top of page
  • AutorenbildWalter Gasperi

Megalopolis

Ein Architekt mit visionären Ideen zur Stadtentwicklung, ein konservativer Bürgermeister und ein Populist, der den Mob aufhetzt: Francis Ford Coppola schließt in seinem bombastischen Science-Fiction-Film die Krise des antiken Rom und ein futuristisches New York kurz, doch nichts passt wirklich zusammen.


Schon in den führen 1980er Jahren begann Francis Ford Coppola, der mit der "The Godfather"-Trilogie (1972 – 1990) und "Apocalypse Now" (1979) herausragende Meisterwerke schuf, die Idee zu "Megalopolis" zu entwickeln. Mehr als 40 Jahre später präsentiert dieser letzte Tycoon Hollywoods nun den fertigen Film, den er seiner im April dieses Jahres verstorbenen Frau Eleanor gewidmet hat.


Wie sehr Coppola dieses Projekt am Herzen liegt, zeigt sich auch darin, dass er einen Teil seines Weinbaugebiets verkaufte, um das Budget von 120 Millionen Dollar zu stemmen. Durchgängig ist "Megalopolis" auch der hohe Anspruch anzusehen, denn von nichts weniger als von einer möglichen Zukunft der Welt will er erzählen, gleichzeitig aber auch über das Wesen der Zeit reflektieren.


Dazu schließt Coppola, der seine kindliche Kinoerfahrung mit der H.G. Wells-Verfilmung "Things to Come" (1936) als eine zentrale Inspirationsquelle nennt, das New York des 21. Jahrhunderts mit dem alten Rom des ersten vorchristlichen Jahrhunderts kurz. Da sind nicht nur Inserts im Stil von Monumentalfilmen übers Römische Reich gehalten, sondern auch die Protagonist:innen sind der Antike entnommen.


So wird mit dem visionären Architekt Cesar Catilina (Adam Driver), der nicht nur auf wundersame Weise die Zeit anhalten kann, sondern mit einem sensationellen neuen Baustoff auch eine lebenswerte futuristische Stadt mit zahlreichen Parks errichten will, auf die historische Catilinarische Verschwörung (63 v. Chr.) angespielt. Seinem fortschrittlichen Denken steht zwar der konservative Bürgermeister Franklyn Cicero (Giancarlo Esposito) gegenüber, doch zu einer Verschwörung des Architekten kommt es hier nicht, vielmehr stellt sich durch die Liebe von Ciceros Tochter Julia (Nathalie Emmanuel) eine Verbindung zwischen den beiden Kontrahenten ein.


Damit will Coppola wohl für eine Verbindung von visionärem und realpolitischem Denken plädieren, warnt andererseits aber auch vor Populisten, wenn er wieder in Analogie zu Straßenkämpfen im antiken Rom Clodio Pulcher (Shia LaBeouf) – auch das eine historische altrömische Figur - den Mob aufwiegeln lässt, um die Macht an sich zu reißen.


Im Grunde einfach ist damit die Haupthandlungslinie, doch "Megalopolis" ufert permanent aus, will alles vermischen, um die im Untertitel angeführte "Fabel" zu werden. Denn antikes Rom und Zukunft werden nicht nur über die Namen der Figuren kurzgeschlossen, sondern auch durch die Kostüme von Milena Canonero, bei denen heutige Kleidung mit römischen Togen gemischt werden, die Männer Lorbeerkränze tragen und die Frauen Römersandalen.


Den futuristischen Bauten stehen Reste antiker Säulen am Straßenrand gegenüber und lateinische Banner fehlen so wenig wie ein auf Latein geführter Dialog. Catulls berühmtes Gedicht "Odi et amo" wird auf der Straße ebenso zitiert wie bei einer Rede von Cicero selbstverständlich das berühmte "Wie lange noch…?" aus Ciceros Reden gegen Catilina und auch Anspielungen auf Pygmalion und Pandora fehlen nicht.


Aber auch das römische Karnevalsfest der Saturnalien sowie den antiken Vesta-Kult bringt Coppola ins Spiel. Während sich bei ersterem der superreiche Crassus als Robin Hood verkleidet und in einer absurden Szene eine Armbrust unter der Bettdecke hervorzieht, schwebt bei letzterem das Popsternchen Vesta Sweetwater, das Jungfräulichkeit propagiert, auf einer Schaukel von der Decke der Arena.


Einerseits erinnert die Figur dabei an Nastassja Kinski in Coppolas "One from the Heart" (1981) andererseits bringt dieser letzte Tycoon Hollywoods mit ihr auch wieder Gesellschaftskritik ins Spiel, wenn ein gefälschtes Video in Umlauf gebracht wird.


Doch damit ist es noch lange nicht genug, denn Catilina darf hier auch Hamlets Monolog "Sein oder nicht sein" rezitieren und mit Wagenrennen und Ringkämpfen im Madison Square Garden wird wiederum die Antike aufgegriffen. Exzessive Partyszenen, in denen es nur junge Frauen zu geben scheint, erinnern dagegen wieder an die 1920er Jahre und die Fernsehserie "Berlin Babylon" (2017ff.) oder Damien Chazelles Hollywood-Porträt "Babylon – Rausch der Exstase" (2022).


Dazu kommt aber auch noch ein Off-Erzähler, der über den Untergang von großen Reichen und Zukunftsvisionen reflektiert und dessen Stimme wohl Catilinas Assistenten (Laurence Fishburne) zugeordnet werden kann. Archivmaterial von einem Auftritt Adolf Hitlers wird ebenso eingeschnitten wie Bilder von der Trümmerwüste des Ground Zero nach dem Terroranschlag von 9/11 und am Ende steht eine die Möglichkeiten des Menschen feiernde Rede Ciceros, die wieder an Chaplins pathetisches Plädoyer für Menschlichkeit am Ende von "The Great Dictator" (1940) erinnert.


Übervoll ist so "Megalopolis" an Szenen und Figuren, aber nichts will wirklich zusammenpassen und vor allem fehlt diesem Mammutprojekt jede Struktur und Dramaturgie. Eine bombastische Szene folgt auf die nächste, aber ein echter Handlungs- und Spannungsaufbau fehlt.


Schwer zu glauben ist – wie einige Kritiker:innen meinen -, dass Coppola mit diesem Film wie einst Fritz Lang und Ridley Scott mit den zunächst verschmähten und später gefeierten "Metropolis" und "Blade Runner" der Zeit voraus ist und dieses Alterswerk in 30 oder 40 Jahren als Meisterwerk und Kultfilm gefeiert wird. Vielmehr hinterlässt dieser krude Mix den Eindruck, dass sich hier einer mächtig übernommen hat.


Bewundern muss man aber auf der anderen Seite doch wieder den Mut, den der 85-Jährige an den Tag legt: Wie schon bei früheren Filmen, speziell bei "Apocalypse Now" und "One From the Heart", der ein finanzielles Desaster war, aber inzwischen als Klassiker des postmodernen Kinos gilt, riskiert der fünffache Oscarpreisträger alles und hat auch keine Angst vor dem Scheitern, das freilich hier auch etwas Grandioses an sich hat.

 

 

Megalopolis USA 2024 Regie: Francis Ford Coppola mit: Adam Driver, Giancarlo Esposito, Nathalie Emmanuel, Aubrey Plaza, Shia LaBeouf, Jon Voight, Laurence Fishburne Länge: 138 min.



Läuft derzeit in den Kinos, z.B. im Cineplexx Hohenems, Kinok St. Gallen und im Skino Schaan.



Trailer zu "Megalopolis"



Comments


bottom of page