
Sehr witzig ebenso wie tragisch - und vor allem sehr unterhaltsam: Bernhard Wenger erzählt in seiner bissigen Gesellschaftssatire von einem Mann, den man für jeden Anlass als Begleiter mieten kann, der aber durch die permanenten Rollenwechsel seine Identität verliert. Großartig in der Hauptrolle: Albrecht Schuch.
Auf dem Golfplatz brennt ein Golfcart, doch Matthias (Albrecht Schuch) ist sofort zur Stelle und löscht den Brand mit einem Feuerlöscher. Wenig später sieht man ihn im Palmenhaus bei einem Konzert mit experimenteller Musik. Auch hier kann er im Anschluss an die Vorführung bei einem Glas Wein die Gesellschaft mit seinen Kommentaren und seinem Wissen beeindrucken.
Die Dame, mit der er gekommen ist, begleitet er noch bis zu ihrem Haus, verabschiedet sich dann aber freundlich. Sie sind nämlich kein Paar, sondern Matthias wurde nur als Abendbegleitung über die Agentur "My Companion", die er mit seinem Freund David (Anton Noori) leitet, gebucht.
Wie Woody Allen in "Zelig" (1983) schlüpft er in alle Rollen und passt sich wie ein Chamäleon der jeweiligen Situation an. Bei einem Elternabend in der Grundschule, bei dem die Kinder die Berufe ihres Vaters präsentieren, bringt er als Pilot in Uniform die anderen Schüler:innen zum Staunen und soll bei einem 60. Geburtstag als Sohn mit seiner Rede dafür sorgen, dass der Jubilar die lange angestrebte Position eines Vereinspräsidenten endlich bekommt.
Doch dieser ständige Rollenwechsel, bei dem Matthias nie er selbst ist, sondern immer nur Gefühle vortäuscht, bleibt nicht ohne Auswirkung auf Persönlichkeit und Privatleben. Er lebt zwar in einem stylischen Bungalow, doch seine Freundin Sophie (Julia Franz Richter) erklärt ihm, dass er nicht mehr echt sei und sie ihn einfach nicht mehr spüren könne.
Nie sagt er seine Meinung, sondern sagt immer nur das, was sein Gegenüber vermutlich hören will, und nicht einmal mit einem riesigen Hund, der zudem von der edlen Couch sein Futter frisst, kann Sophia ihn provozieren.
Der Auszug Sophias stürzt ihn in eine Krise. Die Suche nach der eigenen Identität führt aber wiederum dazu, dass er in seiner Arbeit als gemieteter Begleiter die Kundenwünsche nicht mehr zufriedenstellend erfüllt. Gleichzeitig stellt er sich selbst die Frage, ob vielleicht die Leute, denen er im Alltag begegnet auch nur für die Interaktion mit ihm gemietet wurden und nicht real sind.
Nicht unähnlich Drew Hancocks Thriller "Companion – Die perfekte Begleitung" ist die Ausgangssituation von Bernhard Wengers Langfilmdebüt. Beide Filme spielen auf unterschiedliche Weise mit den realen "Rent-A-Friend"-Angeboten und kreisen damit auch um das Thema Einsamkeit. Im Gegensatz zu Hancock legt der 1992 geborene Salzburger seinen Film aber als bissige Satire auf das gehobene Bürgertum ab.
Ständig bewegt man sich in "Pfau – Bin ich echt?" durch exquisite Locations vom Golfplatz über das Palmenhaus und den Bungalow bis zu einer Parkanlage und einem Wasserschloss. Äußerliche Fassaden werden präsentiert, doch dahinter wird Leere sichtbar. Kein Wunder ist es so auch, dass Nacktheit im Kontrast zum Rollenspiel und den Verkleidungen, die das Leben des gehobenen Bürgertums bestimmen, im Film eine große Rolle spielt.
Von einer Performance, bei der der Künstler nackt auf der Bühne steht und sich mit Farbe beschmiert, über ein Anwesen, in dem Nackt-Qigong angeboten wird, bis zum etwas vorhersehbaren, aber dennoch fulminanten Ende, weil Wenger es schafft auf die scheinbare Pointe noch einmal eins drauf zu setzen, spannt sich der Bogen.
Im Gegensatz zu vielen deutsch-österreichischen Komödien wird diese Tragikomödie dabei nie klamaukig, sondern bleibt im kühlen Blick auf die Gesellschaft bissig und treffsicher. Neben dem starken Drehbuch und dem trockenen Erzählton trägt Albrecht Schuchs zurückhaltendes Spiel wesentlich zum Gelingen bei.
Der deutsche Schauspieler, der wie seine Filmfigur Matthias mit seinen schauspielerischen Leistungen in "Systemsprenger" (2019), "Berlin Alexanderplatz (2020), "Fabian oder der Gang vor die Hunde" (2021), "Im Westen nichts Neues" (2022) und "Die stillen Trabanten" (2022) seine große Vielseitigkeit und seine Fähigkeit in unterschiedlichste Rollen zu schlüpfen demonstriert hat, schafft es dafür zu sorgen, dass man über diesen Mann ohne Eigenschaften zunächst zwar lacht, dann aber zunehmend die Tragik dieser Existenz entdeckt, sodass seine Situation berührt.
Im Gegensatz zu den gnadenlosen Filmen von Yorgos Lanthimos und Ruben Östlund, mit denen "Pfau - Bin ich echt?" schon mehrfach verglichen wurde, zeigt sich Wenger ungleich mitfühlender: Wie diese Regisseure deckt zwar auch er Missstände und Fehlverhalten treffsicher auf, blickt aber mit Empathie auf seinen Protagonisten und verbreitet Hoffnung, dass ein Ausweg aus den antrainierten Rollenmustern und eine Selbstfindung möglich ist.
Pfau – Bin ich echt?
Österreich / Deutschland 2024 Regie: Bernhard Wenger mit: Albrecht Schuch, Anton Noori, Julia Franz Richter, Maria Hofstätter, Anton Noori, Branko Samarovski, Salka Weber, Theresa Frostad Eggesbø Länge: 102 min.
Läuft derzeit in den österreichischen und deutschen Kinos.
Trailer zu "Pfau - Bin ich echt?"
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