In den 1950er Jahren gelang neben Japan auch Indien der Sprung auf die Weltkarte des Kinos. Zentrale Figur war dabei Satyajit Ray, der mit der "Apu-Trilogie" ein zeitloses Meisterwerk der Filmgeschichte schuf. Der zweite Teil, der von Apus Coming-of-Age erzählt, kann bei filmingo gestreamt werden.
Nachdem in den frühen 1950er Jahren mit Akira Kurosawa, Kenji Mizoguchi und Yasujro Ozu das japanische Filmschaffen im Westen entdeckt worden war und auf Festivals Triumphe gefeiert hatte, folgte wenig später mit Satyajit Rays "Apu-Trilogie" das indische Kino.
Nach der Schilderung der Kindheit Apus auf dem Land in Bengalen im ersten Teil, dessen Kenntnis der zweite Teil nicht voraussetzt, setzt "Aparajito - Der Unbesiegbare" mit einer Zugfahrt der Familie über den Ganges in die heilige Stadt Benares ein. Unübersehbar steht dieses Überqueren des Flusses, das noch mehrfach wiederholt wird, auch für eine persönliche Grenzüberschreitung und den Eintritt in eine neue Phase in Apus Leben.
In Benares arbeitet Apus Vater als Priester am Tempel, erkrankt aber bald und stirbt. So folgt die Mutter mit Apu einem Verwandten, der ebenfalls Priester ist, aufs Land. Auch Apu soll Priester werden, doch dieser will zur Schule gehen, begeistert sich für Naturwissenschaften und erhält aufgrund seiner Begabung schließlich ein Stipendium für ein Studium in Calcutta. Obwohl die Mutter ihn drängt, bei ihr zu bleiben, bricht Apu in die Stadt auf.
Nichts mit den melodramatischen Bollywood-Filmen, die das Publikum in eine Traumwelt entführen, hat das Kino Satyajit Rays gemein, sondern orientiert sich am italienischen Neorealismus. Die Assistenz bei Jean Renoirs in Indien gedrehtem Spielfilm "The River" prägte Ray, der sich sein Filmwissen vorwiegend autodidaktisch erwarb, ebenso wie die Begegnung mit den italienischen Meisterwerken. Vor allem Vittorio De Sicas "Ladri di biciclette" beeinflusste ihn, sah er doch eine Parallele zwischen den dort geschilderten prekären Verhältnissen im Nachkriegsitalien und der Lage der einfachen Bevölkerung in Indien.
Bestechend bettet er die individuelle Geschichte in die sozialen Verhältnisse ein, genau ist sein Blick auf das alltägliche Leben, auf Augenhöhe mit den Protagonisten ist der Film. Statt zu werten und zu verurteilen, beschränkt sich Ray auf die einfühlsame Begleitung der Protagonisten, arbeitet dabei aber auch das Spannungsfeld zwischen ländlichem Indien und Großstadt sowie zwischen vor allem von der Religion bestimmten Traditionen und einer modernen Welt der Wissenschaften und Technik heraus.
Auf Dramatisierung verzichtet der 1992 verstorbene Filmemacher dabei weitgehend, erzählt ruhig und langsam. Große Poesie entwickeln die starken Schwarzweißbilder, aber dennoch wird nichts beschönigt. Die Not wird aber auch nicht besonders betont und ausgestellt, sondern wird als alltägliche Realität geschildert. Unprätentiös und einfach ist im Grunde die Erzählweise, episodisch werden Erfahrungen und Schicksalsschläge aneinandergereiht, aber gerade durch diese Einfachheit entwickelt "Aparajito" große Authentizität und einen tiefen und bewegenden Humanismus.
Trailer zur "Apu-Trilogie"
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