Roger Corman – King of the B´s
Über 380 Filme produzierte der 1926 in Detroit geborene Roger Corman, bei 54 führte er selbst Regie. Berühmt machten ihn vor allem seine acht Edgar-Allan-Poe-Adaptionen, die Anfang der 60er Jahre entstanden, aber auch als Förderer junger Talente wie Francis Ford Coppola oder Martin Scorsese machte er sich einen Namen.
Aufgewachsen in kleinen Verhältnissen, schloss Roger Corman zunächst ein Ingenieursstudium an der Stanford University ab, arbeitete dann als Laufbursche bei 20th Century Fox, ehe er in Oxford englische Literatur studierte. 1953 kehrte er nach Hollywood zurück, produzierte mit dem Genrefilm «Highway Dragnet» seinen ersten Film und führte zwei Jahre später bei den Western «Five Guns West» (1955) und «Apache Woman» (1955) erstmals Regie.
Seine eigentliche Karriere als Regisseur und Produzent begann mit dem Job als ausführender Produzent der 1954 gegründeten Produktionsfirma AIP (American International Pictures). B- und C-Filme waren die Spezialität dieser Firma und Corman perfektionierte die Schiene dieser schnell und billig gedrehten, geradlinigen Genrefilme, bei denen neben Western, Horror- und Gangsterfilme bald auch Rocker und Rock´n´Roll-Filme traten, da diese die aufbegehrenden Teenager, die ein wichtiges und zunehmendes Segment des Kinopublikums darstellten, ansprachen. In letzteren wurden auch schon die Grundthemen des New Hollywood vorbereitet.
Legendär sind aber vor allem Cormans Edgar-Allan-Poe-Adaptionen wie «The House of Usher» (1960), «The Pit and the Pendulum» (1961) oder der komödiantische «The Raven» (1963). Mit einem konstanten Team wie Drehbuchautor Richard Matheson, Produktiondesigner Daniel Haller und Kameramann Floyd Crosby schuf Corman eine poppig-bunte stilisierte Serie von Horrorfilmen, die sich durch einen unverkennbaren und einheitlichen visuellen Stil auszeichnet.
Einen Rekord hinsichtlich Schnelligkeit stellte Corman 1961 mit «Little Shop of Horror» auf, der innerhalb von nur zwei Tagen und einer Nacht gedreht wurde. Ein kommerzieller Misserfolg soll trotz der Vielzahl seiner Filme nach eigener Aussage nur «The Intruder» (1962) gewesen sein, der sich als einer der ersten US-Filme ernsthaft mit dem Thema Rassismus auseinandersetzte.
Einen überraschenden Coup landete dieser ungeheuer produktive Produzent in den 60er Jahren, als er sowjetische Science-Fiction-Filme aufkaufte, diese umschnitt, um neue Szenen ergänzte und dann unter englischem Titel und mit amerikanischen Pseudonymen des sowjetischen Stabs in die US-Kinos brachte.
Für die Umarbeitung einer dieser Filme war der junge Francis Ford Coppola zuständig, den Corman ebenso förderte wie Martin Scorsese, dessen Regiedebüt «Boxcar Bertha» (1972) er ebenso produzierte wie Joe Dantes «Piranhas» (1978).
Im Kontrast zu den barock-morbiden Poe-Adaptionen stehen seine eigenen Filme der späten 60er Jahre, der Biker-Film «The Wild Angels» (1966), der ein Vorläufer von «Easy Rider» (1969) ist, ebenso wie der nach einem Drehbuch von Jack Nicholson entstandene Drogenfilm «The Trip» (1967) oder die in die Depressionszeit entführenden «Chicago-Massaker» (1967) und «Bloody Mama» (1969).
