Herausragend auf jeder Ebene: Joel Coens Adaption von William Shakespeares klassischer Tragödie. – Aber leider nur in wenigen Kinos und bald nur noch auf Apple TV+ zu sehen.
Oft wurde Shakespeares Tragödie über den schottischen Adeligen Macbeth, der angetrieben von seiner ehrgeizigen und machtgierigen Frau Morde begeht, um zum König aufzusteigen, schließlich aber gestürzt wird, schon verfilmt. Von Orson Welles über Akira Kurosawa, der das Stück in "Das Schloss im Spinnwebwald" ins mittelalterliche Japan verlegte, und Roman Polanski bis zu Justin Kurzel spannt sich der Bogen der Regisseure, die sich dieses Stoffes annahmen.
Joel Coen, der hier erstmals ohne seinen Bruder Ethan arbeitete, verzichtet auf alle Modernisierungen. Schon die Verwendung des originalen Titels "The Tragedy of Macbeth" macht deutlich, dass sich der Amerikaner konsequent ans Original halten will. Er vertraut zunächst einmal ganz auf die Sprachmacht des shakespeareschen Texts. Theaterhaft lässt den Film dies wirken, doch herausragende Schauspieler wie Denzel Washington und Frances McDormand sorgen dafür, dass diese Dialoge enorme Kraft und Intensität entwickeln.
Nicht minder beeindruckend und begeisternd ist aber die visuelle Gestaltung. Schon die Verwendung von Schwarzweiß und des fast quadratischen 4:3-Formats des frühen Kinos betonen vom ersten Bild an den Ernst dieses Films. Gleichzeitig fließen durchgängig Stilisierung und Realismus bruchlos ineinander, lassen "The Tragedy of Macbeth" zwischen abstraktem Modell und ungemein physischem und wuchtigem Kino oszillieren.
Ein nebelverhangenes Schlachtfeld evoziert schon zum Einstieg eine beunruhigende Atmosphäre. Auch die düstere Prophezeiung wird durch kreisende Raubvögel, ein kahles Feld und eine furchteinflößende Hexe verstärkt.
Kongenial spielen hier Text und Bild durchgängig zusammen. Immer wieder orientieren sich die gestochen scharfen, auf starke Kontraste setzenden und ausdrucksstarken Schwarzweißbilder von Kameramann Bruno Delbonnel an der Bildsprache des Stummfilms und strengen Klassikern des Schwarzweißfilms. Die kahlen und hohen Räume des Palasts erinnern an die Bauten in Fritz Langs expressionistischem Stummfilm "Die Nibelungen". Nebelverhangene Außenszenen scheinen mit ihrem dominanten Schwarz von Ingmar Bergmans "Das siebende Siegel" ebenso beeinflusst wie von klassischen US-Horrorfilmen der 1940er Jahre.
Die Dominanz von statischen Einstellungen verstärkt die Beklemmung, aber auch dynamische Kamerabewegungen fehlen in den teilweise brutalen Kampfszenen nicht. Auch das Sounddesign und die Musik Carter Burwells steigern die finstere Stimmung. Keine Leerstellen gibt es in diesen 105 Minuten. Kein Wort und kein Bild sind überflüssig oder zu viel. Reduziert auf das Wesentliche ist dieser mit äußerster Strenge, Konzentration und Konsequenz inszenierte Film.
Zur Kompaktheit und Geschlossenheit tragen aber auch die Schauspieler bei. Mit Inbrunst spielen nicht nur Denzel Washington und Frances McDormand, sondern auch die Nebendarsteller sind mit höchster Konzentration bei der Sache, verzichten auf alle Spielereien und lassen die Dringlichkeit und den Ernst des Stoffes stets spüren.
Für schwarzen Humor, für den die Coens berühmt sind, ist hier kein Platz. Sich selbst nimmt Joel Coen ganz zurück, vertraut scheinbar ganz auf den Text Shakespeares und verzichtet auf jeden eigenen Ansatz – und dennoch kann man auch hier im pessimistischen Menschenbild eine Grundkomponente der Filme des amerikanischen Brüderpaars entdecken. Nicht anders als in ihren Neo Noirs "Blood Simple" und "No Country for Old Men" geht es auch hier um menschliche Gier und um Gewaltbereitschaft. Und nicht anders als im klassischen Film noir ist es auch hier eine Frau, die den Mann ins Verderben stürzt.
Agiert Macbeth erst zögerlich, so geht er angestachelt von seiner Frau immer weiter. Doch wie im Film noir folgt auf den Aufstieg der tiefe Fall mit Wahnsinn und Tod. Düster endet "The Tragedy of Macbeth", mit dem es Joel Coen gelungen ist einerseits Shakespeare treu zu bleiben und andererseits auch ein herausragendes Filmkunstwerk zu schaffen. Denn zweifelhaft bleibt, ob mit dem Sturz der alten Gewaltherrschaft eine friedlichere Zeit anbricht.
Unbedingt ein Film für die große Leinwand und den dunklen Kinoraum ist dieser Film mit seiner Bildmacht und seiner Wucht, doch leider kann er nur bis Anfang Februar in den Kinos gezeigt werden. Danach wird er nur noch über den Streamingdienst Apple TV+ zu sehen sein: Nicht dass es keine großen Filme gibt, ist das Problem des Kinos, sondern dass diese vielfach nicht mehr gezeigt werden dürfen und weitgehend unsichtbar bleiben, weil sie den Abonnent*innen der zunehmend zahllosen Streamingdienste vorbehalten bleiben.
The Tragedy of Macbeth USA 2021 Regie: Joel Coen mit: Denzel Washington, Frances McDormand, Kathryn Hunter, Harry Melling, Brendan Gleeson Länge: 105 min.
Trailer zu "The Tragedy of Macbeth"
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