John Crowley erzählt eine klassische Liebesgeschichte, lässt aber durch eine achronologische Erzählweise Glück und Leid und damit Komödie, Romanze und Drama fließend ineinander übergehen. Getragen wird der stimmige Genre-Mix von den blendend harmonierenden Hauptdarsteller:innen Florence Pugh und Andrew Garfield.
Film ist untrennbar mit Zeit verbunden, läuft die Handlung bei einer Vorführung doch in einem bestimmten Tempo und mit genau definierter Laufzeit ab. Nicht immer muss dabei aber die Chronologie eingehalten werden. Um den mühsamen Prozess des Erinnerns zu vermitteln kann auch rückwärts erzählt werden wie in Christopher Nolans "Memento" (2000) oder in Gaspar Noes "Irreversible" (2002).
Der Ire John Crowley, der sich schon mit dem Emigrant:innendrama "Brooklyn – Eine Liebe zwischen zwei Welten" (2015) als feinfühliger Erzähler erwiesen hat, erzählt in "We Live in Time" zwar eine klassische Liebesgeschichte, die sich inhaltlich nicht wesentlich von Filmen wie dem Kassenschlager "Love Story" (1970) unterscheidet, verzichtet aber auf eine lineare Erzählweise und wirbelt die Chronologie der Ereignisse durcheinander.
In kurzen Szenen stellt Crowley so nicht nur die Spitzenköchin Almut (Florence Pugh) ebenso bei ihrer Arbeit vor wie den Müsli-Vermarkter Tobias (Andrew Garfield), sondern stellt auch der hochschwangeren Almut eine niederschmetternde Krebsdiagnose gegenüber. Wie im Leben stehen so Glück und Schmerz unmittelbar nebeneinander.
Zwar werden die Szenen mit Fortdauer des Films länger, aber eine klare Chronologie stellt sich erfreulicherweise nicht ein. Vielmehr lassen Crowley und sein Drehbuchautor Nick Payne durchgängig immer wieder gegensätzliche Momente aufeinanderprallen, stecken dabei aber auch alle klassischen Situationen einer Beziehung ab. Der Bogen spannt sich von der zufälligen ersten Begegnung über das erste Date und eine leidenschaftliche erste Nacht bis zu einem Abend mit Verwandten, einer Krise in der Beziehung aufgrund unterschiedlicher Vorstellungen bezüglich Lebensplanung, Geburt eines Kindes und Hochzeitsplanung sowie schwerer Krankheit.
Bruchlos gehen dabei nicht nur Komödie, Romanze und Drama ineinander über, sondern in der Kürze und Beiläufigkeit der Szenen wird auch die Flüchtigkeit des Augenblicks spürbar. Außer einer ziemlich verrückten Geburtsszene wird kaum ein Moment breit ausformuliert, sodass sich nie ein großes Drama entwickelt.
Die achronologische Erzählweise erzeugt aber auch eine gewisse Distanz, die das Aufkommen von Sentimentalität verhindert. Von außen scheint Crowley nämlich dadurch auf seine Protagonist:innen zu blicken, übernimmt nie zwingend ihre Perspektive, sondern behandelt sie konsequent gleichwertig. Gleichzeitig bleibt der Film durch die Kürze der Szenen immer leicht, ohne dass dabei die Tragik der heimtückischen Krankheit verharmlost würde.
Über die Liebesgeschichte hinaus thematisiert "We Live in Time" aber auch durchgängig das Spannungsfeld von persönlicher Beziehung und beruflichen Träumen. Im Zentrum steht dabei Almut, die schon in Kinderjahren eine ehrgeizige Eiskunstläuferin war, und nun ihre Karriere als Köchin nicht für Tobias und eine Familie aufgeben will. Trotz oder gerade wegen ihrer Krankheit will sie im Leben noch beruflich etwas erreichen, was nicht so schnell in Vergessenheit gerät.
Mit viel Fein- und Mitgefühl blickt Crowley auf dieses Paar und kann dabei auch auf seine beiden blendend harmonierenden Hauptdarsteller:innen Florence Pugh und Andrew Garfield vertrauen. Sie vermitteln die Anziehungskraft und Liebe von Tobias und Almut ebenso überzeugend wie deren unterschiedlichen Charakter. Wenn dem Familienmenschen Tobias, dessen Beruf im Film keine große Rolle spielt, die leidenschaftliche Starköchin Almut gegenübergestellt wird, wird spürbar wie die unterschiedliche Schwerpunktsetzung die Beziehung mehrfach belastet, aber letztlich feiert Crowley die Liebe, die dieses Paar trotz seiner Gegensätze zusammenhält.
We Live in Time
Großbritannien / Frankreich 2024 Regie: John Crowley mit: Florence Pugh, Andrew Garfield, Adam James, Marama Corlett, Aoife Hinds, Nikhil Parmar, Heather Craney Länge: 108 min.
Läuft derzeit in den Kinos, z.B. im Cinema Dornbirn, Kino Bludenz, Skino Schaan und Kinotheater Madlen in Heerbrugg.
Trailer zu "We Live in Time"
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