
Luca Guadagninos wiederkehrendes Thema ist die Kraft des Begehrens: In seiner Verfilmung von William S. Burroughs halbautobiographischem Roman "Queer" folgt er einem homosexuellen US-Schriftsteller durch das Mexico-City der frühen 1950er Jahre: Ein zunehmend surrealer Trip, der von einem gegen sein Rollen-Image als James Bond anspielenden Daniel Craig getragen wird.
Schon in "I Am Love" (2009), mit dem dem 1971 geborenen Luca Guadagnino der Durchbruch gelang, ging es ums Begehren, wenn von der wachsenden Liebe einer Frau aus vornehmem Haus zu einem Koch erzählt wurde. Zentrales Thema war dies auch im Welterfolg "Call Me By Your Name" (2017), in dem ein 17-Jähriger seine erste – homosexuelle – Liebe erlebt.
Weniger erfolgreich erzählte der Sizilianer davon in "A Bigger Splah" (2015), einem Remake von Jacques Derays "Der Swimmingpool", in dem sich während eines Urlaubs in einer Villa ein spannungsgeladenes Verhältnis zwischen einem Paar, dessen Freund und dessen erwachsener Tochter entwickelt. Dafür beeindruckte zuletzt "Challengers" (2023) wiederum mit der Auslotung der wechselnden Beziehung zwischen drei Tennisspieler:innen.
Mit "Queer" adaptierte Guadagnino nun einen autobiographisch inspirierten Roman des Kultautors William S. Burroughs (1914 - 1997), den der US-Amerikaner zwar zwischen 1951 und 1953 schrieb, der aber erst 1985 veröffentlicht wurde. Ein großes Wunschprojekt kann man in dieser Verfilmung sehen, denn schon als Teenager faszinierte Guadagnino dieser Roman.
Im Mittelpunkt steht der US-Amerikaner William Lee (Daniel Craig), das Alter Ego von Burroughs, der sich, um einer Verhaftung wegen Drogensucht zu entgehen, von New Orleans nach Mexiko-City abgesetzt hat. Dort zieht er durch die Schwulen-Bars immer auf der Suche nach jungen Männern. Diese verführt er teilweise auch mit finanziellen Angeboten, vor allem aber verfällt er dem 25 Jahre jüngeren Ex-Soldaten Eugene (Drew Starkey).
Doch dieser spielt mit dem älteren Mann, provoziert ihn, indem er vor seinen Augen auch mit einer Frau flirtet, stößt William immer wieder zurück, begleitet ihn dann aber doch auf einer Reise durch Südamerika, bei der William die mysteriöse halluzinogene Pflanze Yage finden will.
So gliedert sich der Film in drei Kapitel und einen Epilog. Während der erste Abschnitt keine Überschrift trägt, wird der zweite mit dem Insert "Reisegefährten" eingeleitet. Im dritten, der den Titel "Botanikerin im Dschungel" trägt, schleichen sich dann zunehmend surreale Momente, ehe der Film im zwei Jahre später spielenden Epilog nach Mexiko-City zurückkehrt.
Dicht evoziert Guadagnino mit seinem thailändischen Kameramann Sayombhu Mukdeeprom, der Ausstattung des Production Designers Stefano Baisi, den Kostümen des irischen Star-Designers Jonathan Anderson und der Musik von Trent Reznor und Atticus Ross auf ähnliche Weise wie Wong Kar-Wai in "In the Mood for Love" die schwüle und von leidenschaftlichem Begehren erfüllte Stimmung in den Bars.
Nicht auf Realismus zielen hier Kulissen und vor allem Farben und Licht ab, sondern sollen gerade durch ihre bewusste Künstlichkeit ebenso wie mit Zeitlupen oder Überblendungen, in denen Körper geisterhaft verschmelzen, einen intensiven Gefühlsteppich schaffen.
Getragen aber wird "Queer" von Daniel Craig, der bewusst gegen sein Image als Bond-Darsteller anspielt. Fallen dem britischen Geheimagenten alle Frauen in die Arme, so ist er hier stets hinter jungen Männern her. Dem stets top gekleideten 007 steht mit William ein zwar einen weißen Leinenanzug tragender, aber doch ziemlich verlotterter, immer verschwitzter und der Drogensucht verfallener Schriftsteller mit Dreitagebart gegenüber.
Craig genießt es sichtlich gegen sein Image anzuspielen und trägt mit seiner Darstellung Guadagninos Film. Ganz auf ihn zugeschnitten ist "Queer". In praktisch jeder Szene ist er präsent und konsequent aus seiner Perspektive wird erzählt. Eindringlich kann er so vermitteln, wie sich hinter Williams Sucht nach Drogen und vor allem nach jungen Männern eine tiefe Einsamkeit und Traurigkeit verbirgt.
Doch so intensiv dieses Drama, dessen Handlung sich zeitlich vor allem durch einen Kinobesuch von Jean Cocteaus 1950 entstandenem "Orphée" auf die frühen 1950er Jahre datieren lässt, in der Beschwörung von Williams Begehren auch ist, so verpufft die emotionale Kraft mit Beginn der Reise doch zunehmend und die surreale Dschungel-Episode dürfte weitgehend ratlos zurücklassen.
Queer
Italien / USA 2024 Regie: Luca Guadagnino mit: Daniel Craig, Drew Starkey, Jason Schwartzman, Colin Bates, Henrique Zaga, Daan de Wit Länge: 137 min.
Läuft derzeit in einigen deutschen, österreichischen und Schweizer Kinos.
Spielboden Dornbirn: 15.3. und 25.3. jeweils um 19.30 Uhr sowie am 29.3. um 17 Uhr
Trailer zu "Queer":
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