Die 61. Viennale (19.10. – 31.10. 2023) wartet wieder mit einer geballten Ladung an Festival-Hits dieses Jahres auch, lenkt den Blick aber nicht nur auf renommierte, sondern auch auf weniger bekannte Regisseur:innen und lässt auch die Filmgeschichte nicht zu kurz kommen. – Der Kartenvorverkauf beginnt am 14.10.
Eine Überraschung ist schon die Wahl des Eröffnungsfilms der heurigen Viennale. Nicht mit einem/einer renommierten Regisseur:in und großen Namen startet das 12-tägige Filmfest, sondern mit dem ungarischen Gesellschaftsdrama "Magyarázat mindenre – Explanation for Everything" von Gabor Reisz, der dafür heuer beim Filmfestival von Venedig im Parallelwettbewerb Orizzonti mit dem Hauptpreis ausgezeichnet wurde.
Im Gegensatz dazu sorgt mit Quentin Dupieux nicht nur ein bekannter Regisseur, sondern auch einer, der mit den 65 Minuten seines "Yannick" auch von der Länge einen markanten Gegensatz zum 152-minütigen Eröffnungsfilm setzt, für den Abschluss. – Vergnügen ist freilich garantiert, wenn ein Theaterbesucher die Vorstellung unterbricht und die Schauspieler:innen in eine zunehmend absurde Diskussion verstrickt.
Zwischen diesen Polen geht es Schlag auf Schlag. Aus Asien gibt es mit "Evil Does Not Exist", "Essential Truths of the Lake" und "The Boy and the Heron" neue Filme von "Drive My Car"-Regisseur Ryusuke Hamaguchi, dem Philippino Lav Diaz und dem Animé-Großmeister Hayao Miyazaki zu entdecken.
Als spannende Entdeckungen aus dem Fernen Osten werden angekündigt "Ben trong vo ken vang" ("Inside the Yellow Cocoon Shell") des vietnamesischen Filmemachers Pham Thien An und "Wu Yue Xue" (Snow in Midsummer"), in dem Chong Keat Aun ein besonders brutales Kapitel der Geschichte Malaysias aufdeckt.
Von der polnischen Regierung heftig kritisiert wurde Agnieszka Hollands in Venedig uraufgeführtes Flüchtlingsdrama "Zielona Granica" ("The Green Border"). Diesem Spielfilm steht der Dokumentarfilm "Nuit obsucure – Au revoir ici, n´importe ou" gegenüber, in dem Sylvain George Jugendliche, die in der spanischen Enklave Melilla von einer Flucht nach Europa träumen, durch ihren Alltag begleitet.
Gespannt sein darf man auch auf Hirokazu Koreedas "Kaibutsu" ("Monster"), Nure Bilge Ceylans "About Dry Grasses" und Bertrand Bonellos "La bête" ("The Beast"), in dem in einer KI-gelenkten Welt Emotionen kontrolliert werden, indem sie aus der DNA gelöscht werden.
Sperrige Kost wie Angela Schanelecs "Music" und Lisandro Alonsos "Eureka" findet sich hier neben dem argentinischen Gangsterfilm "The Delinquents", Rebecca Millers Berlinale-Eröffnungsfilm "She Came to Me", Matt Johnsons temporeichem und sehr unterhaltsamem Spielfilm über Aufstieg und Fall des Blackberry-Handys ("Blackberry") und Woody Allens "Coup de Chance".
Mit einer geballten Ladung präsent ist die USA. Der Bogen spannt sich hier von Michael Manns Biopic "Ferrari" über Sofia Coppolas "Priscilla" betiteltem Film über die Gattin von Elvis Presley bis zu Alexander Paynes "The Holdovers". Nicht fehlen dürfen aber auch Justine Triets hochspannender Cannes-Siegerfilm "Anatomie d´une chute", der bald darauf in den Kinos anläuft, und Yorgos Lanthimos Venedig-Sieger "Poor Things", auf den man im Kino noch bis 2024 warten muss.
Dazu kommt mit "Cerrar los oyos" ein Spielfilm, mit dem sich der Spanier Victor Erice nach 30 Jahren Leinwandabwesenheit zurückmeldet, und mit "La chimera" auch ein neuer Spielfilm von "Glücklich wie Lazzarus"-Regisseurin Alice Rohrwacher.
Zu den noch wenig bekannten Regisseur:innen zählt die Mexikanerin Lila Avilés, die bei der Berlinale mit ihrem Familiengeschichte "Tótem" begeisterte, während in Cannes mit "Augure – Omen" das bildgewaltige Debüt des belgisch-kongolesischen Star-Rappers Baloji Aufsehen erregte. Spannende Einblick in die Arbeitswelt von Animateur:innen in einem All-Inclusive-Hotel bietet Sofia Exarchous Spielfilm "Animal" und hochgelobt wird auch Bas Devos´ Spielfilm "Here".
Österreichpremiere feiert bei der Viennale aber auch Christian Petzolds federleichte Beziehungsgeschichte "Roter Himmel" und auch Philippe Garrels "Le grand chariot", in dessen Zentrum eine Familie von Puppenspieler:innen steht, kann man durchaus mögen. Dazu kommt mit Radu Judes "Do Not Expect Too Much From the End of the World" ein wilder und bissiger Blick auf die Gesellschaft des heutigen Rumänien.
Einen starken Eindruck hinterließ bei der Berlinale auch der chinesische Spielfilm "The Shadowless Tower" und sowohl mit seinem 3-D-Künstlerporträt "Anselm – Das Rauschen der Zeit" als auch mit seinem hochgelobten japanischen Film "Perfect Days" ist Wim Wenders beim größten österreichischen Filmfestival präsent.
Große Plattform bietet die Viennale auch dem österreichischen Film. Unter anderem werden so Jessica Hausner "Club Zero", Sudabeh Morezai "Europa" und Timm Kröger seinen Thriller "Die Theorie von Allem" präsentieren. Auch Adrian Goigingers "Rickerl", in dem Voodoo Jürgens einen erfolglosen Musiker spielt, und der Dokumentarfilm "Stillstand", in dem Nikolaus Geyrhalter den Corona-Lockdown begleitet, werden zu sehen sein.
Die Filmgeschichte wird gepflegt mit einer großen Retrospektive des Werks des 2011 verstorbenen Franko-Chilenen Raul Ruiz und anlässlich des 50. Jahrestags des Putschs gegen Salvador Allende gibt es auch einen Schwerpunkt zur Geschichte des chilenischen Films.
Dazu kommen Werkschauen zum Schaffen des französischen Duo Nicolas Klotz und Elisabeth Perceval sowie der 95-jährigen argentinischen Experimentalfilmerin Narcisa Hirsch. Aber auch der filmhistorische Blick auf Österreich fehlt mit einer Filmreihe zum österreichischen Kino der 80er Jahre nicht.
Weitere Informationen und das komplette Programm finden Sie hier.
Weitere Viennale-Berichte: - Sudabeh Mortezais "Europa" und Helin Çeliks "Anqa"
Viennale-Trailer von Pedro Costa
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