Roberto Rossellinis chronikhafte Schilderung von Ereignissen während der deutschen Besetzung Roms im Jahr 1943 ist nicht nur ein Klassiker des Neorealismus, sondern beeindruckt und erschüttert mit seinem ungeschminkten Realismus immer noch: Bei Filmjuwelen ist das Meisterwerk unter anderem mit einem Audiokommentar auf DVD und Blu-ray erschienen.
Ein Schwenk über die italienische Hauptstadt führt in den Film ein – und ein Schwenk über die Stadt, bei dem der Petersdom markant ins Bild gerückt wird, wird knapp 100 Minuten später aus "Roma città aperta" entlassen. Begleitet wird die einleitende Einstellung von einem Insert, das informiert, dass nach der Landung der Alliierten in Sizilien im Juli 1943 Benito Mussolini gestürzt wurde und deutsche Truppen mit Nord- und Mittelitalien auch Rom besetzten.
Schon in dieser Zeit entstand das Drehbuch von Sergio Amidei und Federico Fellini, unmittelbar nach der Befreiung Roms im Juni 1944 wurde gedreht. Die Außenszenen entstanden an Originalschauplätzen, Innenszenen wurden teils in den Wohnungen der Filmcrew gedreht, die teilweise im Film auch ihr eigenes Schicksal oder das von Bekannten verarbeiteten. Das führte in der Verbindung mit der Mischung von professionellen und Laienschauspieler:innen zu einem quasidokumentarischen Stil, der "Roma città aperta" zu einem Meisterwerk und zentralen Film des italienischen Neorealismus machte.
Unvermittelt setzt die Handlung mit der Flucht eines Widerstandskämpfers vor den anrückenden deutschen Soldaten über die Dächer der Stadt ein. Über diesen Manfredi (Marcello Pagliero) baut der Film die Brücke zum Priester Don Pietro (Aldo Farbizi) auf, der nun Botendienste für den Widerstand übernimmt, aber auch zum Widerstandskämpfer Marcello (Marcello Pagliero), der unmittelbar davor steht seine Geliebte Pina (Anna Magnani) zu heiraten.
Dieser Gruppe stehen die vom klischeehaft überzeichneten SS-Sturmbannführer Bergmann (Harry Feist) angeführten deutschen Besatzer gegenüber, aber auch italienische Kollaborateure wie der Polizeipräsident von Rom oder Marcellos rauschgiftsüchtige Freundin, die gegen Luxusartikel wie einen Pelzmantel Widerstandskämpfer verrät. Bald werden so Marcello und Manfredi verhaftet....
Tragisch endet "Roma città aperta" zwar, weist mit in Richtung Stadt ziehenden Kindern in der letzten Einstellung aber auch einen Weg in die Zukunft.
Die Stärke von Rossellinis Film liegt im genauen Blick auf Details und im schonungslosen Realismus. Durch die originalen Schauplätze und viele Nebenfiguren evoziert er immer noch sehr dicht die Atmosphäre der Zeit. Einblicke in die patriarchalen Strukturen werden mit einem sein Kind schlagenden Vater ebenso vermittelt wie in bedrückende Lebenswelten auf der einen und den Luxus der als Sängerin arbeitenden Freundin Manfredis auf der anderen Seite.
Geschickt steigert Rossellini auch die emotionale Wirkung durch Kontrastierungen, wenn er beispielsweise einer Folterszene im einen Zimmer eine Abendgesellschaft der Deutschen, bei der Karten und Klavier gespielt und getrunken wird, im benachbarten Zimmer gegenüberstellt. – Wie hier Barbarei und kultiviertes Leben verknüpft werden, wirft auch Fragen nach der Abgründigkeit des menschlichen Charakters auf.
Zum dichten Bild der Zeit kommt eine Handlung, die nicht auf allen Ebenen auserzählt wird, sondern im Stil einer Chronik auf einzelne Episoden fokussiert. So erschütternd Pinas Tod ist, so wenig wird er im Folgenden noch thematisiert, und Marcello verschwindet nach seiner Flucht aus dem Film. Zunehmend verengt sich die Perspektive auf die Schilderung der brutalen Verhörmethoden der SS und die Unbeugsamkeit der Widerstandskämpfer.
In Zeiten der Gefahr lässt Rossellini dabei auch den Kommunisten und den katholischen Priester trotz ihrer ideologischen Gegensätze zusammenspannen. Noch nichts ahnt der Film von dem die Nachkriegszeit prägenden Gegensatz von Democrazia Cristiana und Kommunistischer Partei, der rund 10 Jahre später auch in den Filmen um Don Camillo und Peppone humoristisch gespiegelt wurde.
Schonungslos ist Rossellinis Blick dafür auf den äußeren Feind. Immer noch schwer zu ertragen sind die Folterszenen. Hört man zunächst nur Schreie aus den angrenzenden Zimmern, so wird gegen Ende auch gezeigt, welch brutale Methoden bei den Verhören angewendet werden.
Aber Rossellini macht eben auch mit der Unbeugsamkeit der Verhafteten und dem Blick auf die Kinder am Schluss deutlich, dass der Freiheitswille des Volkes letztlich stärker sein wird als jeder Terror, auf den auch schon der deutsche Offizier Hartmann (Joop van Hulzen) mit Sarkasmus blickt. Dieser macht sich nicht nur über die nationalsozialistische Herrenmenschen-Ideologie lustig, sondern rechnet auch bitter mit den deutschen Eroberungskriegen, die in ganz Europa nur Hass schüren, ab.
An Sprachversionen bieten die bei Film- und Fernsehjuwelen erschienene DVD und Blu-ray die italienische Original- und die deutsche Synchronfassung sowie deutsche und englische Untertitel. Die Extras umfassen neben dem Kinotrailer und Trailer zu weiteren Filmen dieses Labels ein digitales Booklet von Richard Mörchen sowie einen Vergleich von vier Szenen der italienischen Originalfassung mit der deutschen Synchronfassung.
Dazu kommt ein Audiokommentar von Rolf Giesen, der wie gewohnt vielfältige und detaillierte Informationen zum historischen Hintergrund von der Verleihfirma Minerva über die Geschichte des Wanderliedes "Märkische Heide, Märkischer Sand", das am Anfang von deutschen Soldaten gesungen wird, und die historischen Vorbilder für einzelne Charaktere bis zur Geschichte Italiens während der Kriegszeit und zur Filmbegeisterung Mussolinis bietet, aber nie auf das im Film konkret zu Sehende eingeht.
Trailer zu "Rom, offene Stadt"
Comments