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AutorenbildWalter Gasperi

Mufasa: Der König der Löwen

Barry Jenkins erzählt im Prequel zu "Der König der Löwen" vom Coming of Age Mufasas, des Vaters von Simba: So sehr die fotorealistischen Bilder und die rasanten Actionszenen auch beeindrucken, so irritieren die vermenschlichten sprechenden Tiere in diesem Disney-Animationsfilm doch.


Dass Tiere und sogar Gegenstände in Animationsfilmen vermenschlicht werden und auch sprechen, ist man gewohnt und akzeptiert man auch, da die Animation immer für Künstlichkeit und eine Distanz zur Realität sorgen. Mitfiebern konnte und musste man so mit den Hühnern in "Chicken Run" (2000) von Aardman Animation ebenso wie bei den Pixar-Filmen mit den Spielzeugfiguren in "Toy Story" (1995ff.), dem Clownfisch in "Findet Nemo" (2003), den Ratten in "Ratatouille" (2007) oder dem Roboter in "Wall E - Der Letzte räumt die Erde auf" (2010).


Ein seltsamer Widerspruch entsteht aber doch, wenn Lebewesen und Landschaft im fotorealistischen Stil lebensecht erscheinen, gleichzeitig aber menschliche Verhaltensweisen an den Tag legen und sich auch über die Grenzen der Spezies hinaus problemlos unterhalten können. Daran ändert auch nichts, dass Barry Jenkins die Handlung seines Prequels zu "Der König der Löwen" (1994) und dessen fotorealistischem Remake von Jon Favreau (2019) in einen Rahmen verpackt hat und den Mandrill Rafiki dem kleinen Sohn Simbas die Geschichte seines Großvaters Mufasa erzählen lässt.


Dass Jenkins mehrmals zu dieser Rahmenhandlung zurückkehrt und damit die Erzählsituation unterstreicht, wirkt überflüssig. Diese Szenen dienen wohl einzig dazu durch die mehr oder weniger witzigen Kommentare des Erdmännchens Timon und des Warzenschweins Pumbaa die Binnenhandlung aufzulockern, Ruhepausen zu bieten und eventuell auch jüngeren Zuschauer:innen Ängste zu nehmen, indem transparent gemacht wird, dass die Geschichte "nur" erzählt wird.


In der Binnenerzählung dominieren nämlich Action und durchaus auch heftige Kämpfe unter den Tieren, die "Mufasa: Der König der Löwen" für Kinder unter zehn Jahren kaum geeignet erscheinen lassen. Das beginnt schon mit einer gewaltigen Flut, bei der der kleine Mufasa weggeschwemmt und von seinen Eltern getrennt wird.


Er wird zwar vom etwa gleich alten Löwenjungen Taka gerettet, von dessen Vater aber nicht akzeptiert und muss deshalb von Takas Mutter unter den Löwinnen statt unter den Löwen aufgezogen werden. Nach klassischem Muster wird die Geschichte der Freundschaft von Mufasa und Simba erzählt, die freilich durch die Eifersucht Takas auf die überragenden Fähigkeiten und den noblen Charakter Mufasas gestört wird.


Nach einem Angriff von übermächtigen, wild herumstreifenden grauen Löwen, die von ihrem König Giros angeführt werden, treffen Mufasa und Taka auf Rafiki, mit dem sie sich auf die Suche nach dem Geweihten Land machen. Dabei finden sie zwar in der Löwin Sarabi und ihrem Rotschnabeltoku Zasu Begleiter, werden aber weiterhin von Giros aggressiver Horde verfolgt.


So erzählt Jenkins eine für Disney-Filme typische Heldenreise, in der es, verpackt in den Reifungsprozess des Protagonisten, um Außenseitertum und Akzeptanz ebenso wie um Coming of Age, Freundschaft, erste Liebe, Eifersucht und Verrat sowie die Sehnsucht nach Heimat und Familie geht. Aufgebauscht wird diese altbekannte Geschichte dabei weniger durch die Songs von Lin-Manuel Miranda als vielmehr durch die spektakuläre fotorealistische Inszenierung.


Nicht nur die Gestaltung der Tiere, sondern auch die der spektakulären Landschaften von der weiten Steppe über Wasserfälle bis zu – woher auch immer die kommen - schneebedeckten Bergen beeindruckt. Mitreißend sind auch die Verfolgungsjagden und die Kämpfe inszeniert, bei denen man mitten ins Geschehen versetzt wird. Gleichzeitig bleibt "Mufasa: Der König der Löwen" aber auch – zumindest für den Rezensenten – in kalter technischer Virtuosität stecken und kann kaum echte eine echte Beziehung und Emotionen für die tierischen Protagonisten aufbauen.


Während sich Jenkins mit "Moonlight" (2016) und der James Baldwin-Verfilmung "If Beale Street Could Talk" (2018) als ein aufregender und spannender junger afroamerikanischer Regisseur mit eigener Handschrift präsentiert hat, legt er nun mit "Mufasa" eine stromlinienförmige Großproduktion vor. Möglich ist, dass ihn die Thematisierung von Außenseitertum und Ausgrenzung, die sich durch diesen Animationsfilm zieht, interessierte, kreisten doch auch seine ersten Filme um diese Themen, doch echte Leidenschaft des Regisseurs ist hier kaum zu spüren.


Vielmehr belegt der Film kurz nachdem J.C. Chandor, der sich mit "Margin Call" (2011), "All Is Lost" (2013) und "A Most Violent Year" (2014) ebenfalls als vielversprechender US-Regisseur präsentierte, mit dem Superheldenfilm "Kraven the Hunter" scheiterte, ein weiteres Mal, wie die Filmindustrie ihre größten künstlerischen Talente verheizt, sie für Großprojekte gewinnt, in denen sie dann aber kaum Spielraum erhalten, um ihre eigenen Visionen und Ideen umzusetzen.  – So bleibt zu hoffen, dass sowohl Jenkins als auch Chandor bald wieder zu vielleicht kleinen, aber eigenen Projekten zurückkehren und den Fokus statt auf Spektakel wieder auf gesellschaftskritisches und ästhetisch aufregendes Kino legen.


Mufasa: Der König der Löwen USA 2024 Regie: Barry Jenkins Animationsfilm Länge: 118 min.


Läuft jetzt in den deutschen, österreichischen und Schweizer Kinos.


Trailer zu "Mufasa: Der König der Löwen"



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