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  • AutorenbildWalter Gasperi

Paranza - Der Clan der Kinder


(c) Polyfilm Verleih

Nach Roberto Savianos von wahren Begebenheiten inspiriertem Roman erzählt Claudio Giovannesi mit starken Laienschauspielern vom Abgleiten jugendlicher Neapolitaner in die Kriminalität. – Nah dran an den Protagonisten, realistisch und atmosphärisch dicht ist dieses Drama, aber auch zu glatt und oberflächlich.


Vom Ende her gesehen als harmlos erscheint es, wenn der 15-jährige Nicola (Francesco Di Napoli) und seine Freunde in der ersten Szene einen riesigen Weihnachtsbaum in einer Einkaufspassage von Neapel nachts zu Fall bringen, abschleppen und in einem Hof anzünden.


Eine Protestaktion der Bedürftigen gegen die Konsumgesellschaft kann man in dieser Aktion sehen, aber Claudio Giovannesi und Autor Roberto Saviano, der seit Veröffentlichung seines Tatsachenromans „Gomorrha“ im Jahr 2006 wegen Morddrohungen der Mafia unter Polizeischutz steht, wollen bewusst nichts erklären, sondern zeigen.


Hautnah bleiben er und sein Kameramann Daniele Cipri an Nicola und seinen Freunden dran, folgt ihnen mit dynamischer Handkamera auf Schritt und Tritt. Sie träumen von teuren Sneakers und edlen Uhren und wollen in die Disco, in die sie weniger wegen ihres jugendlichen Alters als vielmehr wegen zu wenig Geld nicht hineingelassen werden. Dazu kommt noch, dass Nicola mitansehen muss, wie seine Mutter, die eine kleine Reinigung betreibt, Schutzgeld zahlen muss.


Ganz aus dem Milieu heraus erklärt Giovannesi seinen Protagonisten. Einerseits will er sich auch etwas leisten können, andererseits will er die Ausbeutung der Betreiber kleiner Geschäfte wie seine Mutter und von Marktständen stoppen. Sukzessive steigt Nicola so ins Mafia-Geschäft ein, bekommt zunächst den Auftrag vor der Uni Drogen zu verkaufen, dringt dann zum mit Hausarrest belegten Mafiaboss vor und bittet ihn um Waffen, um mit seinen Freunden das Viertel übernehmen zu können.


Nicht nur teure Klamotten und Feiern mit seiner Freundin Letizia (Viviana Aprea) kann er sich so bald leisten, sondern auch die Wohnung, in der er mit Mutter und jüngerem Bruder lebt, neu einrichten, gleichzeitig ist der Aufstieg im Mafia-Milieu aber auch mit zunehmender Gewalt, mit Kämpfen um die Herrschaft im jeweiligen Viertel verbunden – und auch sein kleiner Bruder und dessen Freunde werden schließlich die Waffen entdecken.


Außen vor bleiben in „Paranza - Der Clan der Kinder“ Polizei und andere staatliche Organisationen und scheinen nicht zu existieren. Ganz in der Hand der Mafia scheint Neapel, Nicolas Mutter ahnt wohl, woher das Geld kommt, hält ihren Sohn aber nicht zurück, einen Vater gibt es nicht. Auf sich gestellt sind die Jugendlichen und gleiten, weil es einerseits keine Arbeitsplätze gibt, sie andererseits ebenso reich und mächtig wie die Mafiosi sein wollen, in die Kriminalität ab.


Ideal besetzt hat Giovannese Nicola mit dem engelhaften Francesco Di Napoli. Als netter Junge wird er gezeichnet, der im Grunde nur seiner Mutter helfen und auch ein bisschen Luxus möchte. Mehr Opfer als Täter ist er, sieht in seinem Umfeld, dass man nur als Mitglied der Mafia nach oben kommt. Die verheerende Wirkung von Waffen scheint diesen Jugendlichen kaum bewusst, mehr überrascht als geschockt reagieren sie auf ihren ersten Mord oder sind sogar stolz darauf.


Geradlinig und realistisch erzählt der 41-jährige Regisseur diese Geschichte von der Spirale der sich steigernden Gewalt. Laienschauspieler und authentisches Milieu sorgen für atmosphärische Dichte und erschütternd ist der Blick auf diese Teenager. Doch trotz dieser Qualitäten ist nicht zu übersehen, dass die Erzählweise doch sehr glatt, der Film letztlich ziemlich einfach gestrickt ist und über eine recht oberflächliche Schilderung nicht hinauskommt.


Ursache dafür ist wohl nicht zuletzt das hohe Erzähltempo. Statt Szenen und Figuren Raum zu geben und ihnen Tiefe und Vielschichtigkeit zu verleihen, folgt Ereignis auf Ereignis. Eher notdürftig angeklebt, als wirklich zwingend in die Handlung integriert, wirkt hier auch die Liebe Nicolas zur schönen Letizia. Rein äußerlich spannend ist „La paranza dei bambini“ mit dieser Handlungsdichte zwar ebenso wie aufwühlend mit seiner Thematik, aber vermittelt kaum tiefere Einsichten.


Läuft derzeit im Kinok St. Gallen

Filmforum Bregenz im Metrokino Bregenz: Do 12.9., 20 Uhr

Spielboden Dornbirn: Sa 28.9. + Fr 4.10. - jeweils 19.30 Uhr


Trailer zu "Paranza - Der Clan der Kinder"



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