Nach dem Fliegerdrama «Von Richthofen and Brown – Der rote Baron» (1970) wurde es zwanzig Jahre still um Corman, ehe er mit «Frankenstein Unbound» (1990), in dem Motive aus Mary Shelleys «Frankenstein» und H.G. Wells «Zeitmaschine» vermischt werden, ein wenig erfolgreiches Comeback als Regisseur versuchte. Immer wieder konnte man den «King of the B´s» – eine Bezeichnung, die der Schnellfilmer selbst nicht schätzt – aber in den 90er Jahren in Nebenrollen in großen Hollywood-Produktionen wie «The Silence of the Lambs» (1991), «Philadelphia» (1993) oder «Apollo 13» (1995) sehen. (zuerst erschienen auf: Kultur-online, 8. 6. 2009)
Die Filme
Zwei Edgar Allan Poe-Verfilmungen von Roger Corman
Zwischen 1959 und 1964 schuf Roger Corman einen Zyklus von acht Edgar Allan Poe-Verfilmungen, die vor allem durch atmosphärische Dichte wohligen Schauer verbreiten. «Lebendig begraben» (1962) und "Die Folterkammer des Hexenjägers“ (1963) sind bei Black Hill Pictures in einer Doppel DVD sowie auf BluRay erschienen.
Unverkennbar sind Cormans Edgar Allan Poe-Verfilmungen in ihrem Stil. Ausgiebig wabert Bodennebel durch die Bilder, heftige Gewitter gehen nieder und expressiv ist die Farbdramaturgie, die neben dunklen Blautönen und Schwarz vor allem mit samtenem Rot arbeitet. Auf grelle Schockeffekte und blutige Szenen wird verzichtet, dafür sorgen Dekor und Kameraarbeit bei diesen Studioproduktionen für eine zwar sehr artifizielle, aber gleichwohl gruselige Atmosphäre.
Die knapp gehaltene Handlung der jeweils um die 80 Minuten langen Filme spielt immer im Neuengland des späten 19. Jahrhunderts, Schauplatz ist immer wieder ein Landhaus, in dem verborgene Türen in düstere Keller führen. Nicht Herr über sich selbst, sondern von ihren Ängsten beziehungsweise durch die Macht eines Alter Egos gefangen sind die Protagonisten von «Lebendig begraben» und «The Haunted Palace», dem im deutschen Sprachraum der ebenso effektgierige wie dämliche Titel «Die Folterkammer des Hexenjägers» verpasst wurde.
Im Glauben sein Vater sei lebendig begraben worden steigert sich Guy Carrell, der als einziger Protagonist von Cormans acht Poe-Verfilmungen nicht von Vincent Price, sondern von Ray Milland gespielt wird, immer mehr in Vorstellung hinein, dass selbe Schicksal drohe. Nur kurz scheint es, dass ihn die Hochzeit mit Emily (Hazel Court) davon befreien kann, denn bald verfolgen ihn wieder Angstzustände.
Eindrücklich spielt Ray Milland Carrells Zerrissenheit, sein Schwanken zwischen Gereiztheit und Unbeherrschtheit auf der einen und liebevollem Ehemann auf der anderen Seite, bis tatsächlich eintritt, was er befürchtet hat. Wie Corman aus der Perspektive Carrells erzählt, wie er zu Grabe getragen wird, ohne sich verständlich machen zu können, wird man wohl nicht so schnell vergessen. Wenn am Ende schließlich – wie schon geahnt und doch anders als erwartet - eine Intrige aufgedeckt wird, dann scheint auch der Einfluss eines Klassikers wie «Das Haus der Lady Alquist» nicht weit.
Macht über sich selbst verliert auch Joseph Curwen (Vincent Price) in «Die Folterkammer des Hexenjägers», der weniger die Verfilmung eines Gedichts von Edgar Allan Poe als vielmehr die von H. P. Lovecrafts 1941 posthum veröffentlichten Romans «Der Fall des Charles Dexter Ward» ist.
