Einem Paar wird von einem religiösen Führer prophezeit, dass der neugeborene Sohn mit 20 Jahren sterben wird. An der privaten Geschichte erzählt der Sudanese Amjad Abu Alala in seinem bildstarken und mehrfach preisgekrönten Spielfilmdebüt universell von der Einengung und Lähmung eines Lebens durch blinden und bedingungslosen Glauben an religiöse Regeln.
60 Kinosäle und ein lebendiges Dokumentarfilmschaffen gab es im Sudan, ehe die Islamisten unter Omar al-Bashir 1993 die Macht an sich rissen. Kinovorführungen waren von da an bis zum Sturz des Regimes im April 2019 verboten. Seither blüht das Filmschaffen langsam wieder auf.
Den Opfern der Sudanesischen Revolution hat Amjad Abu Alala seinen ersten Spielfilm gewidmet, der auf den ersten Blick ganz unpolitisch wirkt, im Kern aber an einer einfachen Coming-of-Age-Geschichte bestechend klar das Spannungsfeld von religiösen Zwängen, die den Menschen einengen und lähmen auf der einen Seite und einem befreiten und lustvollen Leben auf der anderen verhandelt.
Ganz auf ein kleines Dorf in der prächtigen Flusslandschaft zwischen Weißem und Blauem Nil beschränkt sich Alala. Hier wollen Sakina und ihr Mann Alnour ihren neugeborenen Sohn Muzamil von einem religiösen Führer segnen lassen. Als aber dabei einer der tanzenden Derwische bei der Zahl 20 in Trance fällt, erklärt der Sufi-Sheikh, dass Muzamil mit 20 sterben wird und Gottes Wille unausweichlich sei.
Weil der Vater mit dieser Prophezeiung nicht leben kann, verlässt er Frau und Sohn, um in anderen afrikanischen Ländern Arbeit zu suchen und wird erst nach 20 Jahren zurückkehren. Das Leben Muzamils und seiner Mutter wird dagegen ganz von der drohenden Zukunft überschattet.
Mit einem Schnitt überspringt Alala mehrere Jahre, zeigt wie der jetzt Achtjährige von den anderen Dorfkindern ausgegrenzt und gemobbt wird, die Mutter schon in Erwartung des Todes stets schwarz trägt und ihr Haus durch eine hohe Lehmmauer von der Umwelt abgeschottet wird. Aber auch eine erste Freundin findet Muzamil in Naima.
Mit einem weiteren Schnitt springt Alala ins Jugendalter Muzamils, in dem der Junge in die Koranschule aufgenommen wird, die religiösen Vorschriften ihn noch stärker zu prägen beginnen und er das Werben Naimas, obwohl er Gefühle für sie hegt, aus religiösen Gründen zurückweist.
Voll ausgeprägt werden die Gegensätze und die Folgen der religiösen Verbohrtheit, als Muzamil kurz vor seinem 20. Geburtstag steht. Im Kontakt mit dem alten Suleiman, der als Kameramann die Welt bereiste, ihm Filme zeigt und ihn auffordert das Heimatdorf zu verlassen und wenigstens einmal die Hauptstadt Khartum zu besuchen, gerät die Welt des jungen Mannes langsam ins Wanken. Zudem erschüttert ihn der Umstand, dass er Naima zurückgewiesen hat und sie nun mit einem anderen Mann verheiratet wird.
Nicht nur die lange verdrängte Sexualität bricht so schließlich durch, sondern auch die Lähmung und Erstarrung durchbricht Muzamil. An die ruhigen statischen Einstellungen, die „You Will Die at 20“ prägen, tritt am Ende eine bewegte Handkamera, die den Auf- und Ausbruch des jungen Mannes vermittelt. Ob dieser allerdings gelingen wird, lässt das Ende offen.
Geradlinig und ruhig erzählt Alala diese Geschichte, drängt dem Zuschauer den politischen Gehalt nicht auf, sondern beschränkt sich auf genaue Beobachtung. Geduldig schildert der 37-jährige Sudanese das Dorfleben, sorgt mit kräftigen Farben und einem beeindruckenden Spiel mit Licht und Schatten, durch das die Bilder teilweise wie Gemälde wirken, für optischen Genuss und besticht mit stilsicherer Inszenierung.
Zurecht wurde "You Will Die at 20" nicht nur beim Filmfestival von Venedig als bestes Debüt mit dem Leone del futuro für das beste Debüt, sondern auch vor kurzem beim Filmfestival von Fribourg mit dem Hauptpreis ausgezeichnet. Gespannt sein darf man nicht nur auf die weitere Karriere von Amjad Abu Alala, sondern auch auf weitere Filme aus dem weitgehend unbekannten nordostafrikanischen Land.
Trailer zu "You Will Die at 20"
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