Wie ein Paradies wirkt die in Florida gelegene, schnell wachsende Rentnersiedlung "The Villages" auf den ersten Blick, doch sukzessive deckt Valerie Blankenbyl in ihrem Dokumentarfilm die negativen Aspekte dieser Gated Community auf.
Schon das erste Bild mit dem Blick in einen strahlend blauen Himmel und Meeresrauschen weckt Urlaubsstimmung. Sofort spürt man, dass Florida zurecht als Sunshine State gilt und nicht verwundern kann es, dass dies ein Rentnerparadies ist.
Ein Insert informiert, dass "The Villages" mit 150.000 Bewohner*innen inzwischen die größte Rentnersiedlung der Welt ist. Mit 142 km² ist die Anlage fast doppelt so groß wie Manhattan und für die kommenden Jahre ist nochmals eine Expansion auf die doppelte Fläche geplant. 54 Golfplätze und 96 Swimming-Pools gibt es hier, zu den 3000 Freizeitaktivitäten, die angeboten werden, zählen auch Bauchtanz und Synchronschwimmen.
Die Bewohner*innen sprechen euphorisch über dieses Leben, sind sie doch mit Pensionsantritt damit dem kalten Norden entkommen. Nichts mit einem Altersheim, in dem man aufs Sterben warte, habe ihr Dasein zu tun, sondern sei von ständiger Aktivität geprägt. Gleichzeitig fühle man sich nie alt, da ja alle Mitbewohner*innen in etwa gleich alt seien und niemand jünger als 55 sei.
Spätestens bei dieser Feststellung kippt das Bild der Idylle in die Dystopie einer völlig künstlichen Welt. Verstärkt wird dies durch Drohnenaufnahmen von den endlosen uniformen Reihenhäusern, bald aber auch von Schranken, durch die sich die Community abschottet. – Wie in der blitzblanken TV-Kulissenstadt in Peter Weirs "Truman Show" fühlt man sich hier.
Während die Bewohner*innen immer wieder die Vorzüge dieses Lebens betonen, bringt der Blick außerhalb lebender Locals eine andere Perspektive ins Spiel. Da legt eine Journalistin dar, wie in dieser Blase mit eigener Zeitung und eigenem Fernsehen die Bewohner*innen gesteuert werden. Der Vergleich mit einer Gehirnwäsche wirkt freilich überzogen.
Andere wiederum setzen Aktionen gegen die zunehmende Verbauung und ihre eigene Verdrängung. Denn dem täglich gemähten Green der Golfplätze steht die wildwuchernde Natur außerhalb der Anlage gegenüber, die aber bald von Planierraupen beseitigt zu werden droht. Mit der Begründung, dass hier zuvor nichts gewesen sei, dehnt sich "The Villages" aus, doch die Einheimischen machen deutlich, dass hier zuvor sehr wohl etwas war und man in den Sümpfen jagen konnte.
Wie die aus dem Norden stammenden Bewohner, unter denen sich kaum Afroamerikaner oder andere Minderheiten, sondern fast nur Weiße befinden, ein Fremdkörper in Florida sind, so ist es diese brutal in die Landschaft gesetzte, rasant wachsende Anlage. Doch mit dem Bau ist es selbstverständlich nicht getan, denn die Pools und die Golfplätze benötigen auch Unmengen an Wasser, sodass der Grundwasserspiegel sinkt. Zur Kunstwelt gehört auch, dass es hier – was sogar die Bewohner*innen seltsam finden – keine Insekten gibt.
Wie ein dystopischer Science-Fiction- oder Horrorfilm wirkt "The Bubble" im ruhigen und schrittweise diese Abgründe der Seniorenresidenz aufdeckenden Aufbau. Nicht verwundern kann es auch, dass es sich bei den Bewohner*innen um überzeugte Republikaner und Trump-Anhänger handelt. Im Gegensatz von "The Villages" und dem Umland spiegelt sich so auch die Zerrissenheit der USA. Während die einen sich das Luxusleben leisten können und glauben sich dieses Rentnerleben durch ihre jahrzehntelange Arbeitsleistung verdient zu haben, stehen auf der anderen Seite ärmliche Wohnwagensiedlungen, die vermutlich bald verschwinden werden.
Perfekt fügen sich in "The Bubble" Interviews mit Bewohner*innen und Außenstehenden sowie prägnante Bilder zu einem zunehmend komplexeren und kritischen Bild dieser Anlage und auch zu einer Kritik am Kapitalismus, in dem es ständig um Expansion geht. Auch dass das Management von "The Villages" über die Dreharbeiten nicht erfreut war und sie zu behindern versuchte, zeigt Valerie Blankenbyl in mehreren Szenen und klärt auch im Nachspann darüber auf, dass Interviewanfragen nicht beantwortet wurden und auf die Bewohner*innen Druck ausgeübt wurde, nicht mit dem Filmteam zusammenzuarbeiten: Materieller Luxus und Freizeitspaß wird in Hülle und Fülle geboten, kritische Stimmen dagegen sind verboten. - Hier soll eben nichts den schönen Schein stören.
Läuft derzeit in einigen Schweizer Kinos und kann hier gestreamt werden.
Trailer zu "The Bubble"
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