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AutorenbildWalter Gasperi

Wildes Land - Die Rückkehr der Natur (Wilding)

David Allen zeichnet nach, wie aus dem durch jahrhundertelange Landwirtschaft unfruchtbaren Boden des englischen Landguts Knepp durch Renaturierung eine vielfältige Naturlandschaft wurde: Ein durch grandiose Naturaufnahmen begeisternder Dokumentarfilm.


In den 1980er Jahren übernahm Charles Burrell mit seiner Partnerin Isabella Tree von seinen Großeltern das 70 Kilometer südlich von London gelegene Landgut Knepp mit seinen 1400 Hektar. Doch die landwirtschaftliche Nutzung erwies sich bald als unprofitabel, denn der Boden war längst ausgelaugt.


So entschloss sich das Paar zu einem radikalen Experiment, verkaufte die landwirtschaftlichen Maschinen und strebte, inspiriert vom Projekt des Holländers Frans Vera, die Renaturierung des Landes an.


Unterstützt von den Erzählungen Isabella Trees, deren Bestseller "Wildes Land" als Grundlage für den Film diente, zeichnet der Dokumentarfilmer David Allen die Entwicklung des Projekts nach, dessen Thema zuletzt durch das EU-Renaturierungsgesetz besondere Öffentlichkeit erlangte.


In eindrücklichen Landschaftstotalen werden einerseits immer wieder die toten Böden der in industrieller Landwirtschaft genutzten Felder der langsam auf Knepp wuchernden Natur gegenübergestellt. Andererseits werden aber auch die Schwierigkeiten bei der Umsetzung des Projekts nicht ausgespart.


Da werden persönliche Schuldgefühle angesichts der Tatsache, dass mit einer 400-jährigen Familientradition nun plötzlich gebrochen und eine totale Kehrtwende initiiert wird, ebenso angesprochen, wie bürokratische Hürden bei der Ansiedlung von Bibern. Aber auch an den Widerstand der Öffentlichkeit wird erinnert.


Auf der anderen Seite stehen diesen Rückschlägen die kontinuierliche Entwicklung und der Ausbau des Projekts gegenüber. Chronologisch spannt Allen den Bogen von der Ansiedlung von Wildpferden, ursprünglichen Rinder- und Schweinerassen über röhrende Hirsche und zwitschernde Vögel bis zur Rückkehr von Turteltauben und Zwergmäusen sowie der Ansiedlung von Störchen, die für das erste in England in freier Wildbahn geschlüpfte Storchenküken seit 600 Jahren sorgen.


In grandiosen, nicht englisch verregneten, sondern sommerlich lichtdurchfluteten und in warme Farben getauchten Naturaufnahmen, bei denen mit Zeitraffer ebenso das Wachstum von Gräsern beschleunigt wird wie mit Makroaufnahmen Käfer und Vögel groß ins Bild gerückt werden, feiern Allen und die Kameramänner Tim Cragg und Simon de Glanville die Rückkehr einer vielfältigen und unberührten Natur.


Gleichzeitig arbeitet Isabella Tree als Erzählerin eindrücklich die Bedeutung des Bodens als Grundlage für diese Entwicklung heraus und zeigt, unterstützt von den Bildern, an vielfältigen Beispielen auf, wie alles miteinander verbunden ist. Denn da ermöglicht beispielsweise das Wühlen der Schweine mit dem aufgelockerten Boden die Rückkehr der Zwergmäuse, während der Fußabdruck einer Kuh im Kuhfladen zum Lebensraum für Fliegen und andere Kleintiere wird. Sehr weit lehnt sich der Film dabei hinaus, wenn er die Pferde durch die neue Freiheit alte natürliche Kommunikations- und Interaktionsformen wiederfinden lässt, die angeblich durch die Tierzucht verlernt oder abgetötet wurden.


Humor soll dabei mit Schweinen, die in ein Catering-Zelt eindringen, und einem Pferd, das ein Polo-Spiel stört, so wenig fehlen wie niedliche Momente mit der Fürsorge eines Schweins für seine putzigen Ferkel. Keine trockene Dokumentation soll das eben sein, sondern durchaus auch auf der emotionalen Ebene soll das Publikum angesprochen werden.


Spannung wird immer wieder mit Rückschlägen und Problemen aufgebaut, die aber jeweils rasch überwunden werden oder sich auch durch die Natur selbst lösen. So wird eine große Erfolgsgeschichte erzählt, aber gleichzeitig auch daran erinnert, dass dieses Projekt nur ein Tropfen auf dem heißen Stein ist und angesichts der weltweiten Zerstörung der Natur dringend weitere Projekte folgen müssen.


Vortäuschung ist freilich zumindest teilweise der dokumentarische Charakter, denn angesichts der Tatsache, dass sich die Entwicklung von Knepp über rund zwei Jahrzehnte spannt und Isabella Trees Buch erst 2019 erschien, wurden ganz offensichtlich viele Szenen für den Film nachinszeniert. Nur kurz angeschnitten wird auch die Entwicklung der Naturlandschaft zur Touristenattraktion und ganz ausgespart wird die Finanzierung des Projekts, die teilweise mittels Subventionen erfolgt.


Diese Schwachstellen ändern aber nichts ändert daran, dass "Wildes Land – Die Rückkehr der Natur" mit seiner emphatischen Erzählweise und seinen berauschenden Bildern nicht nur Hoffnung macht, sondern auch die Begeisterung für Renaturierung wecken und ein Umdenken bezüglich des Blicks auf Kulturlandschaft und Natur hervorrufen kann.

 

 

Wildes Land – Die Rückkehr der Natur (Wilding) Großbritannien 2023 Regie: David Allen Dokumentarfilm mit: Matthew Collyer, Rhiannon Neads, Isabella Tree Länge: 75 min.



Läuft jetzt in den österreichischen und deutschen Kinos. TaSKino Feldkirch im Kino GUK: Fr 25.10. bis Do 31.10.

Kinothek extra in der Kinothek Lustenau: Mo 28.10., 18 Uhr + Mi 6.11., 20 Uhr

Spielboden Dornbirn: Mi 20.11. + Fr 29.11. - jeweils 19.30 Uhr


Trailer zu "Wildes Land - Die Rückkehr der Natur (Wilding)



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