Mit 217 Filmen sollen die Solothurner Filmtage wieder einen Überblick über das aktuelle Schweizer Filmschaffen vermitteln. Dazu kommen Schwerpunkte wie das "Rencontre", das der Filmeditorin Katharina Türler gewidmet ist, eine historische Filmreihe zu Utopien im Schweizer Film und Hommagen an im letzten Jahr verstorbene Schweizer Filmemacher.
Konnten die Solothurner Filmtage 2021 aufgrund von Corona nur digital stattfinden und waren die Bedingungen aufgrund der Pandemie 2022 erschwert, so darf man jetzt wieder darauf hoffen, in der malerischen Schweizer Barockstadt am Fuße des Juras eine Festivalwoche wie früher zu erleben.
642 Filme wurden für die 58. Solothurner Filmtage eingereicht, 217 wurden ausgewählt. Eröffnet wird das Festival, für das erstmals der Luganer Niccolò Castelli als künstlerischer Leiter verantwortlich zeichnet, mit dem Dokumentarfilm "This Kind of Hope". Der schweizerisch-polnische Filmemacher Pawel Siczek porträtiert darin den früheren belarussischen Diplomaten und ehemaligen stellverstretenden Außenminister Andrei Sannikov, der unter Präsident Alexander Lukaschenko seinen Dienst quittierte.
Für den mit 60.000 Schweizer Franken dotierten Wettbewerb um den Prix de Soleure, der auf gesellschaftlich relevanten, humanistischen Filmen fokussiert, wurden heuer fünf Dokumentar- und zwei Spielfilme ausgewählt. Sechs der sieben Filme feiern in Solothurn ihre Weltpremiere. Während "This Kind of Hope" den Kampf für Menschenrechte und Demokratie" thematisiert, spürt Nadja Fares in "Big Little Women" den Auswirkungen der patriarchalen Tradition nach, indem sie Okzident und Orient einander gegenüberstellt.
Jan Baumgartner porträtiert dagegen in "The DNA of Dignity" forensische Anthropolog:innen, die anhand von sterblichen Überresten Menschen, die in den 1990er Jahren im Balkankrieg verschwunden sind und getötet wurden, zu rekonstruieren. Luzia Schmid wiederum zeichnet in "Trained to See - Three Women and the War" die Porträts von drei Frauen, die im Zweiten Weltkrieg als Kriegskorrespondentinnen tätig waren. Autobiographisch geprägt ist "The Curse", in dem die Schweizerin Maria Kaur Bedi und der Inder Satinder Singh Bedi von ihrer Liebe erzählen, die durch Sucht zu zerbrechen droht.
Einem schweren Thema widmet sich auch Fisnik Maxville, der in seinem Spielfilm "The Land Within", von der Exhumierung eines Massengrabes im Kosovo erzählt, während sich Sophie Jarvis´ "Until Branches Bend", in dem ein Mann in einem Pfirsich ein vermeintlich invasives Insekt entdeckt, das eine Gefahr darstellt, sich mehr am Genrekino zu orientieren scheint.
Nicht nur geschlechtermäßig ausgewogen ist mit vier Filmen von Männern und vier von Frauen der Wettbewerb um den mit 20.000 Schweizer Franken dotierten Prix du Public, sondern auch formal mit vier Dokumentarfilmen und vier Spielfilmen. Auch hier gibt es neben zwei nationalen Premieren drei Weltpremieren.
Einem historischen Stoff widmet sich Laurent Nègre, der in seinem Spielfilm "A Forgotten Man" vom Schweizer Botschafter in Nazi-Deutschland erzählt, der nach Kriegsende in seine Heimat zurückkehrt. Pablo Martín Torrado lässt dagegen in "Vous n´êtes pas Ivan Gallatin einen intriganten Hausbesitzer auf einen säumigen Mieter treffen, während in Yona Rozenkiers "Le voyage à Eilat" ein Vater und sein Sohn mit einem Traktor zu einer Reise durch Israel aufbrechen. Im Gegensatz zu diesen Filmen ist Steven Michael Hayes starke Familiengeschichte "Jill" schon in den Schweizer Kinos gelaufen.