Curwen will 110 Jahre, nachdem die Bewohner des Städtchen Arkham seinen Urgroßvater in einem Akt der Lynchjustiz bei lebendigem Leibe verbrannt haben, mit seiner Frau als Erbe das Landhaus seines Vorfahren besichtigen. Im Haus aber verwandelt sich der Eigentümer wie beeinflusst vom mächtigen Bild seines Urgroßvater rasch, behandelt seine Frau bald roh und dann wieder liebevoll. Der einst grausam Hingerichtete scheint zunehmend Besitz von seinem Nachkommen zu ergreifen, der zwischen Dr. Jekyll und Mr Hyde pendelt. Sigmund Freud folgend könnte man sagen: Nett ist er, wenn im ersten Stock sein Über-Ich dominiert, böse, wenn im Keller das Es durchbricht.
Wie in «Lebendig begraben» steht auch in «Die Folterkammer des Hexenjägers» der Frau ein junger Arzt zur Seite, der versucht den Kranken oder Besessenen zu heilen. Bei den Enden zeigen sich aber deutliche Unterschiede, viel offener bleibt hier «Die Folterkammer des Hexenjägers» mit einem letzten ambivalenten Blick, der ahnen lässt, dass der Schrecken längst nicht vorüber ist.
Spärlich sind die Extras der von Black Hill Pictures herausgegebenen Doppel-DVD. Während es zu «Die Folterkammer des Hexenjägers» nur den Originaltrailer gibt, findet sich bei «Lebendig begraben» neben Trailer und Bildergalerie immerhin noch ein knapp zehnminütiges Interview mit Roger Corman. An Sprachversionen bieten beide DVD die deutsche und die englische Fassung, aber keine Untertitel. (zuerst erschienen auf: Kultur-online am 3.1. 2013)
Die Verfluchten – House of Usher
Roger Cormans 1960 entstandene Verfilmung von Edgar Allan Poes Kurzgeschichte «Der Untergang des Hauses Usher» gehört zu den Klassikern des sanften Horrorfilms. Kein Blut spritzt hier, aber die morbide Atmosphäre und die Geschlossenheit der Inszenierung halten den Zuschauer in Bann. Bei explosive media ist «Die Verfluchten» auf DVD und Blu-ray erschienen.
Acht Filme nach Erzählungen von Edgar Allan Poe hat Roger Corman zwischen 1959 und 1964 gedreht. Den Auftakt machte «Die Verfluchten». Die Idee zu diesem Film kam vom Schauspieler Mark Damon, der dafür das Zugeständnis erhielt, neben Vincent Price die Hauptrolle spielen zu dürfen. Das Budget betrug nur 350.000 Dollar, die Drehzeit gerade mal zwei Wochen.
Wohl mehr genützt als geschadet haben diese produktionstechnischen Beschränkungen dem Film, denn auf den Landsitz der Ushers als einzigem Schauplatz und auf vier Schauspieler beschränkt sich die Handlung.
Schon die Auftaktszene, in der ein Mann durch eine Landschaft, in der die Vegetation abgestorben ist und Bodennebel sich ausbreitet, auf das Anwesen der Ushers zureitet, das vor einem Sumpf mächtig in den nächtlichen Himmel emporragt, stimmt auf den Film ein.
Von dickem Staub überzogen ist die Tür, auch Spinnennetze fehlen nicht und für ein dumpfes Geräusch sorgt der schwere Türklopfer.
Der Ankömmling stellt sich dem Diener als Verlobter von Madeline Usher vor, die er nun mit nach Boston nehmen möchte. Doch Madelines Bruder stellt sich dagegen, da die Familie mit einem Fluch beladen sei und nun untergehen müsse.
Nicht nur in der Konzentration auf das Haus und die vier Figuren entwickelt der Film Dichte, sondern mehr noch durch die morbide Atmosphäre, die das Spiel von Vincent Price in der Rolle von Madelines Bruder Roderick, die Kameraarbeit von Floyd Crosby und die Ausstattung von Daniel Haller evozieren.
Statt auf Realismus setzt Corman auf bewusste Künstlichkeit, schafft mit gleitenden Kamerabewegungen, einer ausgefeilten Farbdramaturgie, in der sattes Rot dominiert, samtenen Gewändern und einer Ahnengalerie, mit der die fluchbeladene Geschichte der Familie Usher belegt werden soll, eine eigene Welt.
