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AutorenbildWalter Gasperi

Vom Dickens-Experten zum großen Epiker: David Lean


David Lean (1908 - 1991)

Weltruhm erlangte der am 25. März 1908 im englischen Croydon geborene David Lean mit Filmen wie "The Bridge on the River Kwai", "Lawrence of Arabia" und "Doctor Zhivago", am Anfang seiner Karriere standen aber psychologische Kammerspiele und atmosphärisch dichte Dickens-Verfilmungen. Das Stadtkino Basel widmet dem 1991 verstorbenen, zweifachen Oscar-Gewinner eine Retrospektive.


Als Sohn von Quäkern war es David Lean in seiner Jugend verboten Theater und Kinos zu besuchen, dennoch begann er schon mit 19 Jahren als Aushilfskraft in britischen Filmateliers. Von der Pieke auf hat er dadurch das Geschäft gelernt und sich über die Tätigkeit als Schnittmeister bei Wochenschauen und später bei Spielfilmen zum Regisseur hoch gearbeitet. – Ein langer Weg war dies und Lean war, als er im Jahr 1942 erstmals Regie führte, immerhin schon 34 Jahre alt.


Zusammen mit dem Bühnenautor Noel Coward drehte er 1942 den Kriegsfilm "In Which We Serve" und Coward lieferte auch die Vorlage zu Leans ersten eigenen Filmen, zur frivol-makabren Geisterkomödie "Blithe Spirit" (1944) und dem Liebesdrama "Brief Encounter" (1945). So klein und banal die Geschichte um einen Mann und eine Frau, beide verheiratet, die sich zufällig in einem Bahnhof treffen und verlieben auch ist, so bewegend gestaltete sie Lean dank seines genauen Blicks für Details und kleine Gesten sowie des Gespürs für Atmosphäre.


Das Atmosphärische und schauspielerische Glanzleistungen von Alec Guinness – ein Stammschauspieler Leans – zeichnen auch die Dickens-Verfilmungen "Great Expectations" (1946) und "Oliver Twist" (1948) aus. Sensibel leuchtet der Brite in diesen Filmen aber beispielsweise auch in "Summertime" ("Traum meines Lebens", 1955), in dem sich eine alternde Frau in Venedig nochmals verliebt, die psychische Verfassung der Figuren aus.


Zwischen 1957 und 1984 drehte Lean nur noch fünf Filme, allerdings extrem zeit- und kostenintensive Großproduktionen. Oscars räumte er mit "The Bridge on the River Kwai" (1957), "Lawrence of Arabia" (1962), "Doctor Zhivago" (1965) und "A Passage to India" (1984) serienweise ab und die kommerziellen Erfolge machten Lean zum damals erfolgreichsten Regisseur aller Zeiten. Schauwerte und weit ausholende äußere Handlung fehlen in diesen Filmen zwar nicht, doch auch die Psychologie der Figuren wird nicht vernachlässigt.


Der Kampf des Individuums gegen gesellschaftliche Zwänge und Machtkonstellationen ist dabei ein wiederkehrendes Motiv. In "The Bridge on the River Kwai" leistet ein englischer Oberst in japanischer Kriegsgefangenschaft lange dem japanischen Befehlshaber erbitterten Widerstand, bis er sich aus Ehrgeiz und kolonialistischer Arroganz voll in den Bau der Eisenbahnbrücke hineinkniet, diese am Ende aber wieder sprengt.


Widersprüchlich ist auch die Hauptfigur von Leans nächstem Film "Lawrence of Arabia" (1962), in dem ein britischer Offizier während des Ersten Weltkriegs mit arabischen Stämmen gegen die Türken kämpft. Als er aber feststellen muss, dass die Kolonialmächte Frankreich und England nicht beabsichtigen die Araber in die Unabhängigkeit zu entlassen, schlägt er sich auf die Seite der Araber und versucht auch die westliche Kultur abzulegen und die arabische anzunehmen.


Kommerziell noch erfolgreicher als dieses komplexe Epos, aber unter der kitschigen Musik von Maurice Jarre leidend ist die Pasternak-Adaption "Doctor Zhivago" (1965), in dem wiederum Individuum und gesellschaftlich-historische Bedingungen im Widerspruch stehen, wenn zwei Liebende aufgrund der Wirren der Russischen Revolution nicht zueinander finden.


Auch in dem an der stürmischen Westküste Irlands spielenden "Ryan´s Daughter" (1969) steht eine Liebesgeschichte im Mittelpunkt, die an gesellschaftlichen Zwängen zu scheitern droht: Nicht geduldet wird im Irland der 1920er Jahre, dass eine verheiratete Frau mit einem britischen Offizier eine Affäre beginnt. – Entmutigt von der negativen Aufnahme dieses Films und aufgrund des Scheiterns verschiedener, später von anderen Regisseuren realisierter Projekte wie "Gandhi" oder "Out of Africa" entstand Leans nächster und zugleich letzter Film erst 15 Jahre später.


In "A Passage to India" (1984) erzählt dieser große britische Epiker nach einem Roman von E.M. Forster aus der Perspektive zweier Engländerinnen von einer Reise ins kolonialistische Indien, die gleichzeitig zu einer Reise ins Innere der Protagonistinnen wird. – Nicht mehr verwirklichen konnte Lean, der am 16. April 1991 starb die geplante Verfilmung von Joseph Conrads Roman "Nostromo".


Weitere Informationen zu den einzelnen Filmen und Spieldaten finden Sie hier.


Die besten Einstellungen in David Lean-Filmen


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