Oklahoma, 1906: Ein Farmer und sein 15-jähriger Sohn nehmen auf ihrem abgelegenen Hof einen verwundeten Fremden auf. Aber bald stellen sich Verfolger ein, die die Herausgabe des Mannes fordern: Potsy Poncirolis stringent erzählter, stark gespielter und bildstarker Western ist bei Koch Films auf DVD und Blu-ray erschienen.
Der Western ist das amerikanische Genre par excellence. Nach Massenproduktion bis in die 1960er Jahre ist das Genre in den letzten Jahrzehnten aber weitgehend aus dem Kino verschwunden. Oft schon wurde der Tod des Western verkündet, doch immer wieder mal entsteht dann doch ein Western, der sich durchaus sehen lassen kann.
Neben ironischen Brechungen wie bei Quentin Tarantino ("Django Unchained", "The Hateful Eight") oder Dekonstruktionen wie bei Kelly Reichardt ("Meek´s Cutoff", "First Cow") oder John McLeans "Slow West" gibt es dabei auch immer wieder Regisseure, die ganz klassisch inszenieren und auf Modernisierungen verzichten.
Potsy Poncirolis Kinodebüt spielt mit dem Jahr 1906 zwar schon nach dem Ende der klassischen Western (1860 bis 1890), doch im ländlichen Oklahoma ist vom Anbruch der Moderne noch nichts zu spüren. Im Voice-over gibt Henry McCarty (Tim Blake Nelson) kurz Einblick in sein bewegtes Leben und die Errichtung einer Farm in dieser abgelegenen Gegend. Seit dem Tod seiner Frau lebt er hier allein mit seinem inzwischen 15-jährigen Sohn Wyatt (Gavin Lewis). Alles andere als zufrieden ist Wyatt aber mit diesem Leben. Sowohl die Landarbeit als auch die harte Erziehung durch den Vater führt immer wieder zu Konflikten.
Doch dann entdeckt Henry auf den Feldern einen schwer verwundeten Fremden, der eine Tasche voll Geld bei sich hat. Nach kurzem Zögern nimmt er ihn mit ins Haus und pflegt ihn. Wie angesichts des Geldes nicht anders zu erwarten, stellen sich aber bald drei Verfolger ein, die sich als Sheriffs auf der Jagd nach einem Bankräuber vorstellen. Doch Henry traut den Männern nicht und will den Verwundeten nicht herausgeben. – Die Konfrontation ist vorprogrammiert.
Ebenso klassisch wie einfach gehalten ist die Handlung. Mit Henry und seinem Sohn, dem Fremden und den Aggressoren als Figuren und der Farm und dem umgebenden Land als einzigem Schauplatz kommt Ponciroli aus, Frauen gibt es keine. Und auch die Handlung ist sehr übersichtlich gehalten, gleichzeitig wird aber geschickt auch durch Geheimnisse Spannung aufgebaut.
Nicht nur den Generationenkonflikt zwischen Henry und seinem Sohn gibt es hier nämlich, sondern auch die Undurchschaubarkeit von Henry und dem Fremden. Wieso kann nämlich Henry so gut mit der Waffe umgehen und was hat es mit der Sammlung von Zeitungsausschnitten über den Tod legendärer Revolverhelden aus sich? Welche Vergangenheit trägt der scheinbar harmlose Farmer mit sich herum? Und kann man dem Fremden trauen? Ist dieser wirklich der Sheriff, der er zu sein behauptet, während die Aggressoren in Wahrheit eine Gangsterbande sind?
Geschickt vertieft Ponciroli in Diskussionen und mit Details diese Fragen, während gleichzeitig der Druck durch die Angreifer zunimmt, bis sich die Gewalt in einem furiosen Showdown entlädt und auch die Geheimnisse gelüftet werden.
Ganz klassisch ist das inszeniert, erinnert an große Western wie George Stevens´ "Shane" oder auch an Clint Eastwoods "Erbarmungslos" sowie in den Landschaftsbildern und im Finale an Andrew Dominiks "Die Ermordung des Jesse James durch den Feigling Robert Ford". Stringent ist die Handlungsführung, die unaufdringliche, aber starke Bildsprache (Kamera: John Matysiak) mit leuchtenden gelben Weizenfeldern und von Lampen erhellten nächtlichen Innenszenen sorgt für atmosphärische Dichte und großartig ist die Besetzung.
Herrlich undurchschaubar bleiben Tim Blake Nelson als Henry und Scott Haze als Fremder, während Stephen Dorff als Sam Ketchum in jeder Szene die Gefahr und Aggression spüren lässt, die von diesem Mann ausgeht. Den Western revolutioniert Ponciroli so mit "Old Henry" nicht, bietet aber ein klassisches und dichtes Genrestück, an dem Fans ihre Freude haben werden.
An Sprachversionen bieten die bei Koch Films erschienene Blu-ray und DVD die englische Originalfassung, zu der deutsche Untertitel zugeschaltet werden können, sowie die deutsche Synchronfassung. Die Extras beschränken sich auf diverse Trailer zum Film sowie ein deutsch untertiteltes Featurette mit Interviews mit dem Regisseur und den Schauspielern.
Trailer zu "Old Henry"
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