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AutorenbildWalter Gasperi

Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts - Der Erste Weltkrieg im Spielfilm


Mehr als 200 Filme über den Ersten Weltkrieg sollen in den USA allein bis 1945 produziert worden sein. Eine auch nur annähernd umfassende Darstellung des Themas ist folglich kaum möglich, nur einige zentrale Spielfilme und Variationen zu diesem Thema sollen kurz vorgestellt werden.


Der Erste Weltkrieg brachte nicht nur den Einsatz neuer Waffen von U-Booten über Flugzeuge und Gas bis zu Panzern, sondern es war auch der erste Krieg, der mit der Kamera dokumentarisch und propagandistisch festgehalten wurde. Doch auch berühmte Spielfilmregisseure nahmen sich schon während der Kriegsjahre dieses Themas an.


So entstand neben anderen antideutschen amerikanischen Propagandafilmen in dieser Zeit David W. Griffiths «Hearts of the World» (1918). Weil nur geringe Teile an der französischen Front gedreht werden konnten, vermischte Griffith geschickt Dokumentar- und Atelieraufnahmen. Der Feind wird zwar nie beim Namen genannt, doch eindeutig handelt es sich dabei um Deutsche und die Handlung gipfelt in der versuchten Vergewaltigung einer von Lilian Gish gespielten Französin durch einen stiernackigen Offizier, der ebenso wie andere Soldaten von Erich von Stroheim gespielt wurde.


Auch Charlie Chaplin nahm sich schon 1918 des Ersten Weltkriegs an und schickte in «Shoulder Arms» (1918) seinen Tramp in die Schützengräben und Schlachtfelder, deren Stimmung er in dieser entlarvenden Farce bestechend einfängt. Sieben Jahre später gelang dann King Vidor mit «The Big Parade» (1925) ein Meisterwerk des Kriegsfilms. Von der Kriegsbegeisterung über verstörende Erfahrungen an der Front und Verwundung spannt sich der Bogen der Handlung und melodramatische Elemente fehlen nicht, doch daneben besticht Vidors Film auch durch zahlreiche realistische Details.


Zum Inbegriff des Films über den Stellungskrieg an der Westfront wurde aber Lewis Milestones Erich Maria Remarque-Verfilmung «All Quiet on the Western Front» (1930). Interessant ist dieser Film auch dadurch, dass hier ein Amerikaner bedingt durch die Vorlage den deutschen Blick auf den Krieg übernimmt.


Mehrere Remakes gibt es zwar, doch das Original bleibt unerreicht. Trotz seines Alters von über 80 Jahren hat dieser Film über die Fronterlebnisse des jungen Paul Bäumer dank perfekter Technik und hartem Realismus immer noch nichts von seiner erschütternden Wirkung verloren. Im gleichen Jahr gelang in Deutschland G. W. Pabst mit «Westfront 1918» (1930) ein kaum weniger eindrückliches Werk, das allerdings immer im Schatten des amerikanischen Pendants stand.


Von der liberalen und linken Kritik wurden beide Werke gefeiert, doch die Nationalsozialisten liefen dagegen Sturm. Nicht als schierer Horror sollte in ihrer Ideologie der Krieg geschildert werden, sondern als heldenhafter Einsatz fürs Vaterland. Unbedingte Opferbereitschaft und das militärische Kollektiv als sinnstiftende Einheit wurden folglich schon 1933 in Gustav Ucickys U-Boot-Drama «Morgenrot» (1933) propagiert.


Der Stellungskrieg an der Westfront ist zentraler Schauplatz der Filme über den Ersten Weltkrieg. Nicht nur ohne Sprach-, Seh- und Hörfähigkeit, sondern auch ohne Gliedmaßen lässt Dalton Trumbo in «Johnny Got His Gun» (1971) seinen Protagonisten von diesem Schlachtfeld in seine amerikanische Heimat zurückkehren.


Visuell überbordend, aber sich gerade in seinem inszenatorischen Feuerwerk auch verlierend erzählt dagegen Jean-Pierre Jeunet in «Un long dimanche de fiançailles – Mathilde – Eine große Liebe» (2004) von einer jungen Frau, die nicht glauben will, dass ihr Verlobter an der Westfront gefallen ist.


Stanley Kubrick rechnet dagegen in «Paths of Glory» (1957), in dem die Kamera immer wieder durch die Schützengräben gleitet und dann beim Sturmangriff in die Höhe fährt, um Überblick zu vermitteln, ebenso wie Joseph Losey in «King and Country» (1964) mit eisiger Kälte und schonungslosem Realismus mit dem Militarismus ab.


