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AutorenbildWalter Gasperi

The Village Next to Paradise

Mo Harawe erzählt in seinem Langfilmdebüt langsam und unaufgeregt, aber mit genauem Blick für Details anhand einer Patchwork-Familie vom schwierigen Alltag in einem somalischen Dorf. Trotz der vielfältigen Probleme im Leben verfällt der mit dem Wiener Filmpreis ausgezeichnete Spielfilm aber nicht in Tristesse und Pessimismus, sondern verbreitet durch seine starken Protagonist:innen und seine kräftigen Farben Hoffnung.


Der 1992 in Somalia geborene Mo Harawe floh mit knapp 18 Jahren nach Österreich. Nach einem Studium der Visuellen Kommunikation sowie Film an der Kunsthochschule Kassel und mehreren Kurzfilmen präsentiert er nun mit "The Village Next to Paradise" sein Langfilmdebüt.


Nachrichten von einem US-Drohnenangriff und der Tötung eines hohen Al-Qaida-Mitglieds versetzen in den ostafrikanischen Staat. Von der westlichen Perspektive verschiebt sich der Blick aber sofort auf die einheimische Ebene, wenn der von Gelegenheitsjobs lebende Mamargade (Ahmed Ali Farah) einen bei dem Angriff als Kollateralschaden getöteten Einheimischen begraben muss.


Der alleinerziehende Vater lebt mit seinem etwa achtjährigen Sohn Cigaaal (Ahmed Mohamud Saleban) und seiner Schwester Araweelo (Anab Ahmed Ibrahim), deren Mann sich scheiden lässt, weil die Ehe kinderlos blieb, in einem kleinen Dorf an der Küste des Indischen Ozeans. Am Alltag dieser Patchwork-Familie bietet Harawe einen einfühlsamen Einblick in die vielfältigen Probleme des Lebens in Somalia.


Nicht nur die finanzielle Situation ist schwierig, sondern auch der Schulalltag des Sohnes. Einerseits besteht der Unterricht der Schüler:innen vorwiegend in Belehrungen zum Verhalten im Fall eines Drohnenangriffs, andererseits fallen zunehmend Stunden aus, weil Lehrer:innen erkranken oder in die Stadt abwandern. So muss die Schule schließlich geschlossen werden. Mamargades Schwester wiederum träumt vom Aufbau einer unabhängigen Existenz als Schneiderin, bekommt dafür aber keinen Kredeit, da ein solcher nur an Ehepaare vergeben wird.


Zunehmend schwieriger wird es auch für Mamargade Aufträge als Bestatter zu bekommen, denn das Krankenhaus vergibt diese inzwischen an große Unternehmen, das die Begräbnisse mit Baggern effizienter und wohl auch billiger durchführen. Um das Geld für Cigaals Schulbesuch in der Stadt aufzutreiben, nimmt er deshalb auch dubiose Jobs an, bei denen er lieber nicht wissen will, was er außer Ziegen und Gemüse noch auf dem Pickup transportiert.


Andererseits möchte Cigaal aber gar nicht in die Schule in der Stadt, wo er über die Woche im Internat leben müsste. Die Entscheidung des liebevollen Vaters belastet so die Beziehung, während die Schwester wiederum an eine Scheinehe denkt, um den nötigen Kredit zu erhalten.


Geradezu aufreizend linear und einfach erzählt Harawe. Er dramatisiert nicht, sondern schildert in langen Einstellungen, fokussiert auf den Menschen und verzichtet auf inszenatorische Tricks. An den italienischen Neorealismus eines Vittorio de Sica erinnert dieser Film so in seiner Einfachheit. Getragen von authentischen Schauspieler:innen und mit genauem Blick für Details lotet er unaufgeregt die schwierigen ökonomischen Verhältnisse in dem in den europäischen Medien kaum präsenten und wenig bekannten ostafrikanischen Land aus.


Differenziert zeichnet er seine drei Protagonist:innen, die unermüdlich, aber leise und ohne großes Lamentieren ums Überleben und eine bessere Zukunft kämpfen. Eindringlich wird so die Not spürbar, doch Harawe walzt die Tristesse nicht aus und verfällt nicht in Pessimismus. Denn einerseits verbreiten die in kräftige Farben getauchten Bilder von Kameramann Mostafa El Kashef und die malerische Küstenlandschaft Lebensfreude und Optimismus, andererseits machen die Entschlossenheit, mit der die Schwester für ihre Schneiderei kämpft, und der Schulbesuch des Sohnes Hoffnung auf eine bessere Zukunft.



The Next Village to Paradise Österreich, Frankreich, Deutschland, Somalia 2024 Regie: Mo Harawe mit: Ahmed Ali Farah, Anab Ahmed Ibrahim, Ahmed Mohamud Saleban, Axmed Cabdillahi Ducaale, Maxamed Xaaji Cabdi Faarax, Maxamed Axmed Maxamed, Maxamed Maxamuud Jaamac Länge: 133 min.


Läuft jetzt in den österreichischen Kinos, z.B. Kino Guk in Feldkirch


Trailer zu "The Village Next to Paradise"





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