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  • AutorenbildWalter Gasperi

Starke selbstständige Frauen: Meryl Streep wird 75

The Post (Die Verlegerin; Steven Spielberg, 2017)

Sie dominiert nicht die Klatschspalten der Boulevardblätter, sorgt nicht mit ihrem Privatleben für Aufsehen, kann aber auf unübertroffene 21 Oscar-Nominierungen sowie drei gewonnene Oscars verweisen. Am 22. Juni feiert die Ausnahmeschauspielerin ihren 75. Geburtstag.


Mit 21 Oscar-Nominierungen liegt Meryl Streep bei den Schauspieler:innen unangefochten an der Spitze, noch vor Katharine Hepburn und Jack Nicholson mit jeweils 12, gewonnen hat Katharine Hepburn die begehrte Statuette mit vier gegenüber den drei von Streep bislang allerdings öfter. Weit vor allen Schauspieler:innen und Regisseur:innenen liegen bei den Oscar-Nominierungen freilich Walt Disney mit 59, der Filmkomponist John Williams mit 54 und die Kostümbildnerin Edith Head mit 35 Nominierungen.


Zu den klassischen Hollywood-Schönheiten ist die am 22. Juni 1949 in New Jersey geborene Schauspielerin kaum zu zählen. Schwer täte sie sich wohl heute im Filmgeschäft Fuß zu fassen, doch in den späten 1970er Jahren, in denen das New Hollywood mit seinen engagierten Filmen zwar schon wieder vorüber war, aber doch noch nachwirkte, war schauspielerische Präsenz noch wichtiger als das Aussehen.


Die Tochter einer Führungskraft eines Pharmaunternehmens und einer Grafikerin studierte am renommierten Vassar College Drama, schloss ihr Studium mit einem Master of Fine Arts an der Universität Yale ab und begann mit dem Altmeister Fred Zinnemann und New Hollywood-Regisseuren wie Alan J. Pakula, Robert Benton, Mike Nichols und Sidney Pollack ihre Karriere.


Unter der Regie von Zinnemann feierte sie im Frauendrama "Julia" (1977) ihr Leinwanddebüt, schon ein Jahr später folgten für ihre Darstellung der Jüdin Inga Helms-Weiss in der TV-Mini-Serie "Holocaust" ein Emmy und für eine Nebenrolle in Michael Ciminos Vietnam-Film "The Deer Hunter" (1978) ihre erste Oscar-Nominierung. Den ganz großen Durchbruch brachte ein Jahr später Robert Bentons "Kramer vs. Kramer" (1979). Mit fünf Oscars wurde dieses Scheidungsdrama ausgezeichnet, Streep gewann den für die beste weibliche Nebenrolle.


Wie sie hier eine Ehefrau spielte, die aus der Hausfrauen- und Mutterrolle ausbricht und Mann und Kind verlässt, aber nach einer Psychotherapie vehement um das Sorgerecht für ihren inzwischen siebenjährigen Sohn kämpft, so finden sich auch in Streeps folgender Karriere immer wieder reife und komplexe Frauenfiguren, die unabhängig ihren Weg gehen.


In Mike Nichols´ auf Tatsachen beruhendem "Silkwood" (1983) spielte sie die Angestellte einer Plutoniumsaufbereitungsanlage, die hinter einen Skandal in ihrer Firma kommt, in Alan J. Pakulas "Sophie´s Choice" (1982) eine polnische KZ-Überlebende und gewann für ihre Darstellung den Oscar für die beste Hauptrolle. In Sydney Pollacks großem Afrikadrama "Out of Africa" (1985) brillierte sie ebenso wie in Karel Reisz "The French Lieutenant´s Woman" (1981).


Spielte sie bei Pollack die Dänin Karen Blixen, die 1913 mit ihrem Mann nach Kenia auswandert und dort nicht nur eine Kaffeeplantage führt, sondern auch die große Liebe ihres Lebens findet, so verwickelt sie Karel Reisz in eine romantische Liebe im viktorianischen England.


Groß aufspielen als romantisch Liebende konnte sie auch in Clint Eastwoods "The Bridges of Madison County" (1995), ihre Wandlungsfähigkeit stellte sie aber auch mit Komödien wie "She-Devil" (1989) und "Death Becomes Her" (1992) unter Beweis und mit Curtis Hansons "The River Wild" (1994) findet sich auch ein Actionfilm in ihrer Filmographie.


