Ein britischer Underdog stiehlt 1961 ein Gemälde, um auf die Verschwendung von Steuergeldern und soziale Missstände aufmerksam zu machen. – Etwas harmlose und biedere Komödie, die aber Jim Broadbent und Helen Mirren eine große Bühne bietet.
Der letzte Spielfilm von "Notting Hill"-Regisseur Roger Michell, der am 22. September 2021 überraschend im Alter von 65 Jahren verstarb, beruht auf einer ziemlich unglaublichen, aber wahren Geschichte: 1961 kaufte die britische Regierung Francisco Goyas Gemälde "Porträt des Herzogs von Wellington" um 140.000 Pfund einem amerikanischen Kunstsammler ab, um zu verhindern, dass das Gemälde Großbritannien verlässt. Empört über diese Verwendung oder Verschwendung von Steuergeldern stahl der 60-jährige LKW-Fahrer Kempton Bunton das Gemälde aus der National Gallery und forderte für die Rückgabe, dass dieselben 140.000 Pfund für die Zahlung der Fernsehgebühren von Pensionisten verwendet werden.
Michell folgt zwar im Groben dem realen Fall, verkürzt die Ereignisse aber auf sechs Monate, während in der Realität sich Bunton erst vier Jahre später der Polizei stellte. Beginnend mit dem Gerichtsprozess, in dem der Angeklagte sich als "nicht schuldig" bekennt, blendet der Film sechs Monate zurück.
Mit knappen Strichen wird das Bild eines heruntergekommenen Viertel von Newcastle gezeichnet, in dem Kempton (Jim Broadbent) und seine Frau Dorothy (Helen Mirren) mit ihren beiden erwachsenen Söhnen in bescheidenen Verhältnissen leben. Wenn Dorothy als Reinigungskraft in einem vornehmen Haus arbeitet, werden ebenso Klassengegensätze aufgezeigt, wie Rassismus, wenn in der Bäckerei, in der Kempton vorübergehend arbeitet, ein Pakistani vom Vorarbeiter schikaniert wird.
Der alternde Sturkopf bezieht aber nicht nur gegen diese Diskriminierung entschlossen Stellung, sondern eckt auch mit seinem Protest gegen die TV-Gebühren an. Sogar einige Tage Haft nimmt er dafür in Kauf. Doch auch danach lässt er nicht locker, sondern verschärft den Protest noch mit dem Diebstahl des Gemäldes. – Nicht verwundern kann hier der mehrmalige Vergleich mit Robin Hood.
Witz entwickelt diese Komödie aus der Kontrastierung der Realität und der Meinung der Polizei, dass hinter der Tat auf jeden Fall eine internationale Organisation von professionellen Verbrechern stehen müsse. Hinreißend sind auch die Szene, in der eine Graphologin das Erpresserschreiben Kemptons analysiert und auf Persönlichkeit und Bildungsstand des Diebes schließt, sowie der finale Prozess. Auch hier dominiert ein komödiantischer Ton, wenn der Anwalt den Gemäldediebstahl mit dem Ausleihen eines Rasenmähers durch einen Nachbarn vergleicht.
Eher bescheidener Witz entwickelt sich dagegen aus dem Umstand, dass Kempton den Diebstahl vor seiner Frau geheim halten und das Gemälde in einem Schrank verstecken muss. Tiefe verleiht Michell dieser Paarbeziehung aber durch das nie verarbeitete Trauma des frühen Verlusts der Tochter.
In jeder Szene spürt man die Sympathie Michells für den gewitzten Underdog und Jim Broadbent wiederum genießt diese Rolle sichtlich. Blendend harmoniert er mit Helen Mirren. Immer wieder mögen sie sich streiten, weil Kempton ständig für Ärger sorgt, gleichzeitig spürt man doch stets, wie sehr sie sich lieben. Aber auch die Erschütterung der Beziehung durch den Verlust der Tochter, den sie verdrängen und den zu thematisieren und zu verarbeiten sie erst lernen müssen, wird bewegend spürbar.
Ganz auf seine Hauptdarsteller*innen zugeschnitten ist "The Duke", bietet ihnen eine große Bühne, während die Inszenierung sehr bieder und harmlos bleibt. Auch das eingeschnittene, grobkörnige und etwas verwaschene Archivmaterial vom London der frühen 1960er Jahre lässt kaum Atmosphäre aufkommen, sondern ist wohl vor allem einem geringen Budget geschuldet.
Auch der sozialkritische Biss, den Michell aus der kämpferischen Haltung Kemptons hätte entwickeln können, bleibt schwach. Nicht aufrütteln, sondern das Herz erwärmen und zum Schmunzeln anregen will dieses Feelgood-Movie und das gelingt dank der beiden wunderbaren Hauptdarsteller*innen weitgehend.
The Duke Großbritannien 2020 Regie: Roger Michell mit: Jim Broadbent, Helen Mirren, Fionn Whitehead, James Wilby, Matthew Goode, John Heffernan Länge: 95 min.
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