Mehr als Opfer denn als Täter, der diesem Fluch nicht entkommen kann, erscheint Roderick Usher hier - todessüchtig, um vom Grauen der im Alter zunehmend überempfindlichen Sinneswahrnehmungen erlöst zu werden. Und wie in «Lebendig begraben» geht es auch hier um den Schrecken eines Begräbnisses nach einem kataleptischen Anfall.
Aber «Die Verfluchten» erzählt auch von der Kraft der Liebe, die den Besucher, aus dessen Perspektive Corman konsequent erzählt, um Madeline kämpfen lässt, allerdings auch von der Vergeblichkeit dieses Kampfes angesichts der Macht des Fluchs und des Schicksals.
An Sprachversionen bietet die bei explosive media in HD Neuabtastung erschienene Blu-ray und DVD die amerikanische Original- und die deutsche Synchronfassung sowie Untertitel in beiden Sprachen. An Extras finden sich neben dem originalen Kinotrailer, einer Bildergalerie und einem zweiseitigen Beiblatt mit Informationen zum Film ein rund 20-minütiges Interview mit Mark Damon, der nicht nur Einblick in die Entstehung von «Die Verfluchten» und die Zusammenarbeit mit Roger Corman, sondern auch in seine weitere Karriere gibt. (erschienen auf: Kultur-online am 6.11. 2017)
Die Maske des roten Todes
In Roger Cormans 1964 gedrehter Edgar Allan Poe-Verfilmung terrorisiert in einem ungenannten mittelalterlichen Land ein sadistischer Prinz, der den Teufel als seinen Herrn betrachtet, seine Umwelt. Der bildstarke sinistre Horrorfilm, der mehr auf Atmosphäre als auf blutige Effekte setzt, ist bei Koch Media in einer Special Edition mit vielen Extras erschienen.
Farben, Kamerabewegungen, Dekor und Musik sind die filmischen Mittel, mit denen Roger Corman Anfang der 1960er Jahre in sieben Edgar Allan Poe-Verfilmungen dichte Atmosphäre und wohligen Grusel erzeugte. Für einmal keine dunkle Familiengeschichte erzählt er in «Die Maske des roten Todes», seiner vorletzten Poe-Verfilmung, die als «Satanas – Das Schloss der blutigen Bestie» in die deutschen Kinos kam. Und auch nicht in einem dunklen Anwesen im England oder der USA des 19. Jahrhunderts, sondern im europäischen Mittelalter spielt dieser Film.
Nebelschwaden ziehen aber auch hier übers Feld, wenn eine Frau einem leuchtend rot gekleideten Mann mit vermummtem Gesicht – dem personifizierten Tod – begegnet, der ihr eine Rose übergibt und Befreiung von der Knechtschaft verspricht. Wie diese Knechtschaft aussieht, zeigt die folgende Dorfszene, in der Prinz Prospero ein Dorf tyrannisiert und schließlich die junge Francesca, ihren Vater und ihren Geliebten Gino von seinem Gefolge auf seine Burg schleppen lässt.
Auf das armselige Dorf folgt der Prunk des Schlosses, gleichzeitig treffen hier aber der christliche Glaube Francescas auf den Satanismus Prosperos. Keinen Gott kann es für ihn geben, denn Grausamkeit und Terror beherrschen die Welt. Ein Maskenball wird vorbereitet, dazwischen aber gibt es immer wieder sadistische Aktionen des Fürsten, der sich in der Burg verschanzt, als er erfährt, dass der pestartige rote Tod im Dorf umgeht.
Während sich Prosperos Frau ganz Satan weiht, erlebt Francesca in einer aus dem Film in ihrer visuellen Gestaltung herausragenden Szene einen düsteren Alptraum, in dem sie in nebelverhangener Szenerie auf dem Bett liegend von tanzenden Geistern bedroht wird.
