Ein Mann hat seine Familie verlassen und lebt in der norwegischen Bergeinsamkeit als steinzeitlicher Jäger und Sammler. Doch ein Drogenschmuggler stört seine Ruhe. – Mit Einfallsreichtum und herrlich schrägen Typen rechnet Thomas Daneskov in seiner schwarzhumorigen Komödie mit längst überholten, aber immer noch virulenten Bildern von Männlichkeit ab.
Die endlos weite, karge und in Grau getauchte norwegische Felslandschaft evoziert zum Auftakt eine Atmosphäre der Kälte. Doch gerade hierher ist der Däne Martin (Rasmus Bjerg) geflüchtet. Autark will er wie ein steinzeitlicher Jäger mit Fellkleidung und Pfeil und Bogen in einem Zelt leben. Doch ganz so einfach ist dieses Leben doch nicht: Den Ziegenbock trifft zwar sein Pfeil, doch die Beute kann entkommen. Zufriedengeben muss er sich so mit einem Frosch als kargem Abendmahl.
Weil Martin davon aber doch nicht satt wird, sucht er eine Tankstelle auf. Ein starker Kontrast ergibt sich aus dem modernen, hell erleuchteten Bau und dem urigen Mann im Fell. Ein Konflikt entwickelt sich auch daraus, dass Martin statt mit Geld zu bezahlen, einen Tausch Lebensmittel gegen Teile seiner Felle oder seine Axt anbietet. Als der Tankstellenangestellte darauf nicht eingehen will, kommt es zu Handgreiflichkeiten.
Bewegung kommt in Martins Leben auch, als drei Drogenschmuggler in der Nähe seines Zelts verunfallen und sich deren Anführer Musa (Zaki Youssef) mit einer Sporttasche voll Geld zu Martin retten kann. Der näht nicht nur – selbstverständlich ohne Betäubung – Musas schwer lädiertes Bein, sondern bricht mit diesem auch auf, um ihn zur Fähre Richtung Dänemark zu bringen.
Gesucht werden beide freilich inzwischen von der örtlichen Polizei, die sich dabei aber nicht besonders intelligent anstellt. Dazu kommen Musas Komplizen, die den Unfall überlebt haben, und sich von ihrem verschwundenen Boss hintergangen fühlen, und auch Martins Gattin (Sofie Gråbøl) trifft mit ihren beiden Töchtern im Volksschulalter in Norwegen ein, um ihren Mann zu suchen.
Nicht von einer stringenten Handlungsführung lebt der zweite Spielfilm von Thomas Daneskov, der mit seinem schwarzen Humor und der teilweisen Lust am Deftigen an die Filme seines Landsmannes Anders Thomas Jensen ("Riders of Justice", "Adams Äpfel") erinnert. Vielmehr baut der Däne ein breites Netz mit mehreren Parallelhandlungen auf und setzt auf herrlich schräge Typen und lustvoll ausgespielte Details, wie das herrlich unbeholfene Agieren der Polizisten oder Probleme mit dem Kaninchen von Martins Töchtern.
Immer wieder wird aber auch Martins Verständnis von Männlichkeit hinterfragt. Unfähig mit seiner Frau über seine Gefühle zu reden ist er lieber in die Wildnis geflohen. Hier ist er allerdings auch kaum überlebensfähig. Bei der Jagd ist sein Begleiter Musa nämlich wesentlich erfolgreicher mit seiner Pistole als er mit Pfeil und Bogen und seine Vorstellungen vom Moos als natürlichem Kompass, mit dem man sich orientieren kann, sind auch nicht zielführend.
Nur Verkleidung ist so letztlich Martins Auftreten und das Thema Authentizität und Wahrhaftigkeit kommt auch ins Spiel, wenn das Duo in ein Wikingerdorf kommt, in dem die Bewohner*innen nach außen vorgeben wie ihre Vorfahren zu leben. In Wahrheit spielen sie aber nur den Touristen dieses Leben vor, fahren einen BMW, nutzen ein I-Phone und selbstverständlich muss hier auch fürs Essen mit norwegischen Kronen bezahlt werden. – Kreditkarten werden selbstverständlich auch akzeptiert.
Wunderbar trocken ist das inszeniert, aber allzu sehr zerfällt "Wild Men", der gleichermaßen Buddy-Movie wie im Finale die Geschichte einer Läuterung ist, doch in einzelne Szenen. Andererseits gibt es aber immer wieder eindrückliche Momente, in denen Absurdes und Berührendes fließend ineinander übergeht. So gewinnt auch der Chef der Polizei Profil, wenn er zunächst scheinbar völlig unpassend von seiner Leidenschaft fürs Fliegenfischen spricht, dann aber diese in Beziehung zu seiner Ehe setzt. Berührend wird dabei auch auf dieser Ebene sichtbar, wie wenig Männer mit ihren Gefühlen umgehen können und wie schwer sie es sich damit im Leben machen und immer wieder Beziehungen gefährden.
Wild Men Dänemark 2021 Regie: Thomas Daneskov mit: Rasmus Bjerg, Zaki Youssef, Bjørn Sundquist, Sofie Gråbøl Länge: 104 min.
Läuft derzeit in den Schweizer Kinos, z.B. im Kinok St. Gallen und im Skino Schaan
Trailer zu "Wild Men"
Comentários