Sah man andere Schauspielerinnen ihrer Generation wie Sally Field, Sissy Spacek oder Diane Keaton in den letzten Jahrzehnten kaum mehr in großen Rollen, so entwickelte sich Meryl Streep entsprechend ihres Alters weiter, spielte in Gavin Hoods "Rendition" (2007) eine eiskalte CIA-Chefin, in Robert Redfords "Lions for Lambs" (2007) eine hartnäckige Journalistin und in John Patrick Shanleys "Doubt" (2008) eine erzkonservative Nonne, die einen fortschrittlichen Priester verleumdet.


Wie als Ausgleich zu diesen ernsten und schwergewichtigen Rollen wirken ihre genüsslich gespielte zickige Chefredakteurin einer Mode-Zeitschrift in David Frankels "The Devil Wears Prada" (2006) oder ihr Auftritt in der Musicalverfilmung "Mamma Mia!" (2008).


Fast ganz auf Kinofilme beschränkt sich die Karriere der 75-Jährigen. Auf ihren Auftritt in "Holocaust" am Beginn ihrer Karriere folgten über Jahrzehnte nur noch zwei Fernsehrollen ("…First Do No Harm", 1997; "Angels in America", 2003) und auch auf die Theaterbühne kehrte sie nach fast 20 Jahren Abstinenz erst 2001 wieder zurück. Unter der Regie von Mike Nichols spielte sie in einem All-Star-Team in Tschechows "Die Möwe" und 2006 spielte sie die Titelrolle in der englischen Fassung von Bertolt Brechts "Mutter Courage und ihre Kinder".


Während andere Stars mehr durch ihr Privatleben als durch ihre Arbeit für Schlagzeilen sorgen, ist bei Streep, die sich nach 45 Ehejahren in den 2010er Jahren von dem Bildhauer Don Gummer trennte, nur wenig darüber bekannt. Dafür sorgt sie weiterhin mit ihren Rollen dafür, dass sie im Gespräch bleibt.


2012 erhielt sie ihren dritten Oscar für ihre Verkörperung von Margaret Thatcher in Phyllida Lloyds "The Iron Lady" (2011), politisch hat sie aber wenig mit der britischen Premierministerin gemein, sondern steht für das liberale Amerika. Filmisch verlieh sie dieser Position in Steven Spielbergs "The Post" ("Die Verlegerin", 2017) Ausdruck, in der sie die Herausgeberin der Washington Post spielt, die sich für die Veröffentlichung von Dokumenten, die für die US-Regierung brisant sind, entscheidet.


Aber nicht nur mit ihrer Verkörperung einer Kämpferin fürs Frauenwahlrecht im England des frühen 20. Jahrhunderts in Sarah Gavrons "Suffragette" (2015) zeigte sie Engagement, sondern bezog auch im realen Leben klar Stellung, als sie im US-Wahlkampf 2016 Hillary Clinton unterstützte und sich mit Donald Trump anlegte.  


Doch trotz ihres politischen Engagements unter anderem für die Abrüstung, Aids-Hilfe, Umweltschutz und die Gleichberechtigung von Frauen in der Filmindustrie übernahm sie auch immer wieder leichtgewichtigere Rollen. Mit Leidenschaft spielte sie so in Stephen Frears "Florence Foster Jenkins" (2016) eine Millionärin, die von einer Karriere als Opernsängerin träumt, aber keinen Ton trifft, oder in Jonathan Demmes "Ricki and the Flash" (2016) eine alternde Rock-Sängerin, die sich mit ihrer Familie, die sie einst wegen ihrer Karriere verlassen hat, wieder versöhnen will.


Auf der Kinoleinwand konnte man sie zuletzt in Adam McKays Satire "Don´t Look Up" (2021) in der Rolle einer US-Präsidentin sehen. Danach spielte sie in mehreren Folgen der TV-Serie "Only Murders in the Building" (2020 – 2023), doch zu hoffen ist dass man die dreifache Oscar-Gewinnerin, die vor einem Monat bei den Filmfestspielen in Cannes mit der Goldenen Ehrenpalme ausgezeichnet wurde, auch bald wieder im Kino bewundern kann – vielleicht in "Mamma Mia 3".



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