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AutorenbildWalter Gasperi

The Last Expedition

"The Last Expedition": Dokumentarfilm über die polnische Extrembergsteigerin Wanda Rutkiewicz

1978 erreichte die Polin Wanda Rutkiewicz als erste Europäerin den Gipfel des Mount Everest. Sieben weitere Achttausender folgten, bis die Ausnahmebergsteigerin 1992 am Kangchendzönga verscholl. - Eliza Kubarska zeichnet in ihrem Dokumentarfilm mit einer Fülle von Archivmaterial und Interviews nicht nur ein vielschichtiges Porträt dieser nach Unabhängigkeit strebenden Frau, sondern bietet auch Einblick in die männlich dominierte Bergsteigerszene.


Die Berge und damit verbundene Schicksale sind das große Thema der polnischen Alpinistin und Filmemacherin Eliza Kubarska. Schon 2015 arbeitete sie in "K2 – Touching the Sky" eine Tragödie auf, die sich 1986 am zweithöchsten Berg der Welt abgespielt hatte. Fünf Jahre später bot sie in "The Wall of Shadows" (2020) Einblick in das Spannungsfeld von ökonomischen Zwängen und religiöser Tradition, in das das westliche Expeditionsbergsteigen nepalesische Sherpas stürzt.


In "The Last Expedition" (2024) spürt Kubarska nun ihrer Landsmännin Wanda Rutkiewicz (1943 – 1992) nach, die als eine der bedeutendsten Bergsteigerinnen des 20. Jahrhunderts gilt. Schon mit dem Gang durch einen nepalesischen Keller wird der Recherchecharakter des Dokumentarfilms eingeführt. Zahllose Säcke mit Briefen., Landkarten mit eingezeichneten Routen und Tagebüchern der Polin, die am 12. Mai 1992 vom Gipfelsturm auf den Kangchendzönga nicht zurückkehrte, werden der Filmemacherin hier gezeigt.


Kubarska selbst wird sich während der folgenden 86 Minuten weitgehend zurückhalten. Sie baut vielmehr auf eine Fülle von Archivmaterial sowie auf Interviews mit Mönchen und Nonnen buddhistischer Klöster, Sherpas und Yakhirten, der Managerin von Rutkiewicz und ihrer Schwester sowie mit anderen Bergsteigern wie ihrem letzten Begleiter Carlos Carsolio und Reinhold Messner.


Die stimmige Mischung der unterschiedlichen Materialien bestimmt den Film und verleiht ihm Vielschichtigkeit. Während die teils zerkratzten und unscharfen Fotos und Filmaufnahmen, die vielfach von Rutkiewicz selbst stammen, einen authentischen Einblick ins Expeditionsbergsteigen um 1990 bieten, bringen die Interviews Hintergrundinformationen und persönliche Einschätzungen Außenstehender. Dazu kommen wie als Pausen gesetzte neue Landschaftsaufnahmen, die die Grandiosität ebenso wie die Ursprünglichkeit des Himalayas feiern.


Die nie gefundene Leiche von Rutkiewicz nimmt Kubarska zum Anlass, um quer durch den Film immer wieder über ein mögliches Untertauchen in einem buddhistischen Frauenkloster zu spekulieren. Gleichzeitig verdichtet sie aber auch sukzessive das Bild dieser außergewöhnlichen Frau, die ihre Unabhängigkeit und Selbstbestimmung über alles stellte.


Zwar wird im Finale kurz Einblick in Rutkiewicz´ von schweren Verlusten geprägte Kindheit geboten, doch davon abgesehen werden ihre Biographie und der Alltag im kommunistischen Polen ausgespart. Zwei gescheiterte Ehen werden zwar kurz angesprochen und eine tragisch endende Beziehung zum Höhenbergsteiger und Arzt Kurt Lyncke wird etwas ausführlicher behandelt, doch in erster Linie fokussiert "The Last Expedition" auf Rutkiewicz´ Expeditionserfahrungen im Himalaya. Schwerpunkt bildet dabei ihr letztes Projekt "Karawane der Träume", bei dem sie im Lauf eines Jahres acht Achttausender besteigen wollte.


Allein der Umstand, dass bei den Interviews mit Bergsteigern nur Männer zu Wort kommen, vermittelt schon eindrücklich, wie sehr dieser Sport – zumindest bis in jüngste Zeit – von Männern dominiert wurde. Missgunst erregten so die Leistungen einer Frau. Besonders deutlich wird dies an den von ihren Begleitern geschürten Gerücht, dass sie 1991 den Gipfel des Annapurna nicht erreicht habe. Erst die Prüfung einer unabhängigen Kommission bestätigte Rutkiewicz´ Gipfelsieg und ließ die Diskussionen verstummen.


Deutliche Worte findet hier Reinhold Messner, der nicht nur die herausragende Rolle von Rutkiewicz herausstreicht, sondern auch dezidiert vom Machismus im Alpinismus spricht. Fragen, wieso man sich den extremen Gefahren der Berge aussetzt, werden dagegen – zumindest explizit – nur am Ende angesprochen, wenn Messner erklärt, dass jeder Gipfelsieg nur eine Zwischenstation sei und stets ein weiterer Gipfel warte, denn Stillstand bedeute Tod. – Dass der Südtiroler mit dieser Aussage freilich auch wieder ein männlich konnotiertes Heroentum vertritt, steht auf einem anderen Blatt.

 

The Last Expedition

Polen / Schweiz / Italien / Nepal / Indien / Österreich 2024 Regie: Eliza Kubarska Dokumentarfilm mit: Wanda Rutkiewicz, Janina Fies, Carlos Carsolio, Reinhold Messner, Krzysztof Wielicki Länge: 86 min.



Läuft derzeit in den Schweizer Kinos, z.B. im Kinok St. Gallen

Kinotheater Madlen, Heerbrugg: Mo 17.3. 20.15 Uhr


Trailer zu "The Last Expedition"



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