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AutorenbildWalter Gasperi

Viennale 2024: Festival-Hits und Filmgeschichte

Die 62. Viennale (17.10. – 29.10. 2024) bietet wieder eine vielversprechende Mischung aus heurigen Festival-Hits von renommierten Regisseur:innen und Newcomern, lässt aber auch die Filmgeschichte nicht zu kurz kommen. – Der Kartenvorverkauf startet am 12.10.


Die Alge "delesseria lancifolia", die das Plakat der 62. Viennale ziert, soll programmatisch für die heurige Filmauswahl stehen: Mit ihren sich ausbreitenden und in die Höhe strebenden Blättern, soll sie auf das den Globus umspannende Filmangebot verweisen. Das Nachdenken über Politik soll sich dabei ebenso durch die unterschiedlichen Programmsektionen ziehen wie die genaue Untersuchung zwischenmenschlicher Beziehungen, aber auch die Frage nach dem Umgang des Menschen mit Flora und Fauna soll breiten Raum einnehmen.


Kürze kennzeichnet den Eröffnungs- und den Abschlussfilm. Gerade einmal 42 Minuten lang ist Leos Carax´ autobiographischer "C´est pas moi", mit dem das Wiener Filmfestival startet, auf immerhin 68 Minuten bringt es Mati Diops Berlinale-Sieger "Dahomey", der sich mit der Rückgabe von afrikanischen Kulturgütern, die während der Kolonialzeit geraubt wurden, beschäftigt.


Das heißt aber nicht, dass Fans von richtig langen Filmen nicht auf ihre Kosten kommen. Immerhin finden sich mit "Phantosmia" des Filippino Lav Diaz und dem Dokumentarfilm "Youth (Hard Times)" des Chinesen Wang Bing zumindest zwei Vierstünder im Programm. Bing ist zudem mit dem zweieinhalbstündigen "Youth (Homecoming)" vertreten, mit dem er seine Trilogie über junge chinesische Textilarbeiter abschließt. Das Opus magnum steuert aber der Grieche Dimitris Athiridis bei, der im 14-stündigen Dokumentarfilm "Exergue - On Documenta 14" dokumentiert, wie der künstlerische Leiter der Documenta 14, Adam Szymczyk, mit seinem Kuratorenteam die renommierte Kunstausstellung 2017 in Kassel und Athen vorbereitete.


Leuchttürme der Viennale sind wie gewohnt zahlreiche Festivalerfolge dieses Jahres. Der Bogen spannt sich hier von Pedro Almodóvars Venedig-Sieger "The Room Next Door" bis zu Sean Bakers Cannes-Sieger "Anora". An bekannten Namen kommen aber beispielsweise auch Andreas Dresen mit der NS-Widerstandsgeschichte "In Liebe, Eure Hilde", Victor Kossakovsky mit dem bildmächtigen Essayfilm "Architecton", David Cronenberg mit "The Shrouds" oder Mohammad Rasoulof mit "The Seeds of a Sacred Fig Tree" dazu.


Jacques Audiards Musical "Emilia Perez" feiert in diesem Rahmen ebenso seine Österreich-Premiere wie Brady Corbets fast vierstündiges Architekten-Drama "The Brutalist". Während Walter Salles mit "I´m Still Here" seinen ersten Spielfilm seit zwölf Jahren präsentiert, ist der koreanische Schnellfilmer Hong Sang-soo sowohl mit seinem Berlinale-Beitrag "A Traveller´s Need" als auch mit seinem Locarno-Beitrag "By the Stream" vertreten.


Herrlich schräges und durchgeknalltes Kino fehlt mit Bruno Dumonts "L´Empire" ebenso wenig wie beispielsweise mit Ben Rivers "Bogancloch" oder mit "Fogo de vento" der Portugiesin Marta Mateus sperrigere Kinokost. Gespannt sein darf man aber auch auf Albert Serras vor kurzem in San Sebastian mit dem Hauptpreis ausgzeichneten Stierkampf-Dokumentarfilm "Tardes de Soledad" oder auf Nora Fingscheidts ("Systemsprenger") "The Outrun".


Immer bietet die Viennale aber auch österreichischen Filmen eine große Plattform. Kurdwin Ayubs Locarno-Preisträger "Mond" feiert so ebenso seine Österreich-Premiere wie Mo Harawes "The Village Next to Paradise", Bernhard Wengers "Pfau - Bin ich echt?" oder Alexander Horwaths Essayfilm "Henry Fonda for President".


Aber auch Filme aus im Kinoalltag wenig präsenten Filmländern und von noch unbekannten Regisseur:innen fehlen nicht und bieten Möglichkeiten zu überraschenden Entdeckungen. Der Bogen spannt sich hier vom Rungano Nyoni beim Filmfestival von Cannes uraufgeführtem "On Becoming a Guinea Fowl", in dem es um das Nebeneinander von matriarchalen und patriarchalen Strukturen im heutigen Sambia gehen soll, bis zum estnischen Locarno-Preisträger "Seses – Drowning Dry" von Laurynas Bareišas. Nicht mehr ganz so unbekannt sind seit "Das merkwürdige Kätzchen" und "Das Mädchen und die Spinne" die Zwillingsbrüder Ramon und Silvan Zürcher, die mit dem meisterhaften Familienporträt "Der Spatz im Kamin" ihre "Tier"-Trilogie abschließen.


Zu den Langfilmen kommen aber auch mehrere Kurzfilmprogramme und wie gewohnt wird auch die Filmgeschichte gepflegt. Die gemeinsam mit dem Österreichischen Filmmuseum kuratierte Retrospektive widmet sich heuer dem 1999 verstorbenen amerikanischen Dokumentarfilmer Robert Kramer, während in Zusamenarbeit mit dem Österreichischen Filmarchiv unter dem Titel "Out of the Spotlight" die österreichische Schauspielerin Helene Thimig, deren Karriere erst nach ihrer Emigration in die USA Fahrt aufnahm und deren Todestag sich heuer zum 50. Mal jährt, dem Vergessen entrissen werden soll.


Mit einer Filmreihe, deren Bogen sich vom 1940 entstandenen "Tuition" bis zu Park Chan-wooks "The Handmaiden" (2016) spannt, wird aber auch Einblick in die Darstellung der japanischen Kolonializeit im koreanischen Kino geboten. Dazu kommen Monographien zur Arbeit des mexikanischen Kollektivs Los Ingrávidos, das für ein experimentelles Kino steht, das zur aktuellen Situation Mexikos Stellung bezieht, und der brasilianischen Filmemacherin Juliana Rojas, die immer wieder lustvoll mit Genreelementen spielt, sowie eine Präsentation kürzlich digital restaurierter Klassiker wie Robert Bressons "Quatre nuits d´un reveur" oder von drei Filmen des Filippino Lino Brocka.


Dazu kommen Gespräche und Diskussionen mit Filmemacher:innen, eine Masterclass mit Bruno Dumont und Parties bei freiem Eintritt.



Das detaillierte Programm und weitere Informationen finden Sie hier.


Viennale-Trailer von Radu Jude



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