Alljährlich Ende September schließt das Filmfestival von San Sebastian/Donostia (20.9. – 28.9. 2019) den spätsommerlichen Festivalreigen mit Venedig, Toronto und Telluride ab. 17 Filme konkurrieren heuer um die Goldene Muschel.
Da die ganz großen Regisseure ihre neuen Filme meist in Venedig präsentieren, ist San Sebastian in der Regel eine Plattform für noch nicht so arrivierte Filmemacher, vor allem aber natürlich für das spanische und lateinamerikanische Filmschaffen. Viele Produktionen werden auch vom Filmfestival von Toronto übernommen: Was in der kanadischen Metropole Weltpremiere feiert, feiert am Golf von Biskaya seine Europapremiere.
Das gilt auch für den Eröffnungsfilm „Blackbird“ von Roger Michell. Im Remake von Bille Augusts „Silent Heart“ wird am Schicksal einer todkranken Frau das Thema Sterbehilfe verhandelt. Mit Susan Sarandon, Kate Winslet, Mia Wasikowska und Sam Neill sind Starpower und starkes Schauspielerkino bei diesem Drama zu erwarten.
Die bei den Programmen von Filmfestivals immer wieder aufflackernden Genderdebatten dürften in San Sebastian ausbleiben, denn stark sind die Frauen hier im Wettbewerb um die Goldene Muschel vertreten.
Die Deutsche Ina Weisse wurde mit ihrem zweiten Spielfilm „Das Vorspiel“ eingeladen, in dem es um eine Geigenlehrerin geht, die sich um einen Schützling mehr kümmert als um ihre Familie, Die Kanadierin Louise Archambault erzählt in „Il pleuvait des oiseaux“ von zwei ineinander verflochtenen Schicksalen, während Sarah Gavrons „Rocks“ um zwei Geschwister im Teenageralter kreist, die fürchten getrennt zu werden, falls die Behörden erfahren, dass sie allein leben.
Im Zentrum von Alice Winocours „Proxima“, der mit Eva Green und Matt Dillon prominent besetzt ist, steht wiederum eine französische Astronautin, die sich in einem Raumfahrtzentrum als einzige Frau unter Männern auf ihren Weltraumflug vorbereiten muss und daneben ihre siebenjährige Tochter vernachlässigt. Zu den bekannteren Namen zählt die Polin Malgorzata Szumowska, deren bisherige Filme in Locarno und Berlin gezeigt und ausgezeichnet wurden. In „The Other Lamb“ erzählt Szumowska von einer Jugendlichen, die sich einer Sekte anschließt.
Mit der Empfehlung in San Sebastian schon 2017 den Hauptpreis für „The Disaster Artist“ gewonnen zu haben, kommt der Amerikaner James Franco ins Baskenland. Er wurde mit der Verfilmung von Steve Ericksons im Hollywood der späten 1960er Jahre spielenden Roman „Zeroville“ eingeladen. Der Franzose Guillaume Nicloux setzt dagegen in „Thalasso“ seine Zusammenarbeit mit dem Autor Michel Houellebecq fort, die er mit „Die Entführung des Michel Houellebecq“ begonnen hat.
Aus Kasachstan kommt Adilkhan Yerzhanovs „A Dark-Dark Man“, in dem ein Inspektor und ein Journalist im Fall eines toten Kindes ermitteln, während aus China Sonthar Gyal mit „Lhamo and Skalbe“ eingeladen wurde. Im Mittelpunkt dieses Films steht ein Paar, das kurz vor der Heirat von seiner Vergangenheit eingeholt wird.
Gewohnt stark vertreten sind in San Sebastian das lateinamerikanische und das spanische Filmschaffen. Aus Mexiko wurde David Zonanas Spielfilmdebüt „Workforce“ eingeladen, in dem die Lebens- und Arbeitsbedingungen von Bauarbeitern geschildert werden. Aus Chile kommt dagegen mit José Luis Torres Leivas „Death Will Come and Shall Have Your Eyes” ein Film, in dem zwei Frauen angesichts des nahen Todes auf ihre langjährige Liebe zurückblicken, während der Brasilianer Paxton Winters in „Pacified“ eine Vater-Sohn-Geschichte erzählt.
Aus Spanien kommen drei Bewerber für die Goldene Muschel. Während Alejandro Amenábars „While at War“ und Aitor Arregis, Jon Garanos und José Mari Goenagas „The Endless Trench“ Geschichten aus dem Spanischen Bürgerkrieg und der Franco-Diktatur erzählen, widmet sich Belén Funes in „A Thiefs Daughter“ einer schwierigen Vater-Tochter-Beziehung.
Highlights am Fließband vom Cannes-Sieger „Parasite“ bis zu Hirokazu Kore-edas Venedig-Eröffnungsfilm „La verité“ bietet wie gewohnt die Reihe „Perlak – Pearls“, während die Sektion „New Directors“ die Chance auf internationale und die Sektion „Horizontes Latinos“ auf lateinamerikanische Entdeckungen bietet. Dazu kommt mit „Made in Spain“ wie gewohnt eine Plattform fürs aktuelle spanische Filmschaffen und eine große Retrospektive, die heuer dem mexikanischen Filmregisseur und Drehbuchautor Roberto Gavaldon (1909 – 1986) gewidmet ist.
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