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AutorenbildWalter Gasperi

Seize printemps - Frühling in Paris


Die schwärmerische Liebe einer 16-jährigen Pariser Schülerin zu einem rund 20 Jahre älteren Theaterschauspieler inszeniert die gerade mal 20-järhige Susanne Lindon in ihrem Debüt als zarten Liebesfilm, der feinfühlig und unübersehbar von persönlichen Erfahrungen geprägt die Befindlichkeit der Jugendlichen einfängt.


Ganz nah am Gesicht der 16-jährigen Suzanne (Suzanne Lindon) ist die Kamera in der ersten Einstellung, ehe ein Sprung in die Distanz sie als Teil einer Gruppe gleichaltriger Mädchen, die sich in einem Café unterhalten, präsentiert. Doch Suzanne beteiligt sich kaum am Gespräch, trinkt versunken ihren Grenadinesirup mit Limo, packt dann ihren Schulrucksack zusammen und geht.


Wohlbehütet wächst die Jugendliche in einer großen Pariser Altbauwohnung mit ihren Eltern und einer älteren Schwester auf. Ein Poster von "Bambi" in ihrem Zimmer lässt sie noch als Kind erscheinen, später wird aber auch ein Poster von Maurice Pialats "Suzanne – À nos amours" sichtbar. So alt wie Sandrine Bonnaires Figur 1983 bei Pialat war, ist auch diese Suzanne, doch ganz im Gegensatz zu Pialats Film geht es hier eben nicht um sexuelle Erfahrungen.


15 war Suzanne Lindon, die die Tochter der Schauspieler Vincent Lindon und Sandrine Kiberlain ist, als sie begann das Drehbuch zu schreiben. Mit 19 drehte sie schließlich den Film und übernahm auch gleich selbst die Hauptrolle. In jeder Szene spürt man, dass hier ihre persönlichen Erfahrungen eingeflossen sind. Natürlich und echt ist das Spiel Lindons, die in ihrem schmalen Gesicht und ihrer schlaksigen Statur an die junge Charlotte Gainsbourg erinnert.


Viel Raum lässt sie dieser Jugendlichen in langen Einstellungen, fokussiert zunächst ganz auf ihr. Auf Partys langweilt sie sich, statt Alkohol trinkt sie lieber ihre Limo und auch die Jungs ihres Alters interessieren sie nicht. Doch hin und weg ist sie, als sie eines Morgens auf ihrem Weg zur Schule einen rund 20 Jahre älteren Mann vor einem Café frühstücken sieht. Sie beginnt ihn regelrecht zu stalken und entdeckt, dass er Theaterschauspieler ist. Heimlich besucht sie eine Probe und schaut ihn danach auf der Straße so lange an, bis er sie anspricht. Mit der klassischen Frage, ob sie denn Feuer habe, obwohl doch seine Zigarette schon brennt, beginnt eine Beziehung.


Doch Lindon erzählt nun nicht von einer leidenschaftlichen Liebe mit intensiven Küssen und Sex, sondern wunderbar zurückhaltend bleibt "Seize printemps". Man trifft sich zum Frühstück beim Café oder bei einer Theaterfeier in einem Restaurant, doch zu mehr als einem Handkuss, einer Berührung der Hände oder einem Kuss auf den Hals kommt es nicht. Gleichzeitig beschwört Lindon aber den inneren Gleichklang der Jugendlichen und des melancholischen Mittdreißigers, wenn sie zu Antonio Vivaldis "Stabat Mater" in einer mehrminütigen statischen Einstellung - die vielleicht schönste Szene des Films - zunächst im Café in einem synchronen Ballett Hände und Kopf bewegen und dann auch auf der Theaterbühne dazu tanzen.


Nicht folgenlos bleibt diese Begegnung und die Erfahrung dieser schwärmerischen Liebe freilich fürs Suzannes Leben, denn noch gelangweilter und abwesender als bisher sitzt sie nun in der Schule und auch die Eltern, speziell der Vater, erkennen, dass sich ihre Tochter seltsam verhält. Auch hier forciert Lindon aber nichts, bleibt zurückhaltend und lässt auch sanften Humor nicht zu kurz kommen.


Unterstützt wird diese Schilderung des zarten Erwachens einer Jugendlichen auch durch die stimmungsvolle Einbettung ins frühlingshafte Paris, seine Cafés und Straßen sowie das Theater. Wie in die warme Großstadt langsam der Sommer eindringt, so scheint in Suzanne langsam die Erwachsene durchzubrechen.


Mit ihrem feinfühligen Blick auf die Protagonistin und der ruhigen Erzählweise, die jeder Szene Raum zum Atmen und dem Zuschauer Zeit einzutauchen lässt, aber auch mit dem Verzicht auf moderne Medien wie Computer und Smartphones entwickelt "Seize printemps" eine zauberhaft verträumte Stimmung, die auch kongenial nicht nur die Befindlichkeit Suzannes, sondern die der ersten zarten Liebe, ihres Glücks, ebenso wie ihres Schmerzes im Allgemeinen vermittelt.


Ganz anders als das meiste, was man im aktuellen Kino sieht, ist dieser gerade mal 75-minütige Coming-of-Age- und Liebesfilm, der auch auf Wertungen verzichtet, weckt vielmehr mit seiner Frische und Sensibilität Erinnerungen an die Anfänge der Nouvelle Vague in den frühen 1960er Jahre. – Gespannt sein darf man deshalb auch auf weitere Filme der erst 21-jährigen Suzanne Lindon.


Läuft derzeit in den Schweizer Kinos, z.B. im Kinok St. Gallen und im Skino in Schaan


Trailer zu "Seize printemps - Frühling in Paris"


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