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AutorenbildWalter Gasperi

Stand Up My Beauty


Heidi Specogna verknüpft in ihrem Dokumentarfilm das Porträt der äthiopischen Sängerin Nardos Wude Tesfaw, die die Diskriminierung der Frauen anprangert, mit der Schilderung eines Landes zwischen Tradition und Fortschritt.


Lateinamerika und Afrika sind seit gut 30 Jahren die zentralen Themen im Schaffen der Schweizer Dokumentarfilmerin Heidi Specogna. Der uruguayischen Guerillabewegung Tupamaros spürte sie ebenso nach ("Tupamaros", 1996) wie dem Leben des jungen Guatemalteken, der als einer der ersten auf amerikanischer Seite im Irakkrieg 2003 starb ("Das kurze Leben des Antonio Gutierrez", 2006). In "Carte Blanche" (2011) und "Cahier africain" (2013) wiederum fokussierte sie auf der Zentralafrikanischen Republik und den dortigen Kriegsverbrechen.


Im Gegensatz zu diesen schweren Themen ist "Stand Up My Beauty" geradezu ein leichter Film. Eindringlich wird zwar die Diskriminierung der Frau, vor allem die Zwangsverheiratung in Äthiopien angesprochen, doch die Vitalität, die Kraft und Leidenschaft der Stimme der Sängerin Nardos Wude Tesfaw verbreiten doch immer Optimismus und Hoffnung auf einen Wandel.


Nardos singt in einem Club in Addis Abeba in der Azmari-Tradition, die durch eine Art gesungenes Gespräch gekennzeichnet ist, Liebeslieder von anderen, träumt aber davon, eigene Lieder zu schreiben, die zum Nachdenken anregen. Specogna begleitet sie bei ihren Recherchen nach Geschichten von Frauen durch die äthiopische Hauptstadt und aufs Land.


Die Erzählungen, bei denen es immer wieder um Zwangsverheiratung geht, fasst die Dichterin Gennet dabei in Verse. Dringlichkeit gewinnen die Textzeilen dadurch, dass sie Nardos immer wieder probt und mit dem "Erhebe dich, du Schöne" immer wieder aufruft die Vergangenheit hinter sich zu lassen und in die Zukunft zu blicken.


Mit diesem Wandel des Frauenbildes und der Entwicklung eines weiblichen Selbstbewusstseins korrespondiert das Spannungsfeld von Tradition und Moderne und der rasante Wandel Äthiopiens, in den "Stand Up My Beauty" durch Alltagsbeobachtungen auf den Straßen und bei den Reisen von Nardos Einblick bietet.


Eselkarren stehen da neben dichtem Verkehr auf mehrspurigen Stadtstraßen, eine alte Frau trägt auf ihrem Rücken ein übergroßes Holzbündel, während daneben Baumaschinen im Einsatz sind. Auf der einen Seite stehen verfallende Altbauten, auf der anderen Seite moderne Glas- und Betonfassaden. Hinter einem großen Bauprojekt stehen chinesische Investoren, Flächen werden planiert und ein Wald abgeholzt, während auf dem Land wiederum Nardos und ihre Familie von einer bewaffneten Bande zur Zahlung eines Trinkgelds gedrängt werden.


Zusammengehalten wird der Film aber von Nardos. Sie ist das Bindeglied, erzählt auch über ihre Kindheit und bietet Einblick in ihr Familienleben mit einem oft abwesenden Musikerehemann und zwei Kindern.


Specogna selbst hält sich zurück, überlässt den filmischen Raum ganz ihrer Protagonistin und deren Begegnungen, erweist sich aber als genaue und einfühlsame Beobachterin. Während in ihren anderen Filmen meist auch Schuld und Verantwortung der reichen Länder des Nordens thematisiert werden, bleibt dieser Aspekt – abgesehen vom Bild des chinesischen Bauprojekts – außen vor. Ein inneräthiopischer Film ist das, bietet aber gleichwohl mit der stimmigen Mischung der unterschiedlichen Ebenen vielfältige Einblicke. Bruchlos ineinander fließen hier Porträt von Nardos und des Landes sowie Gesangsszenen, die immer wieder gleichzeitig Klagegesang über die Vergangenheit wie hoffnungsvolle Befreiungsbotschaften bringen.


Stand Up My Beauty Schweiz / Deutschland 2021 Regie: Heidi Specogna Dokumentarfilm Länge: 110 min.


Läuft derzeit in den Schweizer Kinos, z.B. im Kinok St. Gallen und im Skino Schaan.


Trailer zu "Stand Up My Beauty"


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