus Bellinis "Norma" singt, während ihre Köchin ein Omelette brät, schneidet Larrain so ebenso in einen vollen Opernsaal, in dem die Diva mit dieser Rolle einen Triumpf feierte, wie von einer Probe im Konzertsaal zu ihrem Erfolg mit "Anna Bolena". Dazu kommen aber auch in schwarzweiß gehaltene Erinnerungen an ihre Kindheit oder an die Beziehung zum griechischen Reeder Aristoteles Onassis.


Auch Querverbindungen zu den anderen beiden Teilen der Trilogie stellen sich ein. So wirkt Onassis, der nach der Trennung von Callas Jackie Kennedy heiratet, wie ein Scharnier zwischen "Jackie" und "Maria" und der Paparazzo, der hier der Opernsängerin zunächst und sie mit einer Story fertig machen will, erinnert wieder an Lady Dianas Flucht vor den Fotografen in ihrer Todesnacht.


Vor allem aber entwickelt "Maria" durch die geniale Musikmontage einen opernhaften Fluss und unterstreicht diese Anlage durch die Gliederung in drei, jeweils durch eine Filmklappe getrennte Akte. Wie die großen Opern bewegt sich so auch der Film auf den Tod hin, feiert seine Protagonistin, zeigt sie aber auch als launenhafte Diva, die sich von niemandem kontrollieren lassen will.


Aber auch die schwelgerische Ausstattung und die Kameraarbeit von Ed Lachman verleiht "Maria" einen opernhaften Charakter. In dunkle Braun- und Rottöne ist so die mit Statuen und Gemälden überfüllte Wohnung getaucht, während die gelbbraunen Herbstblätter der Pariser Parks mit der Ahnung eines verwelkenden Lebens korrespondieren.


Gleichzeitig erhält "Maria" einen sehr taktilen Charakter, wenn Lachman mit Filmformaten spielt. So mischt der bislang viermal für den Oscar nominierte Kameramann die von warmen Brauntönen bestimmten Bilder der Gegenwart mit in gestochen scharfen Schwarzweißbildern gefilmten Erinnerungen und grobkörnigen und zerkratzten, kleinformatigen 16-mm- und Super-8-Aufnahmen, die für einen dokumentarischen Anstrich sorgen.


Zentrum des Films ist aber Angelina Jolies Verkörperung der Jahrhundertsängerin. Sieben Monate hat die Oscar-Preisträgerin, die in den letzten drei Jahren eine Filmpause eingelegt hatte, für diese Rolle Gesangsunterricht genommen. Wenn nun in den Gesangsszenen ihre Stimme mit der originalen Stimme der Callas technisch gemischt wird, dann verbinden sich beide Figuren gewissermaßen und "Maria" wird über das Porträt der Callas zu einem Film über Starruhm an sich.


So oszilliert Jolie zwischen Verkörperung der Opernsängerin und eigener Präsenz und in Callas´ Sehnsucht nach Anerkennung und Angst vor künstlerischer Schwäche, kann man in diesem schillernden und vielschichtigen, aber gerade durch seine kunstvolle Machart auch distanziert-kühlen Film auch Jolies eigene Sehnsüchte und Ängste sehen.


In seltsamem Kontrast zur dominanten und launenhaften Opernsängerin, die man hier während zwei Stunden präsentiert bekommt, stehen schließlich die echten Archivbilder am Ende des Films. Denn hier sieht man eine mit ihrem Lächeln sofort Sympathien gewinnende und Lebensfreude ausstrahlende Frau.

 

 

Maria

Italien / Deutschland / USA 2024 Regie: Pablo Larrain  mit: Angelina Jolie, Pierfrancesco Favino, Alba Rohrwacher, Haluk Bilginer, Valeria Golino Länge: 124 min.



Rezension zu "Jackie"





Läuft derzeit in den Kinos, z.B. im Cinema Dornbirn, Cineplexx Hohenems, Skino Schaan und Kinok St. Gallen.


Trailer zu "Maria"


 

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