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  • AutorenbildWalter Gasperi

MaXXXine

Nach seinem Slasher-Film "X" und dem Ausflug in die 1920er Jahre mit "Pearl" schließt Ti West seine Horrorfilm-Trilogie mit einem in den 1980er Jahre spielenden, ziemlich schmutzigen Thriller ab. – Bindeglied aller Filme ist die großartige Mia Goth.


Während der in den 1970er Jahre spielende "X" (2022) eine Hommage an Tobe Hoopers Klassiker "The Texas Chainsaw Massacre" (1974) war, sahen viele in "Pearl" (2022), der in Österreich nie einen regulären Kinostart hatte, eine verdrehte Version des Märchenfilms "The Wizard of Oz" (1938). Mit dem 1985 spielenden "MaXXXine" bewegt sich West nun mehr auf den Spuren des italienischen Giallo und den Thrillern von Brian De Palma, verzichtet aber auch nicht auf gesellschaftskritische Akzente.


Gemeinsam ist allen drei Filmen die von Mia Goth gespielte Hauptfigur Maxine bzw. Pearl. Während bei "Pearl" die in den 1920er Jahren in einem ultrakonservativen, christlich-fundamentalistischen Milieu aufwachsende junge Pearl im Zentrum steht, ist diese Figur im rund 50 Jahre später spielenden "X" eine alte Farmerin, die mit ihrem Mann ein Porno-Filmteam terrorisiert.


Die Protagonistin und einzige Überlebende von "X" ist wiederum die junge Maxine (Mia Goth), die in dem sechs Jahre später in Hollywood spielenden "MaXXXine" ein Pornostar ist, der mit der Hauptrolle in einem Horrorfilm auf den Durchbruch als Schauspielerin hofft. Doch zunehmend gerät sie ins Visier eines Serienkillers, dem zunächst Menschen aus Maxines Umfeld zum Opfer fallen.


Mit einem auf 1959 datierten, schwarzweißen Super-8-Film, in dem ein Mädchen vor religiösen Bannern singt und tanzt, wird schon signalisiert, dass die Wurzeln für die Bedrohung Maxines in der Vergangenheit liegen. Immer wieder wird sie auch von abrupt hereinbrechenden, bruchstückhaften Erinnerungen an die von der Presse als "Texas Pornstar Massacre" betitelten Ereignisse in "X" eingeholt.


Wie Mia Goth diese Maxine mit vollem Einsatz und großer physischer Präsenz spielt, ist eine Wucht und reißt mit. Dazu gelingt es Ti West mit verwaschenen Farben, körnigem Bild und sorgfältiger Ausstattung intensiv die Atmosphäre eines schmutzigen und schäbigen Hollywoods der 1980er Jahre zu evozieren. Mit einem kurzen Ausschnitt aus einer TV-Sendung erinnert der Film dabei auch an die Präsidentschaft Ronald Reagans und der Serienmörder ist vom realen Night Stalker Richard Ramirez inspiriert, der 1984/85 in Kalifornien 13 Menschen ermordete.


Immer klarer tritt aber auch das Spannungsfeld zwischen der Filmindustrie mit Sex und Horror und Demonstrationen von fundamentalistischen religiösen Gruppen, die darin Blasphemie und Satanismus sehen, hervor. Wenn dabei kurz ein Kino ins Bild kommt, das Jean-Luc Godards "Je vous salue, Marie" zeigt, dann macht West nachdrücklich klar, dass sein Film nicht reine Fiktion ist, wurde doch auch in Europa Mitte der 1980er Jahre von konservativen katholischen Kreisen gegen Godards Film demonstriert.


Diese Kritik am religiösen Fundamentalismus packt West in eine klassische Thrillerhandlung, bei der gekonnt mit den gewohnten Mustern gespielt wird. Mit dem Studioset kann auch Hitchcocks Motel aus "Psycho" ins Spiel gebracht werden, ein schmieriger Privatdetektiv (Kevin Bacon) ist mit seiner Verletzung der Nase unübersehbar eine Reverenz an die Figur Jack Nicholsons in Roman Polanskis "Chinatown" und wenn Maxine auf dem Walk of Fame auf dem Stern des Stummfilm-Sexsymbols Theda Bara steht, wird auch an das freizügige Hollywood der frühen Jahre erinnert.


Teilweise scheinen sich auch die Filmhandlung und die Handlung des Films im Film zu überschneiden, doch dies wird nicht weiter ausgeführt und auch die Dreharbeiten bleiben am Rande. Dafür wird mit Lederhandschuhen und Messermorden sowie auch einer neuartigen Todesmethode lustvoll mit dem trashigen Kino gespielt, an dem sich zuletzt auch Ethan Coen mit "Drive-Away Dolls" und Rose Glass mit "Love Lies Bleeding" orientierten.


Historisch nicht zur männerbestimmten Filmbranche der 1980er Jahre, aber zur heutigen Zeitstimmung passt, dass eine toughe, androgyne Frau (Elizabeth Debicki), die sich von den Studiobossen nicht dreinreden lässt, sondern ihre künstlerische Vision verfolgt, Regisseurin des Horrorfilms ist. Diese Figur ist ebenso ein Statement, das klassische Geschlechterrollen durchbricht, wie Maxine, die sich gegen einen nächtlichen Angreifer zur Wehr setzen weiß und sich auch vom Serienkiller nicht einschüchtern lässt.


Nicht wirklich überraschend ist schließlich, wer der Täter ist, und grotesk überzeichnet ist, wie beim Showdown unmittelbar beim Hollywood Sign in den Hollywood Hills ein religiöser Gegenfilm zu den gottlosen Produktionen der Filmstadt gedreht werden soll.


Doch so gegensätzlich religiöser Fundamentalismus und Filmwelt zu sein scheinen, so parallelisiert sie West, der mehrere Enden setzt, schließlich auch wieder. Denn wie eine Göttin steht Maxine, die immer nach Ruhm strebte, und sich vom Beginn von "X" bis zum Ende von "MaXXXine" von der unerfahrenen jungen Frau zum souveränen Star entwickelte, nun im Licht: Wie in der Religion blind Vorgaben der Anführer gefolgt wird, so kultisch scheinen die Fans auch ihre Stars zu verehren.


Maxine aber hat nicht nur die ihr vom Vater eingebläute Aufforderung "Akzeptiere kein Leben, das du nicht verdient hast", erfüllt, sondern auch Bette Davis´ dem Film vorangestellten Kommentar, dass man erst ein Star ist, wenn man als Monster berüchtigt ist. – Passend dazu muss selbstverständlich auch Kim Carnes 1980er Jahre-Hit "Bette Davis Eyes" den musikalischen Schlussakzent setzen.


MaXXXine USA 2024 Regie: Ti West mit: Mia Goth, Elizabeth Debicki, Moses Sumney, Michelle Monaghan, Bobby Cannavale, Kevin Bacon Länge: 103 min.


Läuft derzeit in den österreichischen und deutschen Kinos, z.B. im Metro Kino Bregenz. - ab 18.7. in den Schweizer Kinos.


Trailer zu "MaXXXine"



 

 

 

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