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AutorenbildWalter Gasperi

Münter & Kandinsky

Neue Wege öffneten Wassily Kandinsky und Gabriele Münter Anfang des 20. Jahrhunderts der Kunst, ihre private Beziehung aber war konfliktbeladen: Marcus O. Rosenmüller zeichnet die Geschichte dieses Paares und ihre künstlerische Entwicklung in einem sorgfältig ausgestatteten, aber braven und uninspirierten Bilderbogen nach.


Vom Körperlichen zum Abstrakten und von der Abbildung der äußeren Wirklichkeit zur Darstellung des spirituellen Wesens wollte Wassily Kandinsky (1866 - 1944) die Kunst führen. Beim Bürgertum eckten der gebürtige Russe und seine Mitstreiter mit ihrer Kunst an und mussten sogar erleben, dass eines seiner Bilder bespuckt wurde.


Marcus O. Rosenheimer, der sich vor allem als Regisseur von TV-Krimiserien wie dem "Taunuskrimi" oder den "Osfrieslandkrimis" einen Namen machte, muss dies nicht fürchten. Sein Biopic ist vielmehr auf das gutbürgerliche Publikum abgestimmt, verweigert sich gerade im Gegensatz zur künstlerischen Intention seiner Protagonist:innen jedem Bruch von Konventionen und beschränkt sich auf die zwar sorgfältig arrangierte, aber auch brave Nachzeichnung der äußeren Ereignisse.


Von einer Durchsuchung des im bayrischen Murnau gelegenen Hauses von Gabriele Münter (1877 - 1962) im Jahr 1942 durch die Gestapo nach "artfremden Bildern" ihres einstigen Geliebten Wassily Kandinsky (Vladimir Burlakov), lässt Rosenmüller seine Protagonistin (Vanessa Loibl) auf ihre Beziehung zum berühmten Maler zurückblicken.


Mit Ort- und Zeitinserts wird der Film von Münters Abfahrt von New York zurück nach Deutschland im Jahr 1900 bis zur letzten Begegnung mit Kandinsky während des Ersten Weltkriegs in Stockholm strukturiert. Die Perspektive ist mit Münters Rückblick klar vorgegeben und die einleitende Fahrt vorbei an der Freiheitsstatue korrespondiert schon mit ihrem Freiheitsstreben, soll aber wohl auch auf den künstlerischen Aufbruch vorverweisen.


Münters – wohl verklärtem – Bild von der Freiheit amerikanischer Frauen werden die Beschränkungen in Deutschland gegenübergestellt, wo Frauen keine staatlichen Kunstschulen besuchen dürfen. Wenn Münter aus einer privaten Münchner Kunstschule austritt, weil der Dozent konservative Ansichten vertritt, und Aufnahme in Kandinskys Malschule Phalanx findet, rückt zunehmend das Private ins Zentrum.


Von Anfang an problematisch scheint die Beziehung zwischen dem elf Jahre älteren Lehrer und seiner Studentin, geht es hier doch auch um Ausnützung eines Machtverhältnisses. Dazu kommt, dass Kandinsky Münter bald gesteht, dass er eine russische Frau hat, die er derzeit aber nicht verlassen könne, weil sie alles für ihn aufgegeben habe. So hält er sie mit einem Eheversprechen hin, gleichzeitig entwickelt sie sich aber mit den Jahren künstlerisch.


Während man Kandinsky kaum einmal malen sieht, steht Münter öfters vor ihrer Staffelei, malt bald die Landschaft ums bayrische Murnau oder in Südfrankreich. Doch wirklichen Einblick in künstlerisches Schaffen und Inspiration bekommt man im Grunde nur beim Besuch eines Konzerts von Arnold Schönberg. Während das bürgerliche Publikum von der Musik empört ist und schimpfend den Saal verlässt, lösen die ungewohnten Klänge bei Kandinsky einen Rausch der Farben aus.


Es ist eine der wenigen oder vielleicht sogar die einzige Szene, die den konventionellen Rahmen des Films sprengt. Davon abgesehen reiht Rosenmüller aber uninspiriert Szene an Szene. Die sorgfältige Ausstattung und die malerische Landschaft um Murnau sorgen zwar für optische Reize, doch Atmosphäre und Dichte entwickeln sich kaum, denn Rosenmüller beschränkt sich auf die oberflächliche Nachzeichnung der Ereignisse und lässt jede Verdichtung und Zuspitzung vermissen. Auch der Umstand, dass Drehbuchautorin und Produzentin Alice Brauner für die Dialoge weitgehend Originalzitate aus Tagebucheintragungen, Briefen und Schriften des ungleichen Künstlerpaares verwendet hat, kann diesem Biopic nicht Leben und Kraft einhauchen.


Reichlich didaktisch wirkt auch, wie Franz Marc und Paul Klee auftreten, um ihre Gedanken zur Kunst zu vermitteln, oder in einer Szene Einblick in Entstehung des Namens "Der Blaue Reiter" geboten wird. Wichtiger als mitreißendes filmisches Erzählen scheint dem Filmemacher und der Drehbuchautorin hier die Vermittlung von Informationen.


Dichte entwickelt "Münter & Kandinsky" aber auch nicht in der Schilderung der Beziehung des Paares. Durchaus differenziert ist zwar der Blick auf die beiden Protagonist:innen. Kandinsky wird so als Heuchler und Feigling gezeichnet, während bei Münter auch ihr schroffes Wesen nicht ausgespart wird, wenn sie nicht nur ihre Schwester, bei der sie in Krisen Zuflucht sucht und die sie unterstützt, sondern auch die Frau von Franz Marc arrogant und brüsk kritisiert und verspottet. Dennoch entwickelt dieses Biopic trotz des engagierten Spiels von Vanessa Loibl als Gabriele Münter kaum mitreißende Leidenschaft, sondern bleibt Behauptung und an der Oberfläche.


Zugute halten kann man Rosenmüller und Brauner so zwar, dass sie einer Künstlerin, die sonst weitgehend im Schatten ihres berühmten Geliebten stand, ins Licht rücken und ihr ein Denkmal setzen, doch abgesehen vom Informationsgehalt plätschert dieses Biopic doch langatmig dahin und lässt im Gegensatz zur Kunst der Porträtierten jeden Esprit und jede Kraft vermissen.

 


Münter & Kandinsky

Deutschland 2024 Regie: Marcus O. Rosenmüller mit: Vanessa Loibl, Vladimir Burlakov, Felix Klare, Alexey Ekimov, Julian Köchlin, Marianne Sägebrecht Länge: 126 min.



Läuft derzeit im Kinok St. Gallen. - Österreich-Start am 16.5.



Trailer zu "Münter & Kandinsky"



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