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AutorenbildWalter Gasperi

Tillsammans 99

24 Jahre nach "Tillsammans – Together" versammelt Lukas Moodysson anlässlich eines Geburtstags wieder die ehemaligen Bewohner:innen der 1970er Jahre Kommune: Mit einfühlsamem Blick und einem starken Ensemble deckt der Schwede Bruchlinien und Veränderungen auf.


2000 gelang dem Schweden Lukas Moodysson nach seinem viel beachteten Debüt "Raus aus Åmål" (1998) mit seinem zweiten Spielfilm "Tillsammans – Together" (Rezension siehe unten) ein weiterer Erfolg in den Arthouse-Kinos. Mit Feingefühl schilderte er darin das Leben und die Probleme in einer schwedischen Kommune Mitte der 1970er Jahre.


Recht still wurde es bald danach um den 1969 geborenen Moodysson zumindest im deutschsprachigen Raum, auch wenn er weiterhin Filme drehte. Nun meldet er sich mit einer Fortsetzung seines größten Erfolgs zurück.


Kurze, in engem Format gehaltene Szenen aus dem ersten Film rufen Erinnerungen wach, ehe mit dem Insert 1999 die Handlung einsetzt. Wie schon beim ersten Film, bei dem Moodysson aus dem Jahr 2000 auf 1975 zurückblickte, so ist auch hier der Blick rückwärtsgewandt. Die Bilder sind in goldgelbes Licht getaucht, das ebenso Wärme erzeugt, wie die Sommerstimmung mit saftig grünem Gras, einer Gartenparty und Schwimmen im Fluss.


Die Kommune ist freilich inzwischen weitgehend zerfallen. Nur der gutmütige Göran (Gustaf Hammarsten) und der homosexuelle Klasse (Shanti Roney), der immer noch von der großen Liebe träumt, sind seit zwei Jahren wieder ins alte Haus eingezogen. Eine Reminiszenz an den ersten Film bietet Moodysson hier schon, wenn das Duo am Essenstisch immer noch über den Abwasch diskutiert und darüber, wie viel Spülmittel verwendet und welche Wassertemperatur gewählt werden soll, um einerseits die Umwelt zu schonen, andererseits aber auch für sauberes Geschirr zu sorgen.


Auch beruflich scheinen sich die beiden Mittfünfziger nicht sehr verändert zu haben. Göran schreibt immer noch Artikel zu Pazifismus und Gewaltfreiheit, Klasse übernimmt Vertretungsstunden als Kunstlehrer und webt Schals, Handschuhe und Teppiche. Wehmütig wird Goran freilich angesichts des recht einsamen Lebens zu zweit und sehnt sich wieder nach den alten Zeiten der Kommune. So lädt Klasse ein halbes Jahr später die ehemaligen Bewohner:innen anlässlich von Görans Geburtstag ein.


Fast das ganze alte Ensemble konnte Moodysson wieder versammeln, das nun 24 Jahre gealtert wieder die einstigen Rollen spielt. Einzig für Lasse musste mit Jonas Karlsson eine neue Besetzung gefunden werden und es fehlt auch Michael Nyqvist, der 2017 an Krebs verstarb und dem "Tillsammans 99" gewidmet ist. Präsent sind er und seine Figur aber dennoch, wenn der Tod des von ihm gespielten Rolf mehrfach thematisiert wird.


Bald wird sichtbar, wie sich die Zeiten geändert haben, wenn dem einstigen Fernsehverbot der Umstand gegenübersteht, dass ein Paar nun beim Fernsehen arbeitet. Auch die Unbekümmertheit von damals lässt sich nicht so leicht wieder herstellen. Teils bestimmt krampfhafter Smalltalk die Gespräche, teils brechen aber speziell bei Göran und Klasse auch wieder alte Gefühle durch.


Nähe erzeugen Moodysson und seine Kamerafrau Ellinor Hallin durch eine bewegliche Handkamera. Quasidokumentarisch wirkt "Tilsammans 99", wenn nicht mit der klassischen Schuss-Gegenschuss-Strategie gearbeitet wird, sondern immer wieder zwischen den Personen geschwenkt wird. Mitten ins Geschehen werden die Zuschauer:innen durch diese Nähe versetzt, werden quasi ein Teil der Partygesellschaft.


Dichte entwickelt der Film dabei auch dadurch, dass die klassischen Einheiten von Ort, Zeit und Personen eingehalten werden. Ganz auf diesen Nachmittag und die Nacht beschränkt sich die Handlung und Haus und Garten sind weitgehend die einzigen Schauplätze.


Locker wechselt Moodysson im Stil von Robert Altman zwischen einzelnen Personen und führt dazwischen die Gruppe auch immer wieder zusammen. Doch bald werden auch Auflösungstendenzen sichtbar und von der Gemeinschaft entwickelt sich diese warmherzige Komödie zunehmend zu Zweiersituationen.


Da wird zwar am Nachmittag noch gemeinsam im Garten gefeiert und im Fluss gebadet, doch dann verabschiedet sich bald die neurotische Signe mit ihrem Mann, weil sie den realen oder nur erfundenen Geruch von Schimmel nicht erträgt.


Die Krankenpflegerin Elisabeth (Lisa Lindgren) wiederum verschwindet bald mit Peter (David Dencik), der eigentlich gar nicht zur Gruppe gehört, und landet bei einer Party von Jugendlichen in der Nachbarschaft. Während hier unbeschwert und ausgelassen gefeiert wird, brechen in der ehemaligen Kommune zunehmend Konflikte durch.


Die Schriftstellerin Anna (Jessica Liedberg) hat sichtlich mit ihrem Alter und mangelnder Anerkennung zu kämpfen und reagiert aggressiv und ausfallend auf die junge Schauspielerin Mirjam (Julia Heveus). Psychisch schwer angeschlagen ist dagegen Lena (Anja Lundqvist), während deren junge Begleiterin (Clara Christiannson Erpel) den alten Birger (Sten Ljunggren) immer wieder auf seinen nahen Tod anspricht, und Erik (Olle Sari) rechnet mit den einstigen politischen Idealen wie Maos China ab, haben sie sich doch längst als falsch erwiesen.


Vom Traum der Gemeinschaft entwickelt sich "Tillsammans 99" so zur Vereinzelung und zeichnet damit wohl auch die gesellschaftliche Bewegung zum Individualismus nach. Dennoch steht am Ende dieser warmherzigen Komödie, die zwar über die Figuren lachen lässt, sie aber nie verlacht, sondern mit Liebe und Mitgefühl auf sie blickt und dadurch bewegt, die Hoffnung auf eine Neubelebung der Kommune.

 

Tillsammans 99

Schweden / Dänemark 2023

Regie: Lukas Moodysson

mit: Gustaf Hammarsten, Shanti Roney, Anja Lundqvist, Jessica Liedberg, Lisa Lindgren, Jonas Karlsson, David Dencik, Henrik Lundström, Julia Heveus, Olle Sarri

Länge: 115 min.


Läuft derzeit in den Schweizer Kinos, z.B. im Kinok St. Gallen.


Rezension zu "Tillsammans - Together"



Trailer zu "Tillsammans 99"



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