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AutorenbildWalter Gasperi

Tanz der Vampire

Ein zerstreuter Professor will mit seinem Gehilfen in den Südkarpaten das Geheimnis der Vampire lüften. – Bei Plaion Pictures ist Roman Polanskis zwischen Witz und sanftem Schauer pendelnde, stilvolle Hommage an den Vampirfilm in einem Mediabook auf Blu-ray und DVD erschienen.


Passend zu den Swinging Sixties in London wandte sich Roman Polanski nach den beklemmenden Psychothrillern "Ekel" (1965) und "Wenn Kattelbach kommt …" (1966) mit seinem Drehbuchautor Gérard Brach einem leichteren Stoff zu. Angeregt von den britischen Dracula-Filmen der 1950er Jahre begann das Duo an der Arbeit an einer Hommage an den Vampirfilm, mit der aber gleichzeitig dieses Subgenre des Horrorfilms weitergeschrieben werden sollte.


Dass Witz hier auf keinen Fall zu kurz kommt, macht schon der Einstieg klar, wenn der berühmte MGM-Löwe in einen kleinen grünen Vampir übergeht. Märchenhaft wirkt auch die in den Südkarpaten gelegene Schneelandschaft, durch die die Pferdekutsche mit Professor Abronsius (Jack McGowran) und seinem Gehilfen Alfred (Roman Polanski) bei Vollmond rast. Sorgt ein die Kutsche verfolgendes Wolfsrudel für Spannung, so geht diese in Witz über, wenn Abronsius bei der Ankunft im Landgasthaus steif gefroren wie ein Brett ist und langsam aufgetaut werden muss.


Prall gezeichnet sind die einfachen Gäste und die Betreiber dieser Schenke. Während der Wirt (Alfie Bass) hinter seiner hübschen Bedienung her ist, verliebt sich Alfred auf Anhieb in die Wirtstochter Sara (Sharon Tate). Knoblauchstränge wecken bei Abronsius aber den Verdacht, dass Vampire nicht weit sind und tatsächlich wird Sara abends in der Badewanne von Graf von Krolock (Ferdy Mayne) heimgesucht und entführt. Als der verzweifelte Vater versucht sie zurückzuholen, wird er wenig später steifgefroren und mit Vampirbissen gefunden.


So brechen Abronsius und Alfred ins nahe Schloss auf, von dem die Dorfbevölkerung zunächst nichts wissen wollte. Dort wollen sie einerseits Sara finden, andererseits mit Kruzifix und Pflock die Vampire unschädlich machen. Sie treffen dabei aber nicht nur auf Graf von Krolock, sondern auch auf dessen homosexuellen Sohn Herbert (Iain Quarrier), der sich sogleich an Alfred heranmacht, einen buckligen Helfer (Terry Downes) und den inzwischen zum Vampir mutierten Wirt.


Lustvoll spielt Polanski mit den Vorbildern und mischt sicher Witz mit Spannung. Die ausgeprägte Farbdramaturgie mit kräftigen roten Kleidern und Blut, das sich von dunkler Nacht und weißem Schnee abheben, orientiert sich unübersehbar an den Vampirfilmen des britischen Hammer Studios. Während der Name Graf von Krolock ein Spiel mit dem des Grafen Orlock in Murnaus "Nosferatu" ist, kann dessen Darsteller Ferdy Mayne Erinnerungen an Dracula-Darsteller Christopher Lee wecken.


Professor Abronsius erinnert dagegen vom Aussehen her wohl nicht zufällig an Albert Einstein als dem prototypischen Wissenschaftler, während der Name des Wirts Shagal wohl Assoziationen an den Maler Marc Chagall wecken soll.


So selbstverständlich diese Verweise aber in die Handlung integriert sind, so bruchlos funktionieren auch die Variationen der Vorbilder. Da gibt es mit dem Wirt beispielsweise einen jüdischen Vampir, der verständlicherweise vor einem Kruzifix nicht zurückschreckt (eine Pointe, die in der deutschen Synchronfassung beseitigt wurde), und an die Stelle der Geliebten des Vampirs tritt sein lüsterner homosexueller Sohn.


Bestechend lassen Polanski und Kameramann Douglas Slocombe auch durch die Ausstattung von Wilfrid Shingleton und die Kostüme von Sophie Devine in diese ebenso märchenhafte wie archaische Welt eintauchen. Doch trotz der großzügigen Unterhaltung, die geboten wird, kann man "Tanz der Vampire" durchaus auch gesellschaftskritisch lesen.


So kann man im Aussaugen der Bauern durch den aristokratischen Vampir Kritik an Klassenverhältnissen lesen, die auch darin zum Ausdruck kommt, dass der in einen Vampir verwandelte Wirt nicht in einem Sarg in der Gruft des Schlosses schlafen darf, sondern mit einem Platz im Pferdestall vorlieb nehmen muss. Dazu kommt Wissenschaftskritik, wenn gerade der Vampirjäger Abronsius, der das Böse auslöschen wollte, letztlich dafür sorgen wird, dass sich die Vampire und damit das Böse über die ganze Welt verbreiten.


In den vielen engen Räumen, aus denen die Protagonist:innen durch enge Fenster und Dachluken zu entkommen versuchen, kann man aber auch – wie in vielen Filmen des gebürtigen Polen Polanski - eine indirekte Verarbeitung seiner eigenen klaustrophobischen Erfahrungen als Kind im Krakauer Ghetto lesen. – Für einmal bleibt dieser beklemmende Subtext aber ganz im Hintergrund und im Vordergrund steht ein Film, der ausgesprochen stilvolle und zeitlose Unterhaltung bietet und nicht nur zum Kultfilm avancierte, sondern 1997 auch den Sprung auf die Musicalbühnen schaffte.


An Sprachversionen bieten die bei Plaion Pictures in einem Mediabook erschienene DVD und Blu-ray die englische Original- und die deutsche Synchronfassung sowie englische und deutsche Untertitel. Als Extras werden ein 25-minütiges Interview mit Roman Polanski angeboten, in dem der Oscarpreisträger ausführlich über die Entstehung des Films spricht, sowie ein siebenminütiges Interview mit dem Produzenten Gene Gutowski. Diese sind ebenso deutsch untertitelt wie ein Featurette, in dem witzig vom Wesen der Vampire und deren Bekämpfung erzählt wird, sowie ein alternativer animierter Vorspann mit ähnlichem Inhalt.


Dazu kommen das – ebenfalls deutsch untertitelte – zehnminütige schwarzweiße Featurette "All Eyes on Sharon Tate", das den Aufstieg des amerikanischen Jungstars während der Dreharbeiten für den Horrorfilm "Die schwarze 13" begleitet, sowie die – arg zerkratzte – 16mm Fassung der vom Produzenten um fast 30 Minuten gekürzte US-Version. Wie gewohnt fehlen aber auch eine Bildergalerie sowie der englische und der US-Trailer nicht.


Trailer zu "Tanz der Vampire"



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