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AutorenbildWalter Gasperi

Swan Song


Großes Solo für Udo Kier: Der legendäre deutsche (Neben)darsteller brilliert als gealterter Friseur, der aus dem Seniorenheim, abhaut um eine verstorbene Kundin für die Beerdigung schön zu machen. - Eine warmherzige Tragikomödie, die auch bewegend von Verlust, Tod und dem Verschwinden kleinstädtischer Kultur erzählt.


In über 250 Film- und Fernsehproduktionen hat der 1944 geborene Udo Kier mitgewirkt. Regelmäßig arbeitet er in Hollywood, spielte in Alexander Paynes "Downsizing" ebenso wie in S. Craig Zahlers beinhartem Thriller "Dragged Across Concrete" oder 2007 in einem "Halloween"-Sequel. Im "Tatort" kann man ihn ebenso sehen wie in zahlreichen Filmen von Lars von Trier, Werner Herzog, Gus Van Sant und Fatih Akin. Aber auch für Trash wie den finnischen Science-Fiction-Film "Iron Sky" ist sich der gebürtige Kölner nicht zu schade.


Nebenrollen spielt Kier dabei (fast) immer, "Swan Song" wirkt aber wie auf seinen Star zugeschnitten, auch wenn Todd Stephens beim Schreiben des Drehbuchs an Gene Wilder als Hauptdarsteller dachte. In jeder Szene ist der 78-jährige Deutsche präsent, hält diese bittersüße Tragikomödie zusammen und spielt sichtlich mit großem Vergnügen den früheren Friseur Pat Pitsenbarger.


Inspirieren ließ sich Stephens dabei von autobiographischen Erfahrungen, denn Pitsenbarger gab es tatsächlich, war Friseur in Stephens´ Heimatstadt Sandusky, Ohio und half als Wegbereiter in der schwulen Community der konservativen Kleinstadt mit seinen extravaganten Auftritten auch dem Regisseur bei seinem Coming-Out.


Nicht nur diesem 2012 verstorbenen Idol setzt Stephens mit diesem Film, mit dem er seine mit "Edge of Seventeen" und "Gypsy 83" begonnene "Sandusky"-Trilogie abschließt, aber ein Denkmal, sondern auch seiner Heimatstadt und reflektiert wehmütig über deren Wandel und das Verschwinden des Alten.


Von einem großen Comeback als Drag Performer träumt Pitsenbarger, muss aber beim Erwachen feststellen, dass er doch weiterhin im Seniorenheim sitzt, in das er vor Jahren nach einem Schlaganfall eingeliefert wurde. Prägnant zeichnet Stephens ein Bild dieses monotonen und freudlosen Lebens mit genau geregelten Essenszeiten, Rauchverbot und dem Falten von Servietten als einziger Beschäftigung.


Doch dann meldet sich ein Anwalt mit dem Testament von Pitzenbargers verstorbener ehemaliger Kundin Rita Parker Sloane. Mit ihr hat der Friseur zwar gebrochen, weil sie nicht zum Begräbnis seines Lebenspartners gekommen ist, nun bietet sie ihm aber 25.000 Dollar, wenn er die Leiche für die Beerdigung schminkt und frisiert.


Nach erstem Zögern entschließt sich Pitsenbarger doch den Auftrag anzunehmen. Er macht sich aus dem Seniorenheim davon und streift auf der Suche nach der passenden Kleidung und den nötigen Kosmetikartikeln durch Sandusky. So wird "Swan Song" auch zu einer Reise in die Vergangenheit des Protagonisten. Wenn er das Grab des an AIDS verstorbenen Geliebten besucht, wird seine nie überwundene Trauer spürbar, ihr früheres gemeinsames Haus wurde abgerissen, denn mangels Testaments des Partners erbte alles der Neffe.

Beiläufig erzählt Stephens so auch von der Benachteiligung gleichgeschlechtlicher Paare und lässt Pitsenbarger in Gedanken einem ebenfalls verstorbenen Freund begegnen. Gleichzeitig erinnert "Swan Song" in den Streifzügen durch Sandusky auch wehmütig an den Wandel der Kleinstadt und das Verschwinden ihrer alten Kultur. Die Handarbeit, auf die er so stolz ist, gibt es kaum mehr, statt seines einst berühmten Frisiersalons gibt es nun ein Beauty-Studio und auch in der Schwulenbar, in der er einst auftrat, steht die letzte Vorstellung an.


Ein Vergnügen ist es einfach Kier bei dieser Reise durch die Kleinstadt zuzusehen. Er genießt es sichtlich sich als "Liberace von Sandusky" riesige Ringe an die Finger zu stecken, einen hellgrünen Hosenanzug anzuziehen, mit einem elektrischen Rollstuhl den Verkehr aufzuhalten oder sich bei einem herrlichen Drag-Auftritt einen Kronleuchter aufzusetzen.


So sehr Kier "Swan Song" aber auch den Stempel aufdrückt und ihn trägt, so sehr sollte man doch auch die Kurzauftritte anderer Legenden nicht übersehen. Linda Evans, die in den 1980er Jahren als "Biest" in der TV-Serie "Denver Clan" berühmt wurde, erscheint hier als verstorbene Rita Parker Sloan ebenso wie die aus der "American-Pie"-Filmreihe bekannte Jennifer Coolidge als Besitzerin eines Schönheitssalons.


Bestens passt die Wahl dieser fast vergessenen Schauspieler zum Bedauern über das Verschwinden des Alten. Doch geht es auch um Verlust und Tod, so bleibt "Swan Song" dank des mitreißenden Spiels Kiers und des warmherzig-liebevollen Blicks des Regisseurs doch ein sehr witziger und positiver Film, der Lebensfreude verbreiten und zu einem befreiten Leben anregen will.


Swan Song USA 2021 Regie: Todd Stephens mit: Udo Kier, Jennifer Coolidge, Linda Evans, Michael Urie, Roshon Thomas, Ira Hawkins, Annie Kitral Länge: 105 min.


Läuft derzeit in den Schweizer Kinos, z.B. im Kinok St. Gallen und im Skino Schaan.


Trailer zu "Swan Song"




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