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AutorenbildWalter Gasperi

Streaming: Songs My Brothers Taught Me


Wie in ihrem für sechs Oscars nominierten "Nomadland" fokussiert Chloé Zhao auch in ihrem 2015 entstandenen Debüt mit den Lakota im Pine Ridge Reservat auf den Rändern der US-Gesellschaft und verbindet souverän quasidokumentarische Schilderung mit loser Spielfilmhandlung. – Das unaufgeregte, durch Natürlichkeit und Poesie bestechende Drama kann bei mubi.com exklusiv gestreamt werden.


Schon vor 13 Jahren widmete sich die Schweizerin Fanny Bräuning in ihrem Dokumentarfilm "No More Smoke Signals" nicht nur dem Radio-Sender des Pine Ridge Reservats, sondern auch dem alltäglichen Leben der Lakota, deckte prekäre Verhältnisse auf und rief auch das Massaker von Wounded Knee in Erinnerung.


Auch Chloé Zhao wählte für ihr Debüt diese von weiter Prärie und den wüstenhaften Black Hills bestimmte Gegend in South Dakota und kehrte zwei Jahre später für ihren zweiter Spielfilm "The Rider", mit dem sie 2017 den internationalen Durchbruch schaffte, hierher zurück. Beide Filme verbindet auch die Arbeit mit ortsansässigen Laien, die zusammen mit dem genauen, aber unaufdringlichen Blick für die Menschen und ihre Lebensbedingungen und der ruhigen, auf jede Dramatisierung verzichtenden Erzählweise für große Natürlichkeit und Echtheit sorgen. Lange bleibt so bei "Songs My Brothers Taught Me" offen, ob das denn nun ein Spielfilm oder ein Dokumentarfilm ist, denn Zhao presst keine Handlung hinein, lässt ihren Protagonist*innen viel Raum und Zeit und beschränkt sich darauf sie ruhig zu beobachten.


Wenn der etwa 17-jährige Johnny Winters (John Reddy) über das Zureiten von Wildpferden spricht, die man nicht brechen dürfe, sondern denen man etwas von ihrer Wildheit und ihrem Charakter lassen müsse, damit sie überleben können, beschreibt das einerseits auch den Inszenierungsstil Zhaos, andererseits auch ihre Ansicht von den Lakota. Denn auch dieser Johnny wirkt ein bisschen wie ein wildes Pferd. Mit dem illegalen Verkauf von Alkohol im Reservat versucht er seine Familie zu unterstützen und zudem Geld zu verdienen, um mit seiner Freundin Aurelia, die in L.A. studieren will, so schnell wie möglich seine Heimat zu verlassen, doch klare Lebenspläne scheint er keine zu haben.


Johnny, seine elfjährige Schwester Jashaun (Jashaun St. John) und ihre Mutter Lisa (Irene Bedard) sind das Herz von "Songs My Brothers Taught Me". Über die Aktivitäten der Geschwister bietet Zhao unaufdringlich einen präzisen Einblick in die prekären Lebensbedingungen der Lakota. Sichtbar werden der weit verbreitete Alkoholismus und die hohe Arbeitslosigkeit ebenso wie in einer Schulstunde, in der der Lehrer die High-School-Absolvent*innen nach Berufsplänen fragt, die Perspektivlosigkeit. Nur wenige – vor allem Mädchen – haben nämlich konkrete Ziele, die Jungs nennen dagegen mehrfach Bullen zureiten als Berufswunsch, was wieder die Verbindung zu den Rodeoreitern von "The Rider" herstellt.


Dazu kommen mit Johnnys und Jashauns im Gefängnis sitzendem älterem Bruder Kriminalität und mit Protestmärschen die allgemeine Unzufriedenheit der Indigenen. So weitet sich dieses von rauer Poesie durchzogene Debüt von einer Coming-of-Age- und Bruder-Schwester-Geschichte zu einem Porträt der Welt der Lakota-Indianer.


Das Wunder dabei freilich ist, wie Zhao dem Zuschauer nichts aufdrängt, sondern mit großer Zurückhaltung erzählt, gleichzeitig aber mit großer Empathie auf ihre vom Leben benachteiligten Protagonist*innen blickt. Ohne zu dramatisieren zeigt die in China geborene und in England und den USA aufgewachsene 39-jährige Regisseurin an diesem Geschwisterpaar bewegend auf, wie in diesem Umfeld einzig ihre Beziehung einen Absturz in Alkoholismus verhindert.


Ganz unaufdringlich erzählt so Zhao auch von der elementaren Bedeutung (familiärer) Bindungen und bietet gleichzeitig wunderbar ungeschminktes, mehr gefundenes als erfundenes sozialrealistisches Kino, das nie zur wütenden Anklage wird, sondern seine Kraft gerade aus der unaufgeregten Schilderung und seinen starken, aber nie kitschigen Bildern (Kamera: Joshua James Richards) dieser bildschönen, aber auch sehr rauen und windigen Gegend entwickelt.


Streaming auf www.mubi.com (mit deutschen Untertiteln)


Trailer zu "Songs My Brothers Taught Me"




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