Beim Maskenball schließlich zeigt sich gerade dieser Tod als unerwarteter und unerwünschter Gast und abschließend berichten die aus den unterschiedlichen Himmelsregionen eintreffenden Gevatter über die reiche Ernte, die sie eingefahren haben.
Düster und pessimistisch endet dieser Horrorfilm mit dem Satz «Sic transit gloria mundi» und einem Zitat aus Edgar Allan Poe, das darauf hinweist, dass der Tod nun die Herrschaft über die Welt hat.
Auf blutige Szenen kann Roger Corman getrost verzichtet. Er baut eine sinistre Atmosphäre durch die schon erwähnten filmischen Mittel auf. Ersetzt hat er dabei als Kameramann gegenüber den anderen Poe-Verfilmungen Floyd Crosby durch Nicholas Roeg, der später mit «Wenn die Gondeln trauern tragen» (1972) selbst als Regisseur ein Meisterwerk des Mystery-Thrillers dreht. Virtuos gleitet hier seine Kamera schwebend und elegant durch die Räume des Schlosses und trägt wesentlich zum betörenden visuellen Eindruck bei, bestechend ist auch 50 Jahre nach Erscheinen des Films noch die Farbqualität. Großartig ist freilich auch Vincent Price, der mit sichtlichem Vergnügen den sadistischen Prinzen spielt.
An Sprachversionen bietet die bei Koch Media erschienene Doppel-DVD die englische Fassung, zu der deutsche Untertitel zugeschaltet werden können, sowie die deutsch synchronisierte Fassung. An Extras enthält diese Special-Edition neben dem originalen und deutschen Trailer und einer geschnittenen Badeszene, in der man kurz einen Busen sieht, ein Interview mit dem Synchronregisseur Arne Elsholz, ein knapp einstündiges TV-Special «An Evening of Edgar Allan Poe» von bescheidener Bildqualität, eine 18-minütige Super-8-Fassung, ein 19-minütiges Interview von bescheidener Bildqualität, eine 18-minütige Super-8-Fassung, ein 19-minütiges Interview mit Roger Corman sowie auf dem Rom-Teil als pdf einen 36-seitigen Comic zum Film. (erschienen auf: Kultur-online am 26.12. 2013)
Das Grab der Lygeia
Auch der letzte, 1964 in England gedrehte Film aus Roger Cormans Zyklus von Edgar Alan Poe-Verfilmungen bietet stimmungsvollen Horror, bei dem eine Tote ins Leben ihres Ehemanns einzugreifen scheint. Bei Koch Media ist diese Genre-Perle in einem Mediabook auf DVD und Blue-ray erschienen.
Wie allen Edgar Allan Poe-Verfilmungen von Roger Corman sind auch dieser von Anfang an Tod und Untergang eingeschrieben. Vom ersten Bild an verbreitet «Das Grab der Lygeia» eine morbide Stimmung, wenn nicht nur eine Frau begraben wird, sondern das Begräbnis auch noch vor dem Hintergrund einer halbverfallenen Abtei stattfindet. Heftig befehden sich der Witwer Lord Verden Fell (Vincent Price) und ein Priester, weil die verstorbene Lygeia angeblich verbotenerweise in geweihter Erde begraben wird.
Das Auftauchen einer schwarzen Katze beendet aber den Disput sowie die Szene abrupt. Immer wieder wird diese Katze in der Folge auftauchen und die Leute verunsichern und beunruhigen. Vom Begräbnis wechselt der Film aber nach dem Vorspann zu einer Treibjagd, bei der die junge Rowena (Elizabeth Shepherd) die Abtei entdeckt. Beim Grab der Verstorbenen sorgt wiederum die schwarze Katze dafür, dass ihr Pferd scheut und sie stürzt, doch der überraschend auftauchende Lord kümmert sich um sie.
Rasch fühlt sie sich zu ihm hingezogen und bald folgt die Hochzeit. Die Abtei soll verkauft werden, doch bis dahin will das Paar noch in dem alten und halbverfallenen Gemäuer wohnen. Rowena stößt dabei aber nicht nur immer wieder auf die schwarze Katze, die sie auch in den Glockenturm lockt, sondern glaubt auch zunehmend, dass Lygeia noch lebt, während ihr Mann nachts immer unauffindbar ist.
