
Pamela Anderson brilliert als alternde Revue-Tänzerin, deren Show in Las Vegas nach 30 Jahren abgesetzt wird: Gia Coppola gelingt ein ungeschönter Blick auf das Showbusiness und den amerikanischen Traum sowie eine bewegende Auseinandersetzung mit Altern und Zweifel an früheren Lebensentscheidungen.
Als Rettungsschwimmerin in der Fernsehserie "Baywatch" wurde Pamela Anderson in den 1990er Jahren bekannt, galt als Sex-Symbol und zierte 14-mal das Cover des Playboys. Als Schauspielerin hatte sie weniger Erfolg, erhielt 1996 für ihre Leistung in ihrem ersten Kinofilm "Barb Wire" sogar die Goldene Himbeere als schlechteste Schauspielerin.
Mit 57 Jahren erfindet sich Anderson nun aber quasi neu und spiegelt im Drama Gia Coppolas, einer Enkelin des "Pate"- und Apocalypse Now"-Regisseurs Francis Ford Coppola, auch ihr eigenes Image. Einst war ihre Shelly ein Star der Las Vegas-Revue "The Razzle Dazzle", doch im Laufe von 38 Jahren ist nicht nur sie selbst gealtert, sondern auch Las Vegas und der Publikumsgeschmack haben sich verändert.
Zwar sieht man erst gegen Ende die nur mit Feder- und Paillettenkostümen bekleideten Damen bei einem Auftritt, bei dem sie viel Fleisch zeigen, doch bald wird klar, dass die Besucher:innen ausbleiben und die Show demnächst abgesetzt wird. Mehr Akrobatik und Zirkus wollen die neuen Eigentümer bieten und so das Publikum zurückerobern.
Gia Coppola begleitet Shelly durch die letzte Woche ihrer Show, in der sie der Besuch ihrer inzwischen studierenden Tochter Hannah (Billie Lourd) auch mit ihrer Vergangenheit und früheren Lebensentscheidungen konfrontiert. Nicht nur ihre Ehe ist nämlich daran gescheitert, dass sie Las Vegas und ihre Tanzkarriere nicht aufgeben wollte, sondern auch Hannah hat sie Pflegeeltern übergeben, weil ihr die Bühnenshow wichtiger war.
Gegenüber dem Bühnenmanager Eddie (Dave Bautista) schwärmt sie zwar vom großartigen Gefühl auf der Bühne gesehen zu werden und wie sehr diese Auftritte ihr Leben seien, doch gleichzeitig werden auch Selbstzweifel an der damaligen Entscheidung spürbar. Vernichtend ist nämlich Hannahs Urteil über die Show und heftige Vorwürfe macht sie ihrer Mutter wegen ihrer einstigen Entscheidung.
Großartig spielt Pamela Anderson diese Tänzerin. Sie hat keine Scheu deren Altern in zahlreichen Großaufnahmen sichtbar zu machen, zeigt sich aber auch menschlich als nicht nur sympathische Frau mit Ecken und Kanten. Denn da beschwören Shelly und ihre Kolleginnen ebenso wie ihre ältere Freundin Annette (Jamie Lee Curtis) bei einem Mädels-Abend zwar ihre Solidarität, doch später wird Shelly die junge Jodie (Kiernan Shipka) kalt abweisen, als diese sie um Hilfe bittet. Andererseits bietet sie aber Annette, die schon früher aufgrund ihres Alters aus der Show entlassen, wurde Unterkunft in ihrer Wohnung, nachdem diese ihre ganzen Ersparnisse beim Zocken verloren hat.
Nicht weniger beeindruckend als Anderson spielt Jamie Lee Curtis diese Cocktail-Kellnerin, die in einem Casino in glänzenden, engen Strumpfhosen und Jacke mit tiefem Dekolleté, in das das Trinkgeld gesteckt wird, die vorwiegend männlichen Kunden an Spieltischen und Automaten bedient. Auch Curtis hat keine Angst ihr Alter zur Schau zu stellen und einen großen Auftritt hat sie, wenn sie in einer langen Plansequenz zu Bonnie Tylers "Total Eclipse of the Heart" selbstvergessen auf einem Podest im Casino allein tanzt.
In dieser Figur deutet sich auch eine mögliche Zukunft von Shelly an. In einem Casting für eine neue Show erfährt sie aufgrund ihres Alters nämlich eine bittere Abfuhr und auch in die Rente zu gehen, ist keine Option, haben diese Tänzerinnen - im Gegensatz zum angestellten Bühnenmanager Eddie - doch nie Sozialversicherung eingezahlt.
Unaufdringlich, aber stimmig spielt so Coppola mit dem Gegensatz zwischen den Glücksverheißungen der Spielerstadt Las Vegas und dem realen Alltag und Leben der Tänzerinnen. An Louis Malles "Atlantic City, USA" (1980) erinnert "The Last Showgirl" in dem unglamourösen Blick auf diese Welt und die unerfüllten Träume der Protagonist:innen.
Auch über die visuelle Ebene vermittelt die 38-jährige Amerikanerin in ihrer Verfilmung von Kate Gerstens Theaterstück "Body of Work" eindringlich dieses Spannungsfeld. Glitzerkleidung mögen da die Tänzerinnen zwar tragen und die berühmte Kulisse von Las Vegas mag – zumindest teilweise – Glücksversprechen evozieren, doch gleichzeitig verleihen die leicht unscharfen und rauen 16-mm-Aufnahmen von Kamerafrau Autumn Durald Arkapaw, das kalte natürliche Licht und die matten Farben dem Film einen schäbig-schmutzigen Look.
Die Handlung mag insgesamt zwar eher dünn sein und die Erzählweise zu mäandernd oder auch fahrig sein, dennoch beeindruckt und bewegt "The Last Showgirl" durch seine atmosphärische Dichte und die Leistung Pamela Andersons als Porträt einer widersprüchlichen Frau, in deren Schicksal sich auch der zerbrochene amerikanische Traum spiegelt.
The Last Showgirl USA 2024 Regie: Gia Coppola mit: Pamela Anderson, Jamie Lee Curtis, Billie Lourd, Kiernan Shipka, Brenda Song, Dave Bautista Länge: 88 min.
Läuft derzeit in den Kinos, z.B. im Kinok St. Gallen, Skino Schaan und Cineplexx Hohenems.
Trailer zu "The Last Showgirl"
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