Kommentarlos vermittelt Romuald Karmakar in seinem dreistündigen Dokumentarfilm vorwiegend in langen statischen Totalen einen Einblick in den Alltag im Zürcher Zoo im Wechsel der Jahreszeiten und zeigt auch, welche logistischen Aufwendungen nötig sind, um den Eindruck von Natürlichkeit zu erzeugen.
Nach dem Wiener Zoo gehört der Zürcher Zoo zusammen mit dem Leipziger Zoo zu den besten Einrichtungen dieser Art in Europa. Von Herbst 2018 bis Herbst 2019 und dann nochmals während der Corona-Zeit drehte Romuald Karmakar in der Institution, die zu den am meisten besuchten Sehenswürdigkeiten der Schweiz zählt.
Minutenlang erfasst die Kamera in einer statischen Totalen eine tiefgrüne Farn- und Regenwaldlandschaft, auf die mal schwächer, mal heftiger Regen niederprasselt. In den Dschungel fühlt man sich versetzt und doch ist dies eine künstliche Landschaft inmitten der Schweiz. Diese erste Einstellung stimmt nicht nur auf den Erzählstil mit unkommentierten und musiklosen, statischen Totalen, sondern auch auf die Schaffung einer Welt, die völlig künstlich ist, aber den Eindruck von möglichst großer Natürlichkeit erwecken soll, als eines der zentralen Themen ein.
Besonders deutlich wird dies beim Bau der Lewa Savanne, bei der mit riesigen Metallrohren und Beton in mehrjähriger Arbeit ein Baobab-Baum errichtet und mit unterschiedlichsten Materialien der Eindruck eines möglichst natürlichen Bodens geschaffen wird. Unsichtbar soll für die Besucher:innen die Künstlichkeit dieser Landschaft ebenso bleiben, wie die Unmengen an Futter und Mäusen, die an die Tiere verfüttert werden müssen oder auch die Schlachtung eines Zebras, die akribisch geschildert wird.
Bei Diskussionen über die Verhütung bei Tapiren sind Karmakar beziehungsweise seine beiden zusätzlichen Kameramännern Frank Griebe und Ian Oggenfuss ebenso dabei wie bei der Frage nach dem Umgang mit der Überpopulation an Elefanten-Bullen oder bei Bewerbungsgesprächen für eine ehrenamtliche Mitarbeit. Dem Blick auf die Tiere, wie einem träge daliegenden Alligator oder durch das Freigehege rasenden Sprungantilopen steht mit einem Perspektivenwechsel der Blick auf die Besucher:innen gegenüber, die teilweise nur über die Tiere staunen, teilweise bei Führungen belehrt werden.
Auf jeden externen Kommentar verzichtet Karmakar, aber gerade in dieser Beschränkung auf die distanzierte Beobachtung, die "Der unsichtbare Zoo" mit den Institutionen-Filmen des Direct Cinema-Großmeisters Frederick Wiseman ("National Gallery", 2014; "Ex Libris – The New York Public Library", 2017 ; "Menus Plaisir – Les Troisgros", 2023) verbindet ist dieser Zoo-Film aufregend ambivalent. Denn auch wenn der Direktor immer wieder erklärt, dass das Ziel des Zoos sei, die Besucher:innen für die Fauna zu sensibilisieren und ihren Respekt für die Tierwelt zu steigern, wird doch immer auch nicht nur die Künstlichkeit sichtbar, sondern auch, wie die Bewegungsfreiheit hier begrenzt ist.
Da wird mit einem Schnitt die Glasscheibe sichtbar, die das Krokodil von den Besucher:innen trennt, und die Sprungantilopen können doch immer nur dieselben Kreise drehen, während die geballte Kraft und Gefährlichkeit eines Tigers spürbar wird, wenn er in seinem engen Käfig brüllend auf einen Ball eindrischt. So muss man als Zuschauer:in selbst eine Position zu dem Gezeigten beziehen und die Frage nach Zeitgemäßheit, Sinnhaftigkeit und Artgerechtheit solcher Einrichtungen für sich entscheiden.
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