Völkerversöhnung steht dagegen in Jean Renoirs «La grande Illusion» (1937) im Mittelpunkt. In dem am Vorabend des Zweiten Weltkriegs entstandenen Film erzählt Renoir von einem französischen und einem deutschen Offizier, zwischen denen sich eine seltsame Gemeinschaft entwickelt. Mehr als die Nationalität trennt die Menschen hier die Zugehörigkeit zu unterschiedlichen gesellschaftlichen Klassen.


Von einer solchen Versöhnung inmitten des Krieges erzählt auch Christian Carion in «Merry Christmas» (2005). In dem auf Tatsachen beruhenden Weihnachtsfilm der anderen Art legen Soldaten der verfeindeten Mächte im Dezember 1914 ihre Waffen nieder und feiern gemeinsam das Weihnachtsfest, werden aber anschließend von ihren Vorgesetzten wegen dieses verbotenen Aktes der Fraternisierung bestraft.


Nur wenige Filme blicken auf andere Kriegsschauplätze des Ersten Weltkrieges. John Huston lässt in seinem komödiantischen Abenteuerfilm «African Queen» (1951) einen dem Alkohol zugeneigten Kapitän (Humphrey Bogart) in Deutsch-Ostafrika auf eine sittenstrenge Missionarin (Katharine Hepburn) treffen. Gemeinsam müssen sie auf seinem klapprigen Dampfboot durch die feindlichen deutschen Linien fahren.


Vor dem Hintergrund des Freiheitskampfes der Araber gegen die osmanische Herrschaft spielt David Leans «Lawrence of Arabia» (1962) und ein im Westen wenig bekanntes Kriegsereignis wird in «Gallipolli» (1981) aufgearbeitet. Peter Weir erinnert darin anhand des Schicksals zwei junger Soldaten an die Schlacht um die türkische Insel Gallipolli, bei der 4000 australische Soldaten fielen.


Den Blick auf die Schrecken des Kriegs in den Bergen, in denen zur Bedrohung durch den Feind noch natürliche Gefahren kamen, richteten wiederum Luis Trenker und Klaus Hartl in «Berge in Flammen» (1931) und wenig erfolgreich zuletzt Ernst Gossner in «Der stille Berg» (2013). In diesem Umfeld reitet Francesco Rosi in «Uomini contro - Bataillon der Verlorenen» (1970) einen scharfen Angriff gegen die herrschende Klasse der Generäle, gegen die die von einer intellektuellen Mittelschicht angeführten Soldaten sich schließlich erheben und versuchen den Krieg zu beenden.


Während bei den Filmen über die Menschen- und Materialschlachten in den Schützengräben der Westfront und an der Gebirgsfront mit der Schilderung des massenhaften Sterbens eine scharfe Anprangerung des Krieges und damit eine pazifistische Botschaft im Zentrum steht, boten sich die neuartigen Luftkämpfe für filmisch spektakuläre Szenen an. Stilbildend war hier William A. Wellmans «Wings» (1927), dessen Flugaufnahmen so realistisch waren, dass man lange Zeit glaubte, dass Originalaufnahmen aus dem Krieg verwendet wurden.


Nicht immer können diese Filme die Heroisierung der Flieger ganz vermeiden («Hell´s Angels», Regie: Howard Hughes, 1930; «Aces High – Schlacht in den Wolken», Regie: Jack Gold, 1976), besonders der deutsche Flieger Manfred von Richthofen, der sogenannte Rote Baron, boten sich zur Glorifizierung an («Von Richthofen and Brown», Regie: Roger Corman, 1971; «Der Rote Baron», Regie: Nikolai Müllerschön, 2008).


Doch schon Howard Hawks vermittelte in «The Dawn Patrol – Start in der Dämmerung» (1930) eindringlich die ständige Anspannung der Piloten und ihr auswegloses Schicksal, während in John Guillermins «The Blue Max» (1966) im Dialog Kritik an soldatischem Heldentum und Ehrenkodex geübt wird.


Ohne Kriegsszenen kommt schließlich Bertrand Tavernier in «La vie et rien d´autre» (1990) aus. Anhand der Geschichte eines französischen Offiziers, der sich zwei Jahre nach Kriegsende auf den vormaligen Schlachtfeldern mit der Suche und Identifizierung von vermissten Soldaten beschäftigt, wird leise, aber eindrücklich nicht nur an die 350.000 vermissten Franzosen, sondern allgemein an die Opfer dieses Krieges erinnert: Fast zehn Millionen Soldaten fielen während der vier Kriegsjahre, die Anzahl der zivilen Opfer wird auf weitere sieben Millionen geschätzt.


Trailer zu "All Quiet on the Western Front"



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