Im Gegensatz zu den anderen Poe-Verfilmungen, die reine Studio-Produktionen waren, gibt es hier auch zahlreiche Außenaufnahmen in der Norfolk Abbey in East Anglia, eine Szene wurde auch in Stonehenge gedreht. Auf den sonst bei Gothic Horror obligaten Bodennebel wird hier folglich verzichtet, ein mächtiges Gewitter auf der Tonebene, wenn sich die Ereignisse zuspitzen, darf aber nicht fehlen.
Die für Cormans Poe-Filme typische morbide Atmosphäre stellt sich dabei vor allem in den Innenszenen ein. Mit gewohnt starker Farbdramaturgie, bei der beispielsweise leuchtendes Rot von Schwarz kontrastiert wird, den dunklen Innenräumen mit zahlreichen altägyptischen Statuen, die der Lord aus dem Land am Nil nach England gebracht haben soll, Aufnahmen durch schmiedeeiserne Gitter, die die Protagonisten quasi einsperren, und gekippten Perspektiven wird die zunehmende Verunsicherung, das Balancieren zwischen Wahn und Wirklichkeit, aber auch im Grenzbereich zwischen Leben und Tod eindrücklich evoziert.
Diese Vermischung von Leben und Tod wird freilich auch dadurch vermittelt, dass die verstorbene Lygeia ebenso wie Rowena von Elizabeth Shepherd gespielt. Zunehmend in den Wahnsinn treibt der Besitzanspruch der Toten dabei den Lord. Auch der Arzt Franz Anton Mesmer wird ins Spiel gebracht, wenn der Lord Rowena hypnotisiert und sie dabei mit Lygeias Stimme zu sprechen beginnt.
Aber auch als klassischen Fall von Nekrophilie – im Stile von Hitchcocks «Vertigo» – kann man «Das Grab der Lygeia» lesen, ist es im Kern doch ein Film über einen Mann, der über den Verlust seiner Frau nicht hinwegkommt und in der neuen Bekanntschaft und Frau die wiedergeborene – oder nie gestorbene – erste Frau sieht.
Vorhersehbar ist dabei freilich, dass es Erlösung für den von Vincent Prive gespielten Protagonisten nur im gemeinsamen Tod mit der schwarzen Katze geben kann. Wie in einem reinigenden Fegefeuer verbrennt – wie so oft bei Cormans Poe-Filmen – im Finale mit der Abtei, die freilich für das karge Steingemäuer überraschend gut brennt, und ihrem Besitzer auch der böse Fluch.
An Sprachversionen bietet das bei Koch Media erschienene Mediabook mit DVD und Blu-ray die englische Original- und die deutsche Synchronfassung sowie Untertitel in diesen beiden Sprachen. Die Extras umfassen neben englischem Trailer und Bildergalerie einen nur englischen, aber gut verständlichen Audiokommentar von Corman sowie seiner Hauptdarstellerin Elizabeth Shepherd. Dazu kommen Interviews mit dem Produktionsassistenten und dem Kameraassistenten sowie dem Komponisten Kenneth V. Jones und das gewohnte Booklet. (erschienen auf: Kultur-online am 27.12. 2018)
The Wild Angels
Drei Jahre vor «Easy Rider» entstand Roger Cormans Kultfilm. Auch in diesem von Pierrot Le Fou als DVD herausgegebenen Bikerfilm geht es um das Aufbegehren gegen das Bürgertum, das auch in der filmischen Form zum Ausdruck kommt, doch macht Corman hinter dem Freiheitsstreben letztlich eine tiefe innere Leere sichtbar.