Bei den Dokumentarfilmen darf man sich unter anderem auf "The Mies van der Rohes" freuen, in dem Sabine Gisiger sich den Frauen um den legendären Architekten Mies van der Rohe widmet. Suzanna Fanzun spürt dagegen in "I Giacometti" der Künstlerdynastie der Giacomettis nach.
Auf zwei Flüchtlingen fokussieren dagegen Dani Heusser in "Amine – Held auf Bewährung" und Floriane Devigne in "Juste Charity". Während im Mittelpunkt von "Amine" ein junger, aus Guinea geflüchteter Mann steht, der während der Corona-Pandemie die gratis Essensverteilung "Essen für alle" initiierte, geht es in "Just Charity" um eine junge Nigerianerin, die nach der Flucht aus ihrer Heimat in Frankreich auf dem Straßenstrich landete, dann aber beschloss, das Netz ihrer Zuhälter anzuzeigen.
Vielversprechend klingen auch die Filme, die um den ebenfalls mit 20.000 Franken dotierten "Opera Prima" für das beste Erstlingswerk konkurrieren. Ena López Riera entführt beispielsweise in "El agua" in ein kleines spanisches Dorf, dessen Existenz durch Überflutung gefährdet ist. Carmen Jaquier versetzt dagegen in die Südschweiz des Jahres 1900 und erzählt von einer jungen Klosterschwester, die nach dem Tod ihrer älteren Schwester zu ihrer Familie und einem Leben harter Arbeit zurückkehren muss.
Michael Urs Reber wiederum begleitet im Dokumentarfilm "The Deminers" Landminenräumer aus Simbabwe, die auf den britischen Falklandinseln Minen beseitigen, während Dennis Stauffer in "Theory of Change" die junge Politbewegung "Operation Libero" bei ihrer Kampagne für die Nationalratswahlen 2019 begleitet.
Die Sektion "Upcoming" bietet eine Plattform für junge Filmschaffende, die hier ihre kurzen Experimente sowie Video Clips vorstellen können. Renommierte Persönlichkeiten des Schweizer Filmschaffens werden dagegen alljährlich im "Rencontre" vorgestellt und gewürdigt. Heuer ist diese Sektion der Filmeditorin Katharina Türler gewidmet, in deren Schaffen mit Filmgesprächen, aber auch mit einer Filmreihe Einblick geboten wird.
Im historischen Spezialprogramm "Utopien" wiederum werden unter anderem Klassiker des Schweizer Films wie Richard Dindos "Dani, Michi, Renato und Max" oder Alain Tanners "Jonas qui aura 25 ans ein l´an 2000" gezeigt. Alain Tanner darf selbstverständlich auch nicht fehlen bei den Hommagen an Schweizer Fimschaffende, die im letzten Jahr verstarben.
Während der Westschweizer mit "Messidor" präsent ist, ist Jean Luc-Godard mit "Éloge de l´amour" vertreten. An Friedrich Kappeler wird mit dessen Künstlerporträt "Adolf Dietrich – Kunstmaler" erinnert und des Drehbuchautors Michael Sauter wird mit Manuel Flurin Hendrys Krimi "Strähl" gedacht.
Dazu kommen vielfältige Gesprächsrunden zum aktuellen Schweizer Filmschaffen, aber auch die Sektion "Fokus", die sich der künstlerischen Verwendung von Archivbildern im Spiel- und Dokumentarfilm widmet, oder die Sektion "Im Atelier", die den Verbindungen von darstellenden Künsten sowie Theater und Film nachspürt.
Weitere Informationen finden Sie hier.
Trailer zu den Solothurner Filmtagen
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