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No Other Land

Autorenbild: Walter GasperiWalter Gasperi
"No Other Land": Erschütternder Dokumentarfilm über das israelische Vorgehen im Westjordanland
"No Other Land": Ebenso parteiischer wie erschütternder Dokumentarfilm über das israelische Vorgehen im Westjordanland

Hautnah vermittelt ein palästinensisch-israelisches Kollektiv in seinem vielfach preisgekrönten Dokumentarfilm das Vorgehen der israelischen Armee gegen die palästinensischen Bewohner:innen der Dörfer des im Westjordanland gelegenen Masafer Yatta: Ein Film auf der Höhe der Zeit, erschütternd, aber auch entschieden parteiisch.


Bei der Preisverleihung der Berlinale, bei der "No Other Land" als bester Dokumentarfilm und mit dem Panorama-Publikumspreis ausgezeichnet wurde, sorgte die Dankesrede der Regisseure Basel Adra und Yuval Abraham für einen Eklat. Ihre Aufforderung an Deutschland, keine Waffen mehr an Israel zu liefern, und ihr Vorwurf an Israel, die Palästinenser "abzuschlachten", löste eine Antisemitismus-Debatte aus.


Nicht Ausgewogenheit streben der palästinensische Aktivist Basel Adra, der israelische Journalist Yuval Abraham, die israelische Filmemacherin und Kamerafrau Rachel Szor sowie der palästinensische Fotograf Hamdan Ballal in ihrem ersten Film an, sondern ergreifen entschieden Partei für die palästinensische Bevölkerung des Westjordanlands und gegen die israelische Besetzung. Trotz des bewusst parteiischen und einseitigen Blicks gewann "No Other Land" nach der Berlinale zahlreiche weitere Preise bis hin zum Europäischen Filmpreis für den besten Dokumentarfilm.


Vom Sommer 2019 bis zum Oktober 2023 dokumentiert das Kollektiv hautnah die israelische Zerstörungs- und Vertreibungspolitik in den im südlichen Westjordanland gelegenen 19 Dörfern von Masafer Yatta. Seit über 100 Jahren leben hier zwar die Palästinenser:innen, doch nun sollen ihre Dörfer endgültig einem von Israel schon 1977 deklarierten Truppenübungsplatz weichen. Ihrer Erklärung, dass sie dem Titel entsprechend kein anderes Land haben, steht die israelische Behauptung gegenüber, dass die Siedlungen illegal seien.


Immer wieder rücken, begleitet von Soldat:innen, Bulldozer vor, um Häuser oder eine Schule abzureißen, ein Brunnen wird zubetoniert, um den Bewohner:innen das lebensnotwendige Wasser zu entziehen. Wie eine Wand stehen die Soldat:innen den Einwohner:innen gegenüber, lassen nicht mit sich diskutieren und sich auch nicht von Protesten und Klagen erweichen.


Weder gewinnt man einen Überblick, um welche Siedlung es sich jeweils handelt, noch wer die Kamera führt. Unter klassische Filmaufnahmen werden Handybilder ebenso wie Archivaufnahmen gemischt, zu denen Basel Adra über seine Kindheitserinnerungen an Repressalien gegenüber der Familie erzählt.


Manchmal gerät die Kamera in den Auseinandersetzungen ins Taumeln, wird einmal auch von einem Stein getroffen, sodass das Bild schwarz wird. Mitten hinein versetzt das Kollektiv die Zuschauer:innen und macht durch die Direktheit der Schilderung und unterstützt durch Musik und Sounddesign die Wut und den Hass der Palästinenser:innen nachvollziehbar. Keine Hintergrundinformationen sollen hier geboten werden und nicht reflektierend soll die Situation analysiert werden, sondern das Publikum soll emotionalisiert werden.


Zeuge wird man so, wie die Palästinenser:innen Hausrat und Matratzen aus ihren zerstörten Häusern in Höhlen bringen, wo sie eine neue Unterkunft finden. Dennoch bleiben die meisten, leisten Widerstand und ziehen nicht in eine Wohnung in der Stadt.


Schwer zu ertragen sind vor allem die Szenen, in denen man unmittelbar miterlebt, wie der Palästinenser Harun bei einem Kampf um einen Generator niedergeschossen und so schwer verletzt wird, dass er danach von der Schulter abwärts gelähmt ist, oder Handyaufnahmen, in denen man sieht, wie Basel Adras Cousin von einem Siedler nach dem 7. Oktober 2023 auf offener Straße angeschossen wird.


Unterstrichen werden diese Bilder der Unterdrückung durch eingeschnittene TV-Nachrichten, die aber auch deutlich machen, wie wenig sich die Welt letztlich um die Situation der Palästinenser:innen kümmert. Denn da mag zwar groß berichtet werden, wenn der britische Premierminister Tony Blair eine neu errichtete Schule besucht, doch Schutzmaßnahmen für die Palästinenser:innen folgen danach nicht.


Unterbrochen werden die Bilder von den Konfrontationen zwischen der Bevölkerung und den israelischen Soldat:innen immer wieder von der Schilderung von Demonstrationen und Protesten der Palästinenser:innen, aber auch von Szenen, die Einblick in ihren von Diskriminierung und Einschränkungen bestimmten Alltag bieten. Dem aggressiven Vorgehen der Armee steht hier die Freundschaft des Palästinensers Basel und des Israeli Yuval gegenüber. Doch nicht nur Basel steht zu ihm, sondern auch in den Dörfern wird Yuval als "Menschenrechts-Aktivist" aufgenommen, während er von den Israelis bedroht wird.


Aufwühlend und entschieden parteiisch ist "No Other Land" so und prangert das israelische Vorgehen entschieden an. Gleichzeitig zeigen die vier Regisseur:innen in der Beziehung von Basel und Yuval auch, dass eine Überwindung der nationalen Feindschaft und ein friedliches Zusammenleben durchaus möglich wäre. – So verbreitet dieser erschütternde Dokumentarfilm doch noch einen kleinen Funken Hoffnung auf eine Überwindung der Gegensätze und ein Ende der Feindschaft.

 

 

No Other Land Palästinensische Autonomiegebiete / Norwegen 2024 Regie: Basel Adra, Yuval Abraham, Hamdan Ballal, Rachel Szor Dokumentarfilm Länge: 92 min.



Läuft jetzt in den österreichischen Kinos. Filmforum Bregenz im Metrokino Bregenz: Mi 5.2., 20 Uhr Spielboden Dornbirn: Di 25.2. + Di 11.3. - jeweils 19.30 Uhr



Trailer zu "No Other Land"




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