Gebündelt ist das Spannungsfeld dieses klassischen Biker-Films schon in der Eröffnungsszene, wenn kleine Kinder im gepflegten Garten eines Vorstadthäuschens spielen und sich als Kontrast zu dieser bürgerlichen Welt der Biker Heavenly Blues (Peter Fonda) mit seinem Motorrad ins Bild schiebt. Unwillkürlich weckt dieser Beginn und das Gehabe Fondas Erinnerungen an Marlon Brando in dem mindestens genauso legendären «The Wild One» (1954).
Corman stellt der Statik und Enge der bürgerlichen Welt bei Blues´ Fahren mit seinem Motorrad auf dem Highway mit subjektiver Kamera, geschickten Schnittfolgen und natürlich entsprechender musikalischer Untermalung Bewegung und damit auch Freiheit und Freiheitsdrang gegenüber. Die Engräumigkeit der Vorstadt wird kontrastiert von Landschaftstotalen mit Highway und Halbwüste, wobei der Himmel mehr als die Hälfte der Einstellungen einnimmt.
Überflüssig und aufgesetzt wirkt der kurze Off-Kommentar am Beginn, der aufklärt, dass «The Wild Angels» nach Polizeiakten gedreht wurde und dass die von den Bikern verwendeten Nazi-Symbole keinen politischen Gehalt haben, sondern einzig ihr Revoltieren gegen die bestehende Gesellschaft ausdrücken sollen. Die dünne Handlung ist – typisch für ein Exploitation-Movie – auf markante, nicht differenzierter ausgestaltete Szenen reduziert und dient vor allem dazu lange Party- oder Schlägerszenen und natürlich Motorradfahrten zu verbinden. Auch die Figuren sind nicht komplexer gezeichnet, Motorrad und Lederjacke verleihen ihnen ihr Profil und ihnen an die Seite werden junge Frauen gestellt. – Nicht Charaktere sollen hier modelliert, sondern Typen entworfen und damit das Lebensgefühl einer Generation vermittelt werden.
Am Arbeitsplatz von Blues Freund Loser (Bruce Dern) kommt es zum Konflikt mit Mitarbeitern und gemeinsam und mit ihrer Gang begeben sich Blues und sein Freund auf Tour, feiern Party in der Wildnis, provozieren eine Auseinandersetzung in einer Autowerkstatt und legen sich auch mit der Polizei an. Als Loser dabei angeschossen und von der Polizei in ein Krankenhaus gebracht wird, entführen ihn seine Kollegen wenig später.
Der Ton des Films ändert sich aber spätestens mit dieser Szene. Denn steht am Beginn die ausführliche Schilderung von Motorradfahrten, die den Eindruck von Aufbruch, Aufbegehren und Freiheit vermitteln, tritt nun zunehmend Stillstand ein. Von der Weite geht es in die Enge einer Kirche, rein destruktiv wird agiert und am Ende steht Blues allein auf einem Friedhof. Resignativ ist sein Schlusssatz «There is nowhere to go».
«The Wild Angels» ist ein roher und ein rauer Film, der den Freiheitsbegriff letztlich als hohl entlarvt, der zwar voll Verachtung auf die bürgerliche Gesellschaft blickt, aber auch das Agieren der Motorrad-Gang als ziellos und dekadent kritisiert.
Die echten «Hells Angel» waren über die Darstellung ihres Alltags als Abfolge von Motorradfahren, Schlägern und Feiern nicht erfreut und klagten Corman, in England wurde der Film bis 1968 verboten, bei den Filmfestspielen von Venedig wurde ihm dagegen eine lobende Erwähnung zuteil.
Unbestritten ist «The Wild Angels» heute ein wichtiger Vorläufer des «New Hollywood» und fraglos ein Klassiker des Biker-Films. Spärlich sind freilich die Extras die die von Pierrot Le Fou herausgegebene DVD bietet: Nur ein Trailer findet sich hier. Da ist man dann gerade schon froh darüber, dass der Film wenigstens nicht nur in der (schlechten) deutschen Synchronfassung ertragen, sondern auch in der amerikanischen Originalfassung (mit deutschen Untertiteln) genossen werden kann. (erschienen auf: Kultur-online am 11.6. 2009)
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