Zwölf ausgewählte Gäste haben ein Ticket zu einem Gourmet-Essen auf einer kleinen Insel erworben, doch der dortige Starkoch offenbart bald andere Absichten: Stringent inszenierte, messerscharfe Satire, die mit pechschwarzem Humor sinnentleerte Vergnügungs- und Konsumlust und die Rebellion der gedemütigten Unterschicht verhandelt.
1250 Dollar für ein gut vierstündiges, mehrgängiges Menü: Was Starkoch Slowik (Ralph Fiennes) in seinem Feinschmecker-Lokal "The Hawthorne verlangt, steht in keinem Verhältnis mehr zum realen Wert der Speisen. Dennoch zahlen die betuchten Gäste diesen Preis, kann man danach doch damit prahlen, zu dieser erlesenen Gesellschaft zu zählen.
Regelrecht besessen ist der junge Tyler (Nicolas Hoult) von Slowik und seinen Speisen, seine Begleitung Margot (Anya Taylor-Joy), die nur als Ersatz für die abgesprungene Freundin zum Zug kam, hat dagegen nichts übrig für den ganzen Tamtam.
Gemeinsam mit zehn anderen Gästen werden sie per Boot auf die malerisch vor der Ostküste der USA gelegenen Insel gebracht. Eine Restaurantkritikerin gehört ebenso dazu wie ihr Verleger, drei junge Geschäftsleute, ein älteres Ehepaar und ein abgehalfterter Schauspieler. Alle warten voll Vorfreude auf das Menü, dessen einzelnen Gänge den Film strukturieren. Auch der militärische Ton, mit dem Slowik seine Küchenbrigade herumkommandiert, und mit dem er die Gäste auffordert, dass sie nicht essen, sondern richtig schmecken sollen, scheint zunächst niemanden zu irritieren.
Bald wird freilich klar, dass der Starkoch seine Gäste dieses Mal ganz gezielt ausgewählt hat und dass er mit ihnen noch eine Rechnung offen hat. Entspannt mag noch der Beginn sein, doch von Gang zu Gang steigert Mark Mylod die Beklemmung. Halten manche die zunehmend irritierende Speisefolge und die teils drastischen Aktionen Slowiks zunächst noch für einen Teil der Inszenierung, erkennen sie doch sukzessive, dass es ihr Gastgeber bitterernst meint und mit seinen Besucher*innen knallhart abrechnen möchte.
Wunderbar trocken spielt Ralph Fiennes diesen Meisterkoch, hinter dessen kühlen Auftreten zunehmend tiefe Verbitterung aufgrund der Demütigungen, die er im Laufe seines Lebens erfahren hat, spürbar wird: Als Kunst hat er seine Kreation von Speisen verstanden, doch die Reichen, die er bekocht hat, wussten dies nie wirklich zu würdigen. Nun will er aber zurückschlagen.
Eine starke Gegnerin erwächst ihm aber in Margot, die ja offiziell nicht eingeladen war. Von Anfang an rebelliert sie gegen den Koch und weil sie auch selbst aus der Unterschicht und nicht aus der Oberschicht stammt, entwickelt sie auch Strategien des Widerstands. Die saturierte Oberschicht, in deren Vergangenheit man langsam bruchstückhaft Einblick gewinnt, scheint dagegen völlig unfähig, sich gegen den Gastgeber zur Wehr zu setzen und lässt mehr oder wenig alles über sich ergehen.
Durchschlagskraft entwickelt diese von pechschwarzem Humor durchzogene bissige Satire zunächst einmal durch die kompakte Inszenierung. Nach der Überfahrt auf die Insel bleibt das Feinschmecker-Restaurant der einzige Schauplatz. Zum Huis clos wird dieses Anwesen, die Gäste und die Küchenmannschaft bleiben die einzigen Figuren, die Abrechnung mit dem Kult ums gute Essen und die sukzessive Zuspitzung des Antagonismus von Arbeiterschicht und Kapitalisten die einzigen Themen. Auf alle Schnörkel wird verzichtet, auch durch die Konzentration auf einen Abend gewinnt "The Menu" Dichte.
Während Mylod bei den Gästen prägnant unterschiedliche Typen zeichnet, bleibt das Küchenpersonal dagegen weitgehend eine konturlose Gruppe, die ganz von ihrem Chef, der wie ein Sektenführer agiert, gelenkt wird. Sympathieträger gibt es hier kaum. Nicht nur die versnobten und affektierten sind unsympathisch, sondern auch für Margot kann man sich nicht richtig erwärmen und bei allem Verständnis für Slowiks Verbitterung stößt sein diktatorisches Auftreten und die Eiseskälte, mit der er seinen Plan durchzieht, doch ab.
Zum Spannungsfeld zwischen Oberschicht und Unterschicht kommt dabei das intensive Psychoduell zwischen dem Starkoch und Margot. Stringent treibt Mylod die Handlung weiter, überrascht immer wieder mit Wendungen, aber auch der Gegensatz von exquisiten Speisen und finsteren Racheplänen trägt zum Reiz des Filmes bei.
An Bong Joon-hos Welterfolg "Parasite", mit dem "The Menu" neben dem schwarzhumorigen Ton auch die bissige Verhandlung von Klassengegensätzen verbindet, kann Mylods Gesellschaftssatire zwar nicht mithalten. – Knochentrockene schwarzhumorige Unterhaltung, die auch zum Nachdenken anregt, wird aber auf jeden Fall geboten.
The Menu USA 2022 Regie: Mark Mylod mit: Ralph Fiennes, Anya Taylor-Joy, Nicholas Hoult, Hong Chau, John Leguizamo, Aimee Carrero, Paul Adelstein, Janet McTeer, Christina Brucato Länge: 106 min.
Läuft derzeit in den Kinos, z.B. im Cineplexx Hohenems und im Kino Bludenz
Trailer zu "The Menu"
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