On Swift Horses
- Walter Gasperi
- vor 1 Stunde
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Sehnsucht nach privatem Glück und gesellschaftliche Enge in den USA der 1950er Jahre: Daniel Minahan orientiert sich in seinem bildmächtigen Melodram unübersehbar an den Meisterwerken Douglas Sirks, kann aber ungleich offener Queerness ansprechen.
Wie aus der Zeit gefallen wirkt Daniel Minahans Verfilmung von Shannon Pufahls 2019 erschienenem Roman "On Swift Horses". Die von der Biographie der Großmutter der Autorin inspirierte und in den 1950er Jahren spielende Geschichte inszeniert der 63-jährige Amerikaner, der bislang vor allem fürs Fernsehen arbeitete, im Stil eines großen Melodrams der 1950er Jahre.
Eine Dreiecksgeschichte bahnt sich schon an, wenn Julius (Jacob Elordi) aus dem Koreakrieg zu seinem Bruder Lee (Will Poulter) und dessen Verlobter Muriel (Daisy Edgar-Jones) ins ländliche Kansas zurückkehrt. Während Muriel den Heiratsantrag von Lee nur zögerlich annimmt, fühlt sie sich zu Julius sofort hingezogen. Doch dieser Freigeist hat andere Pläne und will als Spieler in Las Vegas das große Glück machen, während Lee mit Muriel nach Kalifornien zieht, wo er ein Haus kaufen und eine Familie gründen will.
Doch Muriel entdeckt zunehmend, dass dieser bürgerliche Traum mit ihren individuellen Sehnsüchten nicht übereinstimmt und sie im eingebildeten Glück kein echtes Leben finden wird. So beginnt sie eigene Wege zu gehen, wenn sie – entsprechend dem Titel "Auf schnellen Pferden" - bei Pferderennen zu wetten beginnt und auch ein neues sexuelles Begehren entdeckt. Julius dagegen, der beim Kartenspiel auch mit Tricks arbeitet, findet im Mexikaner Henry (Diego Calva) einen Geliebten, kann aber diese homosexuelle Liebe nur im Geheimen ausleben.
Mit der Erwähnung des Koreakriegs (1950 – 1953) und des Tods des sowjetischen Weltraumhundes Laika 1957 werden beiläufig zeitliche Eckdaten gesetzt. Über mehrere Jahre spannt sich so die Handlung, doch bruchlos erzählt Minahan. Mit Kapitelinserts entwickelt er sein Melodram von Kansas nach Kalifornien, Las Vegas und Tijuana. Parallel erzählt er dabei die Geschichten von Muriel und Julius, während Lee weitgehend das Scharnier zwischen diesen beiden bleibt.
In großartigen Bildern von Kameramann Luc Montpellier wird die Weite des ländlichen Kansas ebenso eingefangen wie der wirtschaftliche Boom in Kalifornien oder die Atmosphäre der Spielerstadt Las Vegas. Sehnsuchtsvolle Songs verstärken an mehreren Stellen die melancholische Stimmung, während die satten Farben der lichtdurchfluteten Bilder, die Kostüme, die Frisuren und die Autos dicht eine 1950er Jahre-Stimmung evozieren, die an die Melodramen von Douglas Sirk erinnert. Großes Gefühlskino wird hier geboten, in dem wie bei Sirk bürgerliche Enge und individuelle Sehnsüchte aufeinanderprallen.
Bewusst blass und im Hintergrund bleibt so der von Will Poulter gespielte kühl-rationalistische All-American-Boy Lee, der immer an die Zukunft denkt und von Eigenheim und Familie träumt. Im Zentrum stehen der charismatische Julius, für den nur der Augenblick und seine Gefühle zählen, und die von ihm beeinflusste Muriel.
Bewegend spielt Daisy Edgar-Jones diese Muriel als zwischen ihrer Ehe und ihren wachsenden eigenen Sehnsüchten zerrissene Frau. Noch stärker sind aber Jacob Elordi als Julius und Henry Calva als sein Geliebter. In deren Szenen spürt man, wie es zwischen ihnen funkt.
So sehr Minahan dabei in visueller Gestaltung, Erzählweise und Themen an die Filme Sirks anknüpft, so geht er andererseits im offenen Blick auf die Verdrängung und Verfolgung queeren Lebens im Amerika der 1950er Jahre darüber hinaus. Detailreich ist sein Blick auf private Partys und die geheimen Bars und Clubs, in denen man sich trifft, aber auch immer Polizeirazzien fürchten muss.
Eindrücklich vermittelt "On Swift Horses" so, wie das queere Begehren in der Öffentlichkeit immer verdrängt oder bestenfalls angedeutet werden durfte, und zeigt - wie Ang Lees klassischer "Brokeback Mountain" - auch die heftigen Konsequenzen, mit denen man rechnen musste, wenn es von der homophoben Mehrheitsgesellschaft entdeckt wurde.
Die inszenatorische Finesse und die emotionale Kraft von Todd Haynes´ meisterhafter Patricia Highsmith-Verfilmung "Carol", in der es um das Zerbrechen einer lesbischen Liebe an gesellschaftlichen Repressionen geht, erreicht Minahans Melodram zwar nicht ganz, bietet aber auf jeden Fall leidenschaftliches und bildmächtiges Kino alter Schule, wie man es heute kaum noch zu sehen bekommt.
On Swift Horses
USA 2024
Regie: Daniel Minahan
mit: Daisy Edgar-Jones, Jacob Elordi, Will Poulter, Diego Calva, Sasha Calle, Don Swayze
Länge: 117 min.
Läuft derzeit in den Schweizer Kinos, z.b. im Skino Schaan und im Kino Scala in St. Gallen.
Trailer zu "On Swift Horses"
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