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AutorenbildWalter Gasperi

...und Gerechtigkeit für alle

Aktualisiert: 31. März 2021


Ein idealistischer Anwalt kämpft gegen ein amoralisches Justizsystem. So engagiert wie der von Al Pacino mit Herzblut gespielte Protagonist ist Norman Jewisons 1979 entstandener und bei Explosive Media (Vertrieb: Koch Films) auf Blu-ray erschienene Film. Rasante Unterhaltung wird geboten, doch das unentschlossene Pendeln zwischen Drama und Satire beeinträchtigt die Wirkung.


Der Titel "…und Gerechtigkeit für alle" ist dem Treue-Gelöbnis auf die US-Flagge entnommen. Dass mehrere Kinder aus dem Off dieses zum Auftakt sprechen, während man ein Gerichtsgebäude sieht, ist schon ein Signal: Kinder mögen noch an das Gelöbnis glauben, in der Welt der Erwachsenen scheint es keine Bedeutung mehr zu haben.


Einzig der von Al Pacino gespielte junge Anwalt Arthur Kirkland setzt sich noch wirklich dafür ein, kämpft für seine Mandanten aus der Unterschicht, die von angesehenen Richtern wie Dreck behandelt und zu langjährigen Haftstrafen verurteilt werden. Schwerwiegende Folgen wird es auch haben, dass einer seiner Partner lieber beim Mittagessen sitzt als sich auf einen Fall vorzubereiten.


Eine Untersuchungskommission gibt es zwar, die Missstände aufdecken soll und gegen Anwälte ermittelt, doch speziell der Richterstand ist so verfilzt, dass hier einerseits weniger Vergehen zu Tage gefördert als vielmehr vertuscht werden und andererseits gerade gegen Anwälte, die die Missstände aufdecken wollen, vorgegangen wird.


In einer Fülle von Szenen schneidet Norman Jewison unterschiedlichste Aspekte an: Da wird in den Gängen zwischen Anwälten über Deals für ihre Mandanten verhandelt, einen Partner wirft der Umstand aus der Bahn, dass er bei einem Angeklagten, dessen Schuld er sich bewusst war, einen Freispruch erreichte, dieser aber nun zwei Kinder ermordete. Auch ein Blick ins Gefängnis, in dem ein Transvestit gemobbt und ein unschuldig Inhaftierter brutal vergewaltigt wird, fehlt nicht.


Nun soll Kirkland ausgerechnet den ihm verhassten Richter Fleming (John Forsythe) gegen die Anklage einer Vergewaltigung verteidigen. Allein mit der Wahl dieses Anwalts soll die Öffentlichkeit schon von Flemings Unschuld überzeugt werden. Kirkland lehnt zunächst entschieden ab, muss den Fall dann aber doch annehmen, da ihn Fleming wegen Verletzung der anwaltlichen Schweigepflicht in einem früheren Fall erpresst und mit dem Entzug der Anwaltszulassung droht.


Wie bei einem Justizfilm nicht anders zu erwarten läuft auch "…und Gerechtigkeit für alle" auf eine große Gerichtsszene hinaus, die aber schließlich weniger auf den konkreten Fall fokussiert, sondern vielmehr zur großen Abrechnung mit einem System wird, in dem es eben nicht mehr um Gerechtigkeit geht, sondern Anwalt und Staatsanwalt einzig und allein um den Sieg und ihr Prestige kämpfen.


Stoff für ein mitreißendes Drama oder auch für eine bissige Satire könnte das sein und Jewison selbst erklärt im Audiokommentar auch, dass er und seine Drehbuchautoren Valerie Curtin und Barry Levinson den Film als Satire angelegt haben. Dazu fehlt "... und Gerechtigkeit für alle" aber der Biss und die schneidende Schärfe. Einen flotten, aber allzu lockeren Ton schlägt schon von Beginn an die Musik von Dave Grusin an, für komödiantische Akzente sorgt der von Jack Warden lustvoll gespielte, unkonventionelle Richter Rayford, der im Saal mit dem Revolver für Ordnung sorgt – Jewison beruft sich dabei auf Erzählungen von Richtern -, während die Geschichte um den distinguierten, aber eiskalten und aalglatten Fleming todernst erzählt wird.


Auch ein überflüssiger Hubschrauberflug Kirklands mit Rayford sowie mehrere Nebenplots wie eine Affäre Kirklands mit einer Kollegin und seine regelmäßigen Besuche seines dementen Großvaters im Seniorenheim rauben dem Film einiges von seiner Dichte und Durchschlagskraft. Dass sich hier als Großvater und Enkel der legendäre Schauspiellehrer Lee Strasberg in einer seiner letzten Rollen und einer seiner wohl erfolgreichsten Schüler begegnen, berührt zwar, aber für die Handlung des Films bringen diese Szenen doch wenig.


Was aber bleibt, ist zweifellos nicht nur der vernichtende Blick auf das US-Justizsystem, deren Vertreter im US-Kino sonst meist sehr positiv dargestellt werden, sondern auch die Aufdeckung einer Klassenjustiz, bei der es sich die Oberschicht richten kann, während die Unterschicht – und vor allem Minderheiten wie Afroamerikaner – rücksichtslos abgeurteilt wird.


An Sprachversionen bietet die bei Explosive Media (Vertrieb: Koch Films) erschienene Blu-ray die englische Original- und die deutsche Synchronfassung sowie Untertitel in diesen beiden Sprachen. Die Extras umfassen neben dem originalen Kino-Trailer, entfallenen Szenen, einer Bildergalerie und rund zehnminütigen deutsch untertitelten Einführungen von Jewison und Levinson vor allem einen deutsch untertitelten Audiokommentar von Jewison, der umfangreiche Einblicke in die Besetzung und Hintergründe des Films bietet.


Trailer zu "...und Gerechtigkeit für alle"



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