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AutorenbildWalter Gasperi

Streaming: Duell mit dem Tod


Im Rahmen der Retrospektive "Die Stunde Null" bietet das Filmarchiv Austria auch Paul Mays Gerichtsfilm zum kostenlosen Streaming an. Darin wird einerseits das Terrorsystem des Nationalsozialismus angeprangert, aber mehr noch daran erinnert, dass es in Deutschland und Österreich auch Widerstand dagegen gab.


In 24 Programmen wollte das Filmarchiv Austria unter dem Titel "Die Stunde Null" eine Auswahl an Lang- und Kurzfilmen präsentieren, die im Zeitraum von 1945 bis 1951 entstanden sind. Aufgrund der Beschränkungen infolge der Corona-Pandemie ist eine öffentliche Vorführung derzeit aber nicht möglich, ein Teil dieser Filme, darunter auch Paul Mays 1949 entstandener Gerichtsfilm "Duell mit dem Tod" wird aber kostenlos zum Streaming (bis 23.4.) angeboten.


Ansatzlos führt der Film ins Wiener Büro der amerikanischen Militärpolizei, in dem eine Frau berichtet, dass sie einen Kriegsverbrecher entdeckt habe, der nun unter falschem Namen in Wien lebt. Dr. Romberg entzieht sich der Verhaftung nicht, die Aussagen der Zeugen, die von Rückblenden unterstützt werden, belasten ihn schwer. Er zieht diese Darstellung auch nicht in Zweifel, erzählt aber nun aus seiner Perspektive, aus der sich ein ganz anderes Bild ergibt.


Was zunächst wie ein Gerichtsfilm über einen Kriegsverbrecher aussieht, wandelt sich so langsam zu einer detaillierten Schilderung des nationalsozialistischen Terrors, in dem stets der Zugriff durch die Gestapo droht, aber auch zu einer dramatischen Köpenickiade, durch die Menschenleben gerettet und das Regime bekämpft werden soll. Gleichzeitig ist das damit aber auch ein Film darüber, wie der Schein trügen kann und wie durch begrenzte Information ein falsches Bild entstehen kann.


Stringent und ohne Schnörkel hat Paul May diese Geschichte packend inszeniert. Spürbar ist zwar in der Dominanz von Großaufnahmen das begrenzte Budget, doch die dichte Entwicklung der Handlung hilft locker darüber hinweg. Zwiespältigen Eindruck hinterlässt freilich das Finale, in dem explizit und überdeutlich betont wird, dass mit dem Film daran erinnert werden soll, dass es auch Widerstand gegen das NS-Regime gab. Wichtig ist es May und Georg Wilhelm Pabst, die zusammen das Drehbuch schrieben, dabei sichtlich auch aufzuzeigen, dass sich die Bandbreite dieser Widerstandskämpfer durch alle Schichten vom Tischler bis zum Professor zog und mit einem Priester der katholischen Kirche eine entschieden antinationalsozialistische Position zugewiesen wird.


Unbestritten ist, dass es Widerstand gegen das NS-Regime gab, aber mit dieser Darstellung. bei der die Täter kaum individuelles Profil gewinnen und quasi anonymisiert werden, wird auch eine Opferrolle vorbereitet, in der sich Österreich bis in die späten 1980er Jahre sah. Abgelenkt wird damit von der Schuld Deutschlands und Österreichs und von den vielen Tätern vom steirischen "Schlächter von Vilnius" Franz Murer bis zum Euthanasie-Arzt Heinrich Gross, die nach dem Zweiten Weltkrieg unbehelligt ein Leben als angesehene Bürger führten.


Andererseits ist "Duell mit dem Tod" aber doch auch einer der wenigen Filme, die in der unmittelbaren Nachkriegszeit den Schrecken der NS-Herrschaft schonungslos und ehrlich thematisierten und nicht mit leichter und realitätsferner Unterhaltung davon ablenkten und diese dunkle Zeit verdrängten.


Streaming von "Duell mit dem Tod"



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