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Mickey 17

Autorenbild: Walter GasperiWalter Gasperi
"Mickey 17": Vor Einfallsreichtum sprühende, aber überlange satirische Science-Fiction-Komödie von Bong Joon-ho
"Mickey 17": Vor Einfallsreichtum sprühende, aber überlange satirische Science-Fiction-Komödie von Bong Joon-ho

Sechs Jahre nach seinem Oscar- und Cannes-Erfolg "Parasite" legt der Koreaner Bong Joon-ho eine vor Einfallsreichtum sprühende, aber überlange und teilweise platten Science-Fiction-Komödie vor, der auch existentielle Fragen anschneidet und satirisch Gesellschaftskritik übt.


Im Gegensatz zum klein gehaltenen und weitgehend in einem Haus spielenden "Parasite" handelt es sich bei der Verfilmung von Edward Ashtons 2022 erschienenen Roman "Mickey 7" mit 150 Millionen Dollar Produktionskosten um eine echte Großproduktion.


Mitten hinein wirft Bong Joon-ho die Zuschauer:innen, wenn Mickey (Robert Pattinson) in einer Eisspalte gefangen ist und seine vereiste Brille reinigt. Rettung scheint von oben zu nahen, doch nur sein Flammenwerfer wird geborgen, er selbst aber zurückgelassen.


Von diesem 2054 spielenden Einstieg lässt Bong seinen Protagonisten rund vier Jahre zurückblicken und mit viel Voice-over seine Vorgeschichte erzählen. Gerafft werden damit zwar die Ereignisse, aber Erzählfluss will damit nicht aufkommen. Vom traumatischen Kindheitserlebnis über eine missglückte Geschäftsidee bis zur Entscheidung sich als "Expendable" zu verpflichten, um einen Platz auf einem Raumschiff zu bekommen, das ihn dem ihn jagenden Kredithai und der zerstörten Erde entzieht, spannt sich der Bogen.


Doch Mickey hat beim Vertrag leider nicht das Kleingedruckte gelesen. Dieses informiert, dass er als "Expendable" permanent als Versuchskaninchen für Impfstoffe oder zum Austesten der Atmosphäre des fremden Planeten benutzt werden kann. Stirbt er dabei, so wird er am nächsten Tag von einem Bioprinter neu ausgedruckt und seine Erinnerungen werden ihm via Festplatte wieder eingepflanzt.


Inzwischen ist Mickey somit – im Gegensatz zum Roman mit sechs Vorgängerversionen - schon bei Nummer 17 angekommen. Was aber, wenn er entgegen der Meinung seiner Herren den Sturz in die Eisspalte überlebt, und er aufs Raumschiff zurückkehrt, während dort schon Mickey 18 gedruckt wurde?


Wie das Schneesetting an Bongs Thriller "Snowpiercer" (2013) erinnert und die "Monster", die bald auftauchen werden an seinen Monsterfilm "The Host" (2006), so wird bei der Verdoppelung von Mickey mit Robert Louis Stevensons "Dr. Jekyll and Mr. Hyde" gespielt. Fragen der Identität werden nämlich aufgeworfen, wenn Mickey keinen Nachnamen hat, sondern auf eine austauschbare Nummer reduziert wird und wenn er einen charakterlich anders angelegten Doppelgänger erhält. Aber auch ethisch-religiöse Fragen nach der Legitimität des Klonens von Menschen und des Missbrauchs als Versuchskaninchen werden angeschnitten.


Dazu kommt mit dem über das Raumschiff herrschenden Kenneth Marshall (Mark Ruffalo) und seiner Frau Ylva (Toni Collette) eine politische Komponente. Einerseits erinnern nämlich die Diskussionen im Kommandoraum an den War Room in Kubricks "Dr. Seltsam oder: Wie ich lernte, die Bombe zu lieben" (1964), andererseits ist dieser kapitalistische Politiker durch Gestik und Rhetorik unübersehbar als Persiflage auf Donald Trump angelegt.


Doch wenig Biss entwickelt "Mickey 17" hier, da dieses Politikerpaar viel zu grell überzeichnet ist. Während die Gattin sich nämlich nur für die Produktion von stets neuen Saucen für die Speisen interessiert, hält ihr Mann immer wieder Reden, in denen er von der Züchtung einer Herrenrasse träumt oder den "Aliens" des fremden Planeten, die doch eigentlich die Indigenen sind, den Krieg erklären will und mit Ausrottung droht.


Von Einfallsreichtum sprüht dieser satirische Science-Fiction-Film zweifellos und visuell eindrucksvoll ist das von Graugrün bestimmte Setting des Raumschiffs ebenso wie die "Monster" am Ende des Films. Doch bei allem Wendungsreichtum findet Bong doch über weite Strecken nicht den passenden Ton, schlägt manchmal den Haken in Richtung Screwball-Komödie, dann wieder in Actionfilm und ist vor allem in der Überzeichnung immer wieder sehr platt und klamaukig statt wirklich bissig satirisch.


Letztlich scheint der Oscar-Preisträger den Stoff nicht wirklich in den Griff bekommen zu haben und nachvollziehbar wird nun, wieso der Starttermin im letzten Jahr immer wieder verschoben und der Film mehrfach überarbeitet wurde. Zeigt sich dieses Unfertige schon im ausladenden Voice-over des Beginns, so muss Bong auch am Ende wieder darauf zurückgreifen.


Trotz einiger Längen während der Laufzeit von 139 Minuten bleibt "Mickey 17" so zwar immer noch ein recht unterhaltsamer Film, wirkt aber insgesamt wie ein mit großem Budget aufgeblasenes B-Movie, das nie richtig zündet.

Mickey 17 USA 2024 Regie: Bong Joon-ho mit: Robert Pattinson, Mark Ruffalo, Naomi Ackie, Steven Yeun, Toni Colette Länge: 139 min.



Läuft jetzt in den österreichischen, deutschen und Schweizer Kinos.



Trailer zu "Mickey